Wieso dieser Irrsinn mit der Benzin-Durchflussmenge?
Andy Cowell (rechts) mit Mercedes-Technikchef Paddy Lowe, Nico Rosberg und Teamchef Toto Wolff (von links)
In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal schreibt Markus Jung aus Freilassing: «Mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel "Fahrfehler, lächerliche Strafe – wieso kein Kiesbett?" gelesen. Auch ich hätte eine Frage bezüglich der Formel-1-Regeln. Wieso wird mit den Fans dieser Irrsinn mit maximaler Durchflussmenge während des Grand Prix überhaupt veranstaltet? Wäre es nicht möglich, die maximale Benzinmenge pro Rennen vorzuschreiben, und die Teams legen dann die Durchflussmengen selbst fest? Je nach Situation könnte mehr oder weniger Leistung freigegeben werden, und es wären gleiche Voraussetzungen für alle Teams und Fahrer gegeben, da die maximale Benzinmenge ja begrenzt ist.»
Andy Cowell (46) war von Juli 2008 bis 2013 für alle Motoren- und Antriebsstrangprojekte bei «Mercedes-Benz HighPerfomance Engines» veranwortlich und verantwortete zudem die strategische Planung und Organisation der Ingenieurs-Gruppe. Seit 1. Januar ist Cowell Geschäftsleiter von «AMG High Performance Powertrains».
Der Engländer gibt auf die Frage wie folgt Antwort:
«Beim aufgeladenen Motor entspricht das Festlegen der Durchflussmenge dem Festlegen des Tankinhalts eines herkömmlichen Saugmotors. Die heutige Durchflussmenge ist auf 100 Kilogramm pro Stunde beschränkt. Könnten wir die Antriebseinheit zu 100 Prozent effizient nutzen, dann wäre theoretisch eine Maximalleistung von 1600 PS möglich. Das zeigt zunächst einmal – wir haben noch jede Menge Raum für Verbesserungen.»
«Der prinzipielle Grund und damit auch die Herausforderung dieses Reglements besteht darin, dass wir zusätzlich Leistung durch höhere Effizienz erreichen und nicht einfach, indem wir mehr Benzin den Motor pumpen. Diese Suche nach mehr Effizienz liegt auf der gleichen Wellenlänge wie die Bestrebungen unserer Kollegen im Serienfahrzeugbau. Jeder will im Privatwagen leistungsstärkere Motoren, die sollen aber nicht mehr Sprit verbrauchen, sondern weniger, und unsere Arbeit in der Formel 1 hilft dabei, dies zu verwirklichen.»
«Weitere Gründe für die Einführung der maximalen Durchflussmenge sind Kosten und Standfestigkeit. Ohne jede Einschränkung würden wir im Qualifying und im Rennen verschiedene Durchflussmengen anstreben, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erreichen. Den Motor entsprechend anzupassen, das wäre extrem teuer und würde in Sachen Wissen überhaupt nichts erschliessen.»
«Die Durchflussmengenregelung ist nicht mehr oder weniger massgeblich als früher die maximale Benzintankgrösse beim 2,4-Liter-V8-Motor. Es ist eine Regel, an die wir uns anpassen, die aber meiner Meinung nach die Show auf der Strecke nicht beeinträchtigt.»
«Die heutigen Antriebseinheiten erzeugen mehr Leistung und mehr Drehmoment als ihre Saugmotor-Vorgänger. Und im Renntrimm liegen wir nahe bei den kraftvollsten Grand-Prix-Motoren, die es je gab. Und das – nicht vergessen – mit Einheiten, die bis zu 5000 Kilometer lang im Einsatz stehen. Das alles ist eine gewaltige Herausforderung für die Ingenieure und eine bedeutsame Leistung für die in der Formel 1 vertretenen Hersteller.»
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