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GT3-Auto schnell auf Nordschleife: So wird es gemacht

Von Felix Schmucker
Der Porsche 911 GT3 R vom Frikadelli Racing Team

Der Porsche 911 GT3 R vom Frikadelli Racing Team

Die Nordschleife des Nürburgring gilt als schönste Rennstrecke der Welt. Doch wie ist man dort mit einem GT3-Fahrzeug so richtig schnell unterwegs? Porsche gibt einen interessanten Einblick in Bezug auf den 911 GT3 R.

Die Sonne strahlt bei angenehmen 18 Grad Celsius in der Eifel. Der trockene Asphalt auf der berühmt-berüchtigten Nürburgring-Nordschleife bietet an diesem Tag viel Grip. Werksfahrer Mathieu Jaminet hat am Steuer des Porsche 911 GT3 R von Frikadelli Racing die Reifen bereits auf optimale Temperatur gebracht. Sein Renningenieur schaut auf die GPS-Daten: Die folgende Runde verspricht wenig Überrundungsverkehr und perfekte Bedingungen für eine schnelle Zeit in der Grünen Hölle. Per Funk folgt die Ansage ins Cockpit: Push this lap! Diese Aufforderung zur maximalen Attacke hört Jaminet nur zu gern. Der Franzose wählt ein Motoren-Mapping für maximale Leistung des über 500 PS starken 4,0-Liter-Boxers im Heck des GT3-Boliden. Er überprüft die Einstellungen von Bremsbalance und Traktionskontrolle und los geht’s. 25,378 Kilometern voller Anspannung warten auf ihn.

«Wenn ich diese Worte im Funk höre, gibt es ein kurzes Grinsen unter dem Helm, denn eine solche Ansage liebt jeder Fahrer. Dann heißt es: volle Konzentration und eins mit Fahrzeug und Strecke werden», beschreibt Jaminet seine Emotionen auf dem Weg in den Full-Attack-Modus. Mit Vorfreude, Spannung und gehörigem Respekt vor den über 70 Kurven auf der teils äußerst engen und unübersichtlichen Nordschleife geht der 26-Jährige auf die schnelle Runde. «Im Bereich Hatzenbach nehmen wir die Randsteine maximal mit, danach folgt eine lange Passage, die ich besonders mag: über Hocheichen, Quiddelbacher Höhe und Flugplatz bis hin zum Schwedenkreuz fahren wir ultraschnell – fliegen fast wie in Trance. Ähnlich grandios ist später der Abschnitt von Pflanzgarten 1 über Sprunghügel und Stefan-Bellof-S bis hin zum Schwalbenschwanz. Ein solches Gefühl erleben wir Fahrer nur auf der Nordschleife.»

Um eine perfekte Runde auf der insgesamt 25,378 Kilometer langen Kombination aus Grand-Prix-Strecke und Nordschleife realisieren zu können, muss alles passen. Ganz nahe an die Acht-Minuten-Marke geht es nur dann, wenn zuvor die Basis in der Abstimmungsarbeit gelegt wurde. Für den Einsatz in der Eifel gelten besondere Bestimmungen. Der Heckflügel des Porsche 911 GT3 R darf nur 1.800 Millimeter breit sein – zehn Zentimeter weniger als in der herkömmlichen Version für Rundstrecken-Rennen. Die Bodenfreiheit muss im Stand zu jeder Zeit mindestens 70 Millimeter betragen. Ein doppeltes Luftleitelement an der Front des GT3-Renners aus Weissach hilft bei der Stabilisierung der aerodynamischen Balance.

«Den meisten Abtrieb generiert der Porsche 911 GT3 R auf normalen Strecken über den Frontsplitter. Die Wirkung dieses Bauteils hängt allerdings erheblich von der Bodenfreiheit ab – und die variiert auf der Nordschleife bei all den Sprüngen und Kompressionen sehr», beschreibt Patrick Arkenau. Der erfahrene Ingenieur des Teams Manthey-Racing sitzt beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring im sogenannten Battle Room von Porsche. Dort laufen die Daten aller von Kundenteams eingesetzten 911 GT3 R zusammen. Arkenau und seine Kollegen analysieren die Werte und geben Hinweise zur Optimierung der Performance oder Strategie.

«Der sogenannte Doppelflic seitlich an der Front gewährleistet eine konstantere aerodynamische Balance, weil er den Abtrieb an der Oberfläche des Autos generiert und somit unabhängig von der jeweiligen Bodenfreiheit wirkt», erklärt er. Für die Fahrer ist ein jederzeit berechenbares Auto von höchster Wichtigkeit. Auf der Nordschleife steht Fahrbarkeit über maximaler Performance – meistens jedenfalls.

«Für wirklich schnelle Runden, zum Beispiel im Top-Qualifying, passen wir das Auto natürlich an. Veränderte Federraten, modifizierte Dämpfer-Charakteristik, Spureinstellungen und Stabilisator-Setup, den Flügelwinkel und den sogenannten Rake – also den Anstellwinkel des Autos – optimieren», zählt Arkenau die Stellschrauben bei der Suche nach Performance auf. Für eine optimale Runde braucht es maximalen Abtrieb, um in den vielen schnellen und mittelschnellen Kurven ans Limit zu gehen.

«Durch den größeren Abtrieb und damit verbundenem höheren Luftwiderstand verliert der Fahrer auf den langen Geradeaus-Teilstücken wie Döttinger Höhe oder vom Bergwerk bis zur sogenannten Mutkurve relativ viel Zeit. Die muss er in den Kurven mit maximalem Abtrieb überkompensieren – etwa im Hatzenbach und in den Bereichen Hohe Acht, Wippermann, Brünnchen und Pflanzgarten. In einigen dieser Streckenabschnitte können die Fahrer auf einer solchen Runde auch noch etwas mehr über die Randsteine räubern, dennoch sind und bleiben die Curbs auf der Nordschleife an ganz vielen Stellen tabu – egal ob Qualifying-Runde oder nicht», schildert Arkenau.

Jaminet ergänzt: «Mitunter räubern wir dann wirklich brutal über die Randsteine. Das macht mittlerweile jeder so. Die Autos stecken das heutzutage perfekt weg. Es bringt viel Zeit, und darum geht es nun einmal.»

Aus Sicht von Sebastian Golz stechen beim Blick auf das Streckenlayout zwei Bereiche hervor, die entscheidend sein können. «Schauen wir auf den Bereich Bergwerk, eine der langsamsten Kurven auf der Strecke», erläutert der Projektleiter Porsche 911 GT3 R. «Dort gilt es, das Fahrzeug schnell gerade zu stellen und viel Traktion zu haben. Der Fahrer muss äußerst früh auf dem Gas stehen, da es von dort bis zum Karussell zirka 210 Höhenmeter steil bergauf geht. Schafft er es nicht, aus dem Bergwerk gut und früh herauszubeschleunigen, verhungert das Fahrzeug förmlich im Vergleich zur Konkurrenz auf dem Weg nach oben. Wer sich in diesem Abschnitt im Windschatten schön den Berg hochziehen lässt, der kann wichtige Meter auf den Vordermann gewinnen.»

Der Faktor Überrundungsverkehr spielt im Rennen und in allen Sessions abseits des Einzelzeit-Fahrens eine erhebliche Rolle. «Sobald das Auto aus dem Schwalbenschwanz heraus beschleunigt, ist freie Fahrt in Richtung Galgenkopf ganz entscheidend», betont Golz. «Eine optimal wirkende Aerodynamik spielt an jener Stelle eine sehr große Rolle, da der Galgenkopf die Vorbereitung auf die Döttinger Höhe ist. Wer in dieser Kurve seinem Vordermann zu dicht folgt, kämpft mit turbulenten Strömungen vor dem eigenen Fahrzeug, die die Aerodynamik stören – das Auto büßt an Abtrieb ein. Muss der Pilot dann am Galgenkopf auch nur etwas Gas herausnehmen, wird die Fahrt von der Döttinger Höhe bis zum Tiergarten sehr zäh. Es geht über rund zwei Kilometer mit Vollgas unter anderem durch eine Linkskurve, die mit fast 270 km/h genommen wird», schildert Golz. «Auf der langen Geraden entscheidet sich sehr schnell, ob ein Fahrer an Boden gewinnt oder verliert.»

In eben diesem Streckenbereich kommen oftmals – so kurios es auch klingen mag – die Autos aus kleineren Wertungsklassen zur Hilfe: Dank ihres geringeren Luftwiderstands erreichen sie auf der Döttinger Höhe zum Teil höhere Spitzengeschwindigkeiten als die GT3-Boliden der Topklasse SP9, auch wenn sie über die Runde betrachtet langsamer sind. «Wenn dort mehrere Fahrzeuge regelrecht ein Loch in die Luft reißen, dann macht das enorm viel aus: Durch den erhöhten Topspeed können allein auf der Döttinger Höhe acht oder neun Zehntelsekunden herausspringen», beziffert Patrick Arkenau den Effekt des Windschattens auf der längsten Geradeaus-Passage der Nordschleife.

Lässt der Fahrer nach der Döttinger Höhe die Bereiche Antoniusbuche und Tiergarten hinter sich, folgt kurz darauf die Start-Ziel-Linie – der Strich, der die Abrechnung auf der Stoppuhr bringt. «Der Moment der Wahrheit», schmunzelt Jaminet. «Dieser Augenblick hinterlässt aber immer auch ein seltsames Gefühl. War ich schnell? War das wirklich das Limit? Ich weiß es oftmals selbst nicht. Das ist auf der Nordschleife einzigartig: Als Fahrer hast du niemals das Gefühl, dass dir eine perfekte Runde gelungen ist. Ich persönlich bin nach einer solchen Qualifying-Attacke total leer und habe das Gefühl, die Nordschleife irgendwie überstanden zu haben, mit hohen Risiken und manchmal auch am Rande eines Abflugs. Das alles muss erst einmal sacken. Dafür brauche ich immer eine ganze Weile. Erst nach ein paar Minuten an der Box bin ich wieder normal im Kopf», lacht der Franzose.

«Uns Ingenieure erstaunt immer wieder, was die Fahrer herausholen können, wenn sie wissen, dass es gerade um alles geht. Was diese Jungs mit dem Auto anstellen, ist ein Wahnsinn», bewundert Patrick Arkenau die Arbeit der Vollgashelden am Lenkrad, die er auf Grundlage seiner Daten genau analysieren kann. Gehen einige Piloten zu weit? Sind die Risiken zu hoch? Müssen Ingenieure die Fahrer teilweise vor Übermut und möglicher Selbstüberschätzung schützen?

«Wer fünf Menschen zu diesem Thema befragt, bekommt vermutlich fünf unterschiedliche Antworten», schmunzelt Arkenau. «Meine Meinung ist ganz klar: Die Fahrer sind die einzigen, die wirklich einschätzen können, was sie gerade tun. Also lass sie machen. Wir können von außen überhaupt nicht beurteilen, was gerade passiert und wie sich das Auto in der jeweiligen Situation anfühlt. Nur wer fährt, weiß um das jeweilige Limit.»

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