Rallye Dakar: Droht jetzt Abbruch wegen Terrorgefahr?
Auch am Ruhetag der 44. Dakar-Rallye sind die Gerüchte über einen Abbruch der Marathon-Veranstaltung nicht verstummt. Denn die französische Regierung stuft eine Explosion am Fahrzeug des französischen Fahrers Philippe Boutron vor Beginn der Veranstaltung als möglichen Terrorakt ein. «Wir überlegen, ob es das Beste ist, diesen Sportevent abzubrechen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen», erklärte Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian dem TV-Sender BFM. «Es gab womöglich einen Terroranschlag gegen die Dakar.»
Bei der Explosion eines Begleitfahrzeugs ist der Franzose Philippe Boutron – wie berichtet – am 30. Januar 2021 schwer verletzt worden. Die Behörden in Saudi-Arabien ermitteln wegen versuchter Terroranschläge. Nach der Explosion des von Philippe Boutron gefahrenen Autos vor dem Shakedown der 44. Rallye Dakar sei ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Terroranschläge eingeleitet worden, teilte die nationale Anti-Terror-Staatsanwaltschaft in Frankreich mit.
SPEEDWEEK.com erkundigte sich beim Veranstalter und einem der Regierung nahestehendem saudi-arabischen Prinzen am gestrigen Ruhetag, ob die Dakar-Rallye tatsächlich vom einem Abbruch bedroht sei.
«Wir haben ein Meeting gehabt, bei dem es auch um künftige Reglementsänderungen der Dakar-Rallye ging, die jetzt verworfen worden sind, weil die Hersteller dagegen waren», erklärte Heinz Kinigadner, zweifacher Motocross-Weltmeister, siebenfacher Dakar-Teilnehmer und jetzt KTM-Berater. «Bei dieser Gelegenheit habe ich mich bei A.S.O.-Chef Yann Le Moënner erkundigt, ob die Regierung in Frankreich einen Abbruch durchsetzen kann. Le Moënner hat zugegeben, dass ihnen der französische Außenminister Kopfweh macht, der den Abbruch der Rallye verlangt.»
Heinz Kinigadner ist in Saudi-Arabien für die Pierer Mobility AG unterwegs, die in der Motorradwertung die drei Werksteams von KTM, Husqvarna und GASGAS einsetzt. Das GASGAS Factory Rally Team hält sich mit Sam Sunderland und Daniel Sanders auf den Rängen 1 und 3. Der Salzburger Red Bull-KTM-Pilot Matthias Walkner lag vor der 7.Etappe an zweiter Position.
«Im Biwak redet niemand über den Anschlag vom 30. Dezember oder über die Gefahr eines Abbruchs», ergänzte der Tiroler Kinigadner. «Dieser Vorfall wird irgendwie totgeschwiegen. Es wurde auch bei den Briefings nie erklärt, was da los war. Dieser Vorkommnis wird nie erwähnt.»
Heinz Kinigadner (61) traf gestern im Biwak auch den saudi-arabischen Sportminister Prinz Abdul Aziz bin Turki Al-Faisal, der seit vielen Jahren auch Autorennen bestreitet, zuletzt beim saudischen Formel-1-GP im Porsche-Cup an den Start ging und ausgezeichnete Beziehungen in höchste Regierungskreise hat.
Kinigadner gegenüber SPEEDEEEK.com: «Der Prinz hat mir versichert, dass das Land von der Sicherheit her für die Rallye in Saudi-Arabien alles unter Kontrolle hat.»
Wegen der Explosion des 4×4 des Gironde-Teams Sodicars, bei der Philippe Boutron schwer verletzt wurde, nahm die nationale Anti-Terror-Staatsanwaltschaft den Fall auf und kündigte die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen «versuchten Attentaten im Zusammenhang mit einem terroristischen Unternehmen» an.
Philippe Boutron, der den 4 × 4 steuerte und am 30. Dezember zum Shakedown der Dakar 2022 fuhr, wurde schwer verletzt, nachdem sein Fahrzeug in der Nähe einer Tankstelle explodiert war. Diese Informationen wurden von Dakar-Rennleiter David Castera am 1. Januar bestätigt.
Boutron, Präsident des US-amerikanischen Footballclubs Orléans, wurde am Bein verletzt und vor Beginn der Rückführung in ein Militärkrankenhaus transportiert und operiert. Die Ermittlungen rund um diese Explosion seien «der Direktion für innere Sicherheit (DGSI) anvertraut» worden, teilt die nationale Anti-Terror-Staatsanwaltschaft mit.
Die Explosion weckte Erinnerungen an die Rallye Dakar 2008: Die Amaury Sport Organisation (ASO), Veranstalter der Rallye, kam am 4. Januar 2008 nach Beratungen mit dem französischen Außenministerium einen Tag vor dem Start in Lissabon zum Entschluss der Absage der Veranstaltung aufgrund von «direkten Bedrohungen gegen das Rennen von terroristischen Gruppen».
Vorangegangen waren mehrere durch Terroristen ausgelöste Attentate in Mauretanien, bei denen vier französische Touristen und drei Soldaten getötet wurden. 2009 wurde deswegen erstmals die Rallye in Südamerika ausgetragen.
Saudi-Arabien hat sich bei der A.S.O., die auch die Tour de France veranstaltet, die Dakar-Rallye für fünf Jahre gesichert, 2022 findet die dritte Event statt.
Saudi-Arabien war als Schauplatz der Dakar immer wieder beanstandet worden, wegen der militärischen Auseinandersetzungen mit dem Jemen, wegen der Unterdrückung der Frauen, wegen Sportwashings und wegen der Ermordung des regime-kritischen Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul.