Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Notnagel oder Rettungsanker?

Kolumne von Oliver Runschke
Stéphane Ratel (re.) mit George Howard-Chapell von Aston Martin

Stéphane Ratel (re.) mit George Howard-Chapell von Aston Martin

Die neue, kombinierte GT-Klasse für die Weltmeisterschaft 2012 weiss momentan noch nicht so recht, was sie sein will.

Stéphane Ratel steht erneut vor einer Mammutaufgabe. 2010 hob der Franzose inmitten einer schweren Wirtschaftskrise mit massivem Gegenwind die GT1-Weltmeisterschaft aus der Taufe. 2012 wird die WM komplett neu gemischt, Ratel muss fast nochmals von vorne anfangen. Zwischendurch hob der umtriebige Franzose mit Wohnsitz London 2011 noch schnell die Blancpain Endurance Series aus der Taufe. Für die GT-WM im nächsten Jahr wirft Ratel nun die GT1-Klasse, die 2009er GT2-Klasse (mit 2011er ACO-Homologationen, also Wippenschaltung etc) und die 2011er GT3-Klasse in einen Topf, rührt fleissig um und giesst alles durch das «Balance of Performance»-Sieb. Fertig ist die GT-WM 2012.

Wer sich nun fragt, ob das Konzept funktioniert: Es fällt zumindest im Fahrerlager und bei einigen namhaften Herstellern auf fruchtbaren Boden. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Die GT1-Klasse, so spektakulär die Fahrzeuge selbst 2011 noch sind, stand schon 2009 auf dem Abstellgleis des Rennsports. Die 2005 vom SRO-Boss ersonnene GT3 ist hingegen sein bestes Pferd im Stall. Ratel macht das, was jeder gute Kaufmann tut: Er setzt auf sein Erfolgsmodell. Von jedem Hersteller lässt Ratel 2012 nur ein Zweiwagenteams zu. Die künstliche Verknappung erzeugt nicht nur Interesse, sondern im Idealfall auch Qualität. Die Reisekosten zu den Überseerennen werden weiterhin komplett bezahlt, ein Supertrumpf für die Teams.

Die Fahrzeuge, die in der WM eingesetzt werden können, sind in den meisten Fällen stark verbreitet. Die technischen Modifikationen halten sich im überschaubaren Rahmen. Die Hürde zum WM-Einstieg liegt also niedrig. Ratel sollte wenig Probleme haben, die anvisierten elf Teams zusammenzutragen. Rückenwind bekommen Ratels Pläne u.a. von Audi. Auch Mercedes gilt für die WM 2012 als fix, Ferrari als extrem interessiert. Und Hersteller wie McLaren, Lotus und Aston Martin dürfte man ohnehin nicht zwei Mal zum WM-Tanz auffordern müssen. Um die «Balance of Performance» von Anfang in den Griff zu bekommen, sollen die GT-Boliden im nächsten Jahr nicht nur auf die Rennstrecke, sondern auch auf Prüfstände und in Windkanäle geschickt werden.

Wer nun sagt das ganze Klassen-Misch-Masch kann gar nicht funktionieren und die GT1 werden den GT3 zwangläufig um die Ohren fahren, dem sei gesagt, dass die viel gerühmte Seriennähe bei vielen GT3 mittlerweile nicht viel mehr als eine Floskel ist. «In der GT3-Klasse kann man machen was man will und homologiert es einfach», sagt einer der versiertesten Ingenieure im GT1-Fahrerlager. «Bei der GT1 und GT2-Klasse ist man hingegen an ein sehr eng gefasstes technisches Reglement gebunden. Ich würde sehr gerne einen aktuellen Ferrari 458 Italia GT3 mit Carbonbremsen und den GT1-Reifen im Vergleich zu einem GT1-Auto sehen. Wir würden uns vermutlich alle wundern.»

Wie sich die neue Langstrecken-WM der FIA auf Ratels Planungen auswirkt, bleibt abzuwarten. Ratel hat sein Produkt im Gegensatz zum jetzigen ILMC konsequent auf TV-Vermarktung ausgelegt, auch wenn das bisher grandios in die Hose gegangen ist. «Ich glaube daran, dass es immer noch genügend GT-Hersteller gibt, die Gesamtsiege einfahren wollen und nicht auf dem 18. Platz um Klassensiege kämpfen wollen», ist Ratels Standardantwort zu diesem Thema.

Hat Ratel nun mit seinem neuen GT-Misch-Masch für 2012 den Stein der Weisen für eine glorreiche Zukunft des GT-Sports gefunden? Mitnichten, dem im neuesten Projekt von Ratel fehlt das, was die Ideen des Franzosen sonst immer auszeichnete: Die Vision. Ratel wirft alles in eine Schüssel und hofft das daraus ein schmackhaftes Süppchen entsteht. Gut für die nächsten beiden Jahre, doch wie geht es dann weiter? Nach welchem Reglement baut man zukünftig ein GT-Auto? Das für 2012 angestrebte Reglement kann nur eine Übergangslösung sein. Im Rahmen der 24h von Spa Ende Juli will Ratel die neue WM vorstellen, bis dann müssen sich auch die Teams für 2012 bereits eingeschrieben haben. Spätestens dann sollte Ratel mit seinem Konzept rausrücken, damit die GT-WM nicht wie ein Notnagel aussieht.

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