Nach Audi-Ausstieg: Wie geht es mit der LMP1 weiter?
Wohin steuert die LMP1-Klasse
Nach dem am Mittwoch beschlossenen Ausstieg von Audi aus der grossen Prototypenklasse (LMP1) befindet sich die Szene gerade im Schockzustand. Und dieser ist noch extremer als beim Peugeot-Abschied wenige Wochen vor Neustart der Sportwagen-WM im Jahre 2012. Denn Audi ist nun schon 18 lange Jahre mit dabei, hat den Sport mit aufgebaut und war (auch politisch) immer für ihn da – auch in Zeiten, als es etwas mau um die LMPs aussah. Der nun verkündete Ausstieg zum Ende der aktuellen Saison (letztes Rennen in Bahrain am 19. November) wirft natürlich die Frage auf, wie es mit der Königsklasse der Sportwagen weiter gehen wird.
Eines ist klar: Im kommenden Jahr wird es sicherlich sehr dünn an der Spitze der FIA WEC aussehen. Denn sollte es mit einem angedachten dritten Toyota für die 24 Stunden von Le Mans und gegebenenfalls die 6 Stunden von Spa-Francorchamps nichts werden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass 2017 nur fünf LMP1 antreten werden: zwei Porsche 919 Hybrid, zwei Toyota TS050 Hybrid und mit dem CLM P1/01 der letzte verbliebene Privatwagen. Also eine Show, die jetzt nicht unbedingt vor grossem Spektakel strotzt – und höchstens in einer Art ‚Übergangsjahr‘ funktionieren kann.
Natürlich sollten sich die Protagonisten die Frage stellen, ob man sich mit dem für die Saison 2014 neu eingeführten technischen Reglement nicht gleich schon das eigene Grab geschaufelt hatte. Denn die seitdem verwendeten Hybrid-Raketen sich zwar sicherlich ein deliziöser Leckerbissen für Technik-Fetischisten (und haben bestimmt auch ein paar Euro aus den jeweiligen Marketing Abteilungen locker gemacht), doch sie sind halt einfach auch extrem teuer (von teilweise dreistelligen Millionen-Budgets ist die Rede).
Auf der anderen Seite (und das haben die Hersteller in jenem Jahr selbst auch immer stolz betont) hatte dies auf das Racing keinen Einfluss. Sprich das Renngeschehen für die Zuschauer an der Strecke und vor den TV-Bildschirmen blieb eigentlich beim Alten - ausser vielleicht, dass sie sich mit unerotischen Themen wie Megajoule-Klasse oder maximaler Spritdurchflussmenge beschäftigen mussten. Warum dann das Ganze eigentlich?
Denn die Einführung der neuen Hybrid-Monster hatte zusätzlich noch mit sich gebracht, dass die privaten Teams das Interesse an der Klasse verloren hatten. Lediglich Rebellion und ByKolles stellten sich tapfer der übermächtigen Konkurrenz, mussten sich aber nicht selten mit Rückständen jenseits der 6-Sekunden-Marke verblasen lassen. Rebellion hat für 2017 schon den LMP1-Stecker gezogen – und in Teilen interessierte andere Teams haben entschieden, die Finger von der Klasse zu lassen. Und das selbst nachdem der ACO im Sommer einige technische Zugeständnisse für die Privat-Equipen verkündet hatte (z.B. verbesserte Aerodynamik). Diese gingen den Interessenten jedoch nicht weit genug.
Aber auch andere Hersteller können sich mit der aktuellen LMP1-Klasse nicht wirklich anfreunden. Nissan hatte sich 2015 nach einem desaströsen Auftritt in Le Mans gleich wieder vom Acker gemacht, da es mit annehmbarem (technischen und finanziellen) Aufwand nicht möglich gewesen wäre, Audi, Porsche und Toyota nachhaltig Paroli bieten zu können. Peugeot zeigt sich in Form vom Sportchef Bruno Famin und PSA-Boss Carlos Tavares ab und zu im Paddock, doch den Franzosen ist der Einstieg in die LMP1 einfach zu teuer. Man spricht davon, dass ein Budget zweieinhalbfach so gross ausfallen müsste, als zu Zeiten des letzten Le-Mans-Sieges – und der war erst 2009. Andere Hersteller sind mittelfristig nicht in Sicht.
Auf der anderen Seite geht das Technik-Aufrüsten munter weiter: Ab der Saison 2018 dürfen die LMP1-Boliden dann drei (anstatt zwei) Hybrid-Systeme an Bord haben und pro Le-Mans-Runde bis zu 10 Megajoule rekuperieren. Anfang/Mitte der 2020 sollen dann weitere alternative Antriebe eingeführt werden (wie zum Beispiel Wasserstoff), die dann weitere motorsportliche Grossinvestitionen zur Folge hätten. Eine Strategie, die zumindest nochmals diskutiert werden sollte...
Aber zum Glück gibt es ja noch die LMP2, die 2017 mit spektakulären Rennwagen (über 600 PS) und Rundenzeiten von unter 3:30 Minuten in Le Mans aufwarten wird. Zumindest dort wird ganz bestimmt super Racing geboten.
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