Willkommen in Shanghai!
Das hätte unserem Fahrer auch passieren können
Die Bilder sind weltberühmt – der Papst entsteigt dem Flugzeug und küsst den Boden. Bis heute hält sich ja hartnäckig der Witz, er sei einfach nur jedesmal unendlich erleichtert gewesen, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben …
Wer vom Flughafen Shanghai-Pudong eine Taxifahrt ins Hotel wagt, kann die Boden-Küsserei mühelos nachvollziehen: 40 Minuten Fahrt in den zunehmenden Morgenverkehr hinein, das ergibt vier Beinahe-Kollisionen, einen Total-Schaden am Strassenrand (zum Glück nicht bei uns), suizidverdächtige Rollerfahrer von links, blinde Radfahrer von rechts, alle scheren sich ein Reiskorn um die Farben von Ampeln, und mitten in all dem sind wir einem Fahrer ausgeliefert, in dem sich Unvermögen am Lenkrad mit Todesverachtung vermischt, sein lautstarkes Rotzen in zahlreiche Taschentücher macht ihn nicht zwingend sympathischer – willkommen in Shanghai!
Bevor jetzt der geneigte SPEEDWEEK-User glaubt, wir fänden alles und jeden in Shanghai schlecht: dem ist natürlich nicht so. Allein der historische Kern von Shanghai ist die Reise wert, die neuen Wolkenkratzer von Pudong (wo vor 30 Jahren Schweine suhlten) rauben uns den Atem, das Personal im Hotel glänzt durch Zuvorkommenheit und Effizienz.
Aber gemessen an der höflichen Gemächlichkeit des Malaysiers ist der durchschnittliche Chinese in dieser Weltstadt, der Name der Stadt birgt es schon, wie ein lauernder Hai verglichen mit einem netten Goldfisch. Und der Verkehr ist Ausdruck davon. Auch auf dem Gehsteig – in Shanghai wird gerempelt und gedrängelt und geellbögelt, dass der Begriff Kontaktfreudigkeit eine ganz frische Bedeutung erhält. Der Chinese geht nicht um uns herum, wenn wir verweilend im Weg stehen, er walzt einen nieder.
Strahlender Sonnenschein begrüsst uns, knackige 10 Grad, ein wundervoller Morgen einer pulsierenden Metropole. Dennoch sollte Pirelli die Regenreifen bereit halten: Am Freitag soll es – gemäss heutiger Vorhersage – regnen, ebenso im Abschlusstraining und auch, allerdings mit abnehmender Wahrscheinlichkeit, am Sonntag.
Während in Kuala Lumpur das Formel-1-Rennen an jeder Ecke präsent ist, muss man sich in Shanghai schon viel Mühe geben, einen Grand Prix zu erahnen. Und das gibt uns den Bogen zurück zum Taxifahrer. «Rennen? Wer Rennen?» fragt er in gebrochenem Englisch, als er uns nach dem Grund unseres Auftauchens gefragt hatte.