Renault: Eigentor
Nick Heidfelds Karriere stockt mal wieder
Es scheint niemanden besonders aufzuregen, dass Nick Heidfeld vom Belgien-GP an bei Renault nicht mehr mitfahren darf. Der Rauswurf nach elf Rennen war gestern verkündet worden, heute sollte die Erklärung folgen.
Was auch immer Renault uns zu sagen hat: Es muss schwierig sein, sonst hätte das Team es längst getan. Und wieso man das Thema bei vier Wochen Sommerpause nicht längst abgearbeitet hatte, bleibt das Geheimnis des Teams.
Fest steht jedoch, dass der Rauswurf Heidfelds in eklatanter Weise dem von Heinz-Harald Frentzen bei Jordan im Jahr 2001 gleicht, also vor exakt zehn Jahren. Damals musste der ebenfalls aus Gladbach stammende HHF sein Cockpit räumen, weil er in den Qualifikationen gegenüber Jarno Trulli das Nachsehen hatte. Wie jetzt Heidfeld, der bei der Jagd nach den Startplätzen zumeist langsamer war als Vitaly Petrov.
Der Sport war jedoch schon damals komplizierter, denn einen besseren Qualifikationsplatz erkauft man sich oft mit einer speziell auf die Qualifikation zugeschnittenen Abstimmung des Fahrzeugs. Frentzen hat sein Startplatz damals eher am Rande, der Medien wegen, interessiert. Ansonsten arbeitete HHF stets exakt dafür, wo er am Sonntag nach 300 Kilometern im Rennen landen würde. Und das machte er besser als Trulli (der die Auswechslung übrigens genauso wenig verstand und tolerierte wie Frentzen selbst).
Trulli selbst schickte sich 2004 an, den Schützling des Renault-Teamleiters Flavio Briatore bei Renault zu demontieren. Und wurde sofort an die Luft gesetzt, damit sich Fernando Alonso ungestört entwickeln konnte. Trulli spricht bis heute nicht darüber.
Jedenfalls kam 2001 der gelbe Jordan mit Frentzen merkwürdigerweise im zweiten Rennabschnitt in aller Regel vor den des Italieners – und auch vor ihm ins Ziel. Frentzen gewann (schon 1999) zwei GP im unterlegenen Jordan, die mit diesem Auto eigentlich nicht zu gewinnen waren.
Heidfeld ist auch ein Fahrer, der über den Startplatz hinaus denkt. Der Reifenschoner hat seine Qualifikationsniederlagen durch gegenüber Petrov klar stärkere Rennleistungen legitimiert. Das Team kann dies aus den Rundenprotokollen glasklar herauslesen. Heidfeld Vorsprung auf den Russen wäre, defektbereinigt, deutlich grösser als zwei Punkte. Die Chance, dies in Zahlen zu zementieren, bekommt Heidfeld nicht mehr.
Renault ist im Zugzwang, muss etwas tun. Oder glaubt es zumindest. Und handelt wider besseres Wissen – vielleicht der Aussenwirkung wegen, um ein Zeichen zu setzen.
Das Zeichen sieht so aus: Der schlechtere Pilot (2-Jahresvertrag) darf bleiben. Renault hat den besseren Racer ziehen gelassen, genau wie damals Jordan.
Jordan bereut es bis heute, Renault wird (nichts gegen Ersatmann Bruno Senna) es noch bereuen, denn ein besserer Rennfahrer als Heidfeld war und ist als Kubica-Ersatz nicht auf dem Markt. Und die Rennen, bei denen Renault noch von der Umsicht und Klasse Heidfelds profitieren könnte (Singapur, Suzuka, Abu Dhabi, Interlagos), auch Spa-Francorchamps, die kommen erst noch. Zumal: Jedes Rennen ist – in diesem wettbewerbsfähigen Umfeld – extrem schwierig.
Heidfeld wird das Geld nehmen und vermutlich nie mehr zurückkehren.
Renault wird das Geld nehmen, dass vielleicht durch Sennas Verpflichtung aus Südamerika locker zu machen ist – und verabschiedet sich bis auf Weiteres ins Mittelfeld. Platz 5 gerät in akute Gefahr.
Williams hat 2010 das Geld genommen, das Pastor Maldonado in Venezuela bekommen konnte.
All diese Personal-Entscheidungen entsprechen nicht mehr sportlichen Motiven, sondern monetären oder medialen oder strategischen.
Ein kleine Ausnahme ist der Austausch Vitantonio Liuzzis durch Paul di Resta im vorigen Winter, denn der geschah aus Überzeugung. Aber auch hier gab es Gemeinsamkeiten mit Heidfeld. Zum Beispiel einen gültigen Vertrag.
Und: Force India profitiert weiter von der Mercedes-Verbindung.
Die Formel 1 muss aufpassen: Wenn Verträge wertlos werden, ist die Moral ruiniert. Und der Sport wird in seinem Ruf geschädigt. Merkwürdig, dass der Weltverband das toleriert…
Noch schlimmer: Die F1 verliert eine ehrliche Haut. Viele gibt es davon sowieso nicht mehr im Fahrerlager.