Augenzeuge: Crash Michael Schumacher/Johnny Cecotto
Michael Schumacher im DTM-Mercedes
Schon das gesamte Wochenende 13./14. Oktober 1990 über lag eine große Nervosität bei BMW, besonders vor dem Start des Finales. Zwar reiste Johnny Cecotto mit 18 Punkten Vorsprung auf Audi-Pilot Hans-Joachim Stuck ins badische Motodrom, doch im Training war der Venezolaner im Schnitzer-M3 nur Neunter geworden, als schnellster BMW!
Zusätzlich sorgte eine Explosion am Auto von Emanuele Pirro für Stress, und im Qualifikationsrennen war der Italiener mit seinem Ersatzfahrer-Kollegen Eric van de Poele aus Belgien auch noch zusammengerumpelt.
Rennleiter Karsten Engel damals: «Alles geht heute schief, und wir wissen noch nicht einmal, weshalb.»
Es sollte noch schlimmer kommen.
Start zum ersten Rennen, vor über 70.000 Zuschauern: Während das schnelle Audi V8-Trio mit Stuck, Frank Jelinski und Rallye-Weltmeister Walter Röhrl die erste Rechtskurve bereits gemeistert hatte, befand sich Cecotto noch eingekeilt im vorderen Mittelfeld.
Michael Schumacher, frischgebackener Formel-3-Meister und als Gastfahrer erstmals im Kärcher-Mercedes dabei, startete als 15., versuchte, rechts am Feld vorbei nach vorne zu kommen.
Dabei geriet Schumi, im Tourenwagen gänzlich unerfahren, mit allen vier Rädern auf den Grasstreifen neben der Strecke und rodelte haltlos schnurgerade ins Heck von Cecottos M3.
In diesem Moment stand ich neben BMW-Motorsportchef Karl-Heinz Kalbfell in der Schnitzer-Box, musste fassungslos am Bildschirm mit ansehen, was da gerade geschah.
Auch Kalbfell stand wie versteinert da, sagte dann plötzlich: «Das ist ja unglaublich, wir hören sofort auf mit diesem Sport.»
Diesen Spruch, der zum Glück nicht wahr wurde, wertete ich zunächst als überzogene Erst-Reaktion, als Schock auf das Geschehene. Doch für einige in der BMW-Truppe hatte sich blitzschnell verfestigt, dass Mercedes mit Schumacher diese Aktion geplant hatte.
Vor allem eine Runde um «Ziehvater» Paul Rosche, der bei manch harten Aktionen Cecottos seine schützende Hand über ihn gehalten hatte, gab der Verschwörungstheorie gegen BMW immer wieder neue Nahrung.
Auch Cecottos Reaktion, typisch für den temperamentvollen Südamerikaner, war recht eindeutig. Er beschimpfte zum einen «Shoemaker, that idiot», musste gar zurückgehalten werden, um nicht nach dem Rennen handgreiflich zu werden.
Mit Zornesröte im Gesicht bestieg er das Ersatzauto, kam nach dem Neustart im ersten Lauf noch auf Platz 11. Dabei wären mehr Punkte drin gewesen, wenn BMW Steve Soper und Emanuele Pirro, die beide vor ihm lagen, zurückgepfiffen hätte.
Im zweiten Lauf gelang ihm zwar noch Platz 4, doch letztlich war ihm der spätere DTM-Sieger Stuck doch längst um zwölf Punkte enteilt – das schmerzliche Ende eines Championats für ihn.
Als wir abends bei der anschließenden Meisterfeier im Schloss Schwetzingen in geselliger Runde zusammensaßen, grummelte Cecotto noch immer vor sich hin.
Und er wollte nicht wahrnehmen, was DTM-Gewinner Stuck ihm zu erklären versuchte: «Weshalb sollte Mercedes ausgerechnet einen BMW crashen, wir von Audi hätten doch genau so gut das Ziel sein können? Zudem ist es schier unmöglich, in einem Pulk von 23 schnell fahrenden Autos ein ganz bestimmtes zu treffen.»
Irgendwann beruhigte sich Cecotto schließlich und gewann in der neuen DTM-Saison 1991 gleich beide Rennen beim Auftakt im belgischen Zolder.
Michael Schumacher sollte er auf der Rennstrecke nie mehr treffen: Der junge Deutsche ging im gleichen Jahr, ebenfalls in Belgien, aber auf dem Ardennen-Kurs von Spa-Francorchamps, einen ganz anderen Weg – er startete dort seine unglaubliche Formel-1-Karriere im Rennauto von Eddie Jordan.
Aber das ist wieder eine andere Geschichte.