Dr. Helmut Marko: «Wir wissen, was zu tun ist»
Dr. Helmut Marko weiss: Max Verstappen hat auf dem Weg zu seinem vierten WM-Titel Grosses vollbracht
Eine lange Saison ist in Abu Dhabi zu Ende gegangen, und in dieser hat Max Verstappen eimal mehr seine Klasse unter Beweis gestellt und den WM-Titel verteidigt. In diesem Jahr ist Max weiter gereift. Er war mental, fahrerisch und im Zweikampf der Beste, und er hat gelernt, nur das zu erreichen, was notwendig ist. Hätte man am Anfang des Jahres gesagt, er würde Lewis Hamilton und die beiden Ferraris vorbeiwinken, weil er an die WM denkt, dann hätte man das als Schwachsinn deklariert. Aber das hat er gemacht, weil er weiss, worauf er sich konzentrieren muss.
In Brasilien hat er dann auf nasser Piste gezeigt, was er unter schwierigsten Bedingungen hinzaubern kann. Das war eine Meisterleistung, denn es ging um die WM, und entsprechend gross war der Druck, der auf seinen Schultern lastete. Bereits 2016 hat er in Interlagos unter ähnlichen Bedingungen einen wirklich guten Auftritt hingelegt. Aber er machte damals ein paar Fehler.
Diesmal blieb er fehlerfrei, und das zeigt, wie nervenstark er ist. Die 17 schnellsten Rennrunden, die er zum Schluss gedreht hat, waren eine psychologische Demütigung für die Konkurrenz, er hat alle deklassiert und damit wieder einmal bewiesen, warum er zu den Besten dieses Sports gehört. Das steht für uns und auch für ihn an erster Stelle. Uns geht es nicht um die Bewertungen der Journalisten oder irgendeinen Beliebtheitsgrad. Der WM-Titel wird aufgrund von Punkten vergeben, und diese sprechen eine eindeutige Sprache für Max.
Es ist schon so, dass gerade in den englischen Medien nicht unbedingt eine objektive Ausgeglichenheit herrscht. Aber ich glaube, da spielt auch das Phänomen eine Rolle, dass immer derjenige, der als neuer, potenzieller Star oder Jäger auf die Bühne tritt, mehr Sympathien geniesst als der etablierte Champion. Aber Max ist das egal, er sagt immer, was er denkt und zeigt seine Emotionen, und das finde ich auch richtig.
Es geht spannend weiter
Ich bin mir sicher, dass uns im nächsten Jahr ein enger Spitzenkampf erwartet. Das ist im letzten Jahr einer Reglement-Laufzeit auch normal. Da rückt das Feld zusammen. Denn es ist Usus in der Formel 1, dass man die erfolgreichen Konzepte kopiert. Und je länger die Vorgaben stabil bleiben, desto ähnlicher werden die Autos. Damit wird die Leistungsdichte automatisch erhöht.
Wir werden im nächsten Jahr wieder alles geben. Es wird einige Veränderungen im Team geben, denn es gab einige Abgänge. Aber wir sind breit aufgestellt und ich glaube, dass unsere Mannschaft in der Lage ist, Max ein Auto hinzustellen, mit dem er erneut um die WM mitkämpfen kann. Und wir wissen, was zu tun ist. Dieses Auto braucht ein breiteres Arbeitsfenster, damit es bei leichten Temperaturschwankungen oder geringfügigen technischen Änderungen nicht gleich aus der Balance kommt.
Genau daran arbeiten unsere Ingenieure. Denn 40 Punkte an Abtrieb sind zwar gut, aber vier Zehntel auf der Stoppur sind das, was mich und auch den Fahrer interessiert. Das Fahrverhalten muss für den Fahrer vorhersehbar sein, damit er das nötige Vertrauen aufbauen kann.
Und da wir mit Max den schnellsten und besten Fahrer im Feld haben, liegt es auch auf der Hand, dass wir auf dessen Vorlieben eingehen, wenn es bei der Entwicklung um die Fahreigenschaften des Autos geht. Ich bin mir sicher, solange wir ihm ein wettbewerbsfähiges Auto hinstellen, wird er auch bei Red Bull Racing bleiben.
Zur Frage, wie die Fahrer-Paarung im nächsten Jahr aussehen wird, werden wir in den nächsten Tagen Neuigkeiten verkünden. Da wird viel spekuliert und dabei werden auch Beträge für etwaige Ablösesummen genannt, die völliger Blödsinn sind.
Starker Nachwuchs
Bei den Nachsaison-Testfahrten durfte Yuki Tsunoda im RB20 auf die Strecke und das Team war glücklich mit seinem technischen Feedback. In dieser Hinsicht ist er weitaus besser, als es ihm nachgesagt wird. Er ist nur eines von vielen Talenten, die wir in unseren Reihen haben. Wir sind auch in den Nachwuchsklassen sehr gut aufgestellt. Wir haben etwa mit Nikola Tsolov einen Titelkandidaten in der Formel 3, und wir sind auch im neuen Eurocup stark vertreten. Ausserdem schicken wir auch in der englischen Formel 4 mit dem Hitech GP Team vielversprechende Talente auf die Strecke.
Auch in der Formel 1 können wir viel von den Jungen erwarten. Es ist erfreulich, dass nach einer langen Zeit, in der es kaum Veränderungen gab, gleich mehrere vielversprechende Rookies zeigen können, was in ihnen steckt. Wir haben im nächsten Jahr Gabriel Bortoleto im Feld, der die Formel 2 gewonnen hat, ausserdem steigen auch Oliver Bearman und Kimi Antonelli auf. Und sollten wir bei Racing Bulls auch einen Junior einsetzen, wären das vier Neulinge im Feld, da kann man schon von einem Generationenwechsel sprechen.
Gespannt sein dürfen wir auch auf Lewis Hamilton im Ferrari. Er wird mit Charles Leclerc einen der stärksten Gegner im Qualifying haben. Im Rennen kann er immer noch Weltklasse sein, wenn das Auto passt. Wir haben bei Mercedes aber auch gesehen, dass seine Motivation überschaubar ist, wenn das Auto nicht viel getaugt hat. Er braucht das Wissen, dass er damit aufs Podium fahren kann. Um einen zehnten Platz wird er sich wohl kaum ein Bein ausreissen.
Es gibt also viele Gründe, sich auf die neue Saison zu freuen, und wir können es kaum erwarten, wieder auf die Strecke zu gehen und zu zeigen, wozu wir in der Lage sind.