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Solitude: Als es laut wurde im Wald der Schwaben

Kolumne von Friedbert Holz
​100 Jahre alt ist sie mittlerweile, die legendäre Solitude-Rennstrecke bei Stuttgart. Wo einst sogar Formel-1-Boliden durch den Wald rasten, befindet sich heute ein Naherholungsgebiet für Großstädter.

Wer von Stuttgart, der Hauptstadt der Schwaben im Südwesten Deutschlands, Richtung Westen nach Leonberg fahren will, kann unter mehreren Strecken wählen. Eine landschaftlich besonders schöne Strecke aber führt aus dem Kessel der Metropole heraus, zuerst über die Bundesstraße 14 und dann über die Landesstraße 1187, durchs so genannte Mahdental, nach Glemseck.

Täglich fahren Tausende hier zur Arbeit und wieder zurück, aber nur wenige wissen oder denken daran, dass sie sich hier auf einem Teilstück der legendären Solitude-Rennstrecke bewegen.

Vor 100 Jahren wurde hier ein 22,3 Kilometer langer Rundkurs eingeweiht, mit 26 Links- und 19 Rechtskurven, 130 Meter Höhenunterschied, entgegen dem Uhrzeigersinn, fast so etwas wie eine Mini-Nordschleife.

Start und Ziel waren damals noch am Lustschlösschen des ehemaligen Königs von Württemberg, bei der Solitude. Dieses Wort stammt aus dem Französischen und bedeutet Einsamkeit, Abgeschiedenheit: Tatsächlich liegt dieser immer noch beeindruckende Bau inmitten eines dichten Waldgebiets, weit weg vom hektischen Rummel der Hauptstadt.

Wenige Jahre später wurde dieser Parcours etwas verkürzt auf die Hälfte, Start und Ziel wurden nach Westen verlegt, 18 Kurven blieben übrig. Hier fuhren Motorräder wie Autos Rennen, von 1961 bis zuletzt 1965.

Sogar Formel-1-Autos drehten hier schnelle Runden, allerdings ohne Weltmeisterschafts-Status. Bekannt ist etwa eine 180-km/h-Durchschnittszeit aus dem Jahr 1963 von keinem Geringeren als dem Schotten Jim Clark, Weltmeister von 1963 und 1965. Er gewann im Juli 1964 auf seinem Lotus Climax 33 auch das Regenrennen dort ganz souverän. Nach einigen bösen Unfällen war dann Mitte der 60er Jahre aber Schluss mit Motorsport, kehrte Ruhe ein.

Wer heute über diese Strecke fährt, vom Glemseck kommend, einem schönen Biergarten mit guter Sicht auf die Strecke, vorbei am ehemaligen Start-und-Ziel-Häuschen und einem Fahrsicherheits-Trainingsplatz, kann erst das schöne Mahdental genießen, bis er an den so genannten «Schatten» bei Büsnau kommt. Hier nimmt die alte Strecke eine kleine Rechts-Links-Kombination nach oben, vorbei am ehemaligen Wald-Hotel, führt vorbei am Katzenbacher Hof, einem beliebten Ausflugsziel mitten im Wald (wo es wunderbaren Most gibt), und kommt schließlich wieder zum Glemseck.

Kaum vorstellbar für Laien, dass hier einst wilde Männer in ihren fliegenden Formel-1-Zigarren über den Asphalt rasten, sich dabei auf teilweise holpriger und nicht sehr breiter Piste duellierten, gar mancher Ritt endete auch böse im Hochwald direkt neben der Piste.

Wohl niemand würde sich hier, im «Ländle» des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, noch das Rasen trauen. Und doch atmet diese Strecke, die ich selbst unzählige Male auf meinem Weg von der Motorpresse in Stuttgart nach Hause genommen hatte, immer noch Motorsport – Anachronismus hin oder her.

Daran sind aber auch die Initiatoren des so genannten Solitude-Revival nicht ganz unschuldig. Sie hatten, nach mehr als vier Jahrzehnten Pause, 2001 einen Verein gegründet, um hier mit vielen hundert Autos und Motorrädern, natürlich auch einigen ehemaligen Rennfahrzeugen, wieder etwas Urständ zu feiern.

Es ist auch heute noch wie in einer Zeitmaschine: In Korsos werden hier tolle Autos gefeiert, schließlich hat es seine Heimat in Baden-Württemberg, tausende Zuschauer begleiten dieses PS-Spektakel. Seit 2008 findet das Revival alle zwei Jahre im Sommer statt, am Glemseck treffen sich noch jedes Jahr am ersten September-Wochenende Motorrad-Freaks.

Und so bleibt das Solitude-Straßen-Dreieck immer noch, als was es einst begann: ein Treffpunkt für ausgefallene und vor allem schnelle Fahrzeuge, seit nunmehr schon 100 Jahren.


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