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45. Todestag Markus Höttinger: Unvollendete Karriere

Kolumne von Rainer Braun
​Der Österreicher Markus Höttinger war auf dem Weg zur Weltspitze, als der Tod in Hockenheim auf grauenvolle Weise zuschlug.

Der 13. April 1980 ist einer jener Tage, die sich in meinem Gedächtnis wie eingemeißelt festgesetzt haben. Es ist der Todestag eines der größten Motorsport-Talente Österreichs. Markus Höttinger starb sechs Wochen vor seinem 24. Geburtstag in Hockenheim, bei einem Formel 2-EM-Rennen ohne jedes eigene Verschulden.

Höttinger galt als die große Nachwuchshoffnung Österreichs und hätte alles erreichen können, was in diesem Sport möglich ist. Seine vielversprechende Karriere endete an jenem verhängnisvollen 13. April vor 45 Jahren, bevor sie richtig begann.

Dabei hatte Markus noch nicht mal was falsch gemacht. Mutig kämpfte er in der Anfangsphase des Rennens im schwarzen Maurer-BMW MM 80 um eine Position im Vorderfeld. In der vierten Runde traf den jungen Hoffnungsträger eingangs der ersten langen Waldgeraden das abgerissene Hinterrad samt Aufhängung des vorausfahrenden Toleman-Piloten Derek Warwick mit voller Wucht am Kopf.

Der Aufprall war mörderisch, Markus hatte keine Überlebenschance. Die Ärzte fanden ihn mit geborstenem Helm reglos im Cockpit vor. Schwerste Kopfverletzungen und ein Genickbruch bewirkten vermutlich den sofortigen Tod, alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

Anfang 1977 hatte mich Dr. Helmut Marko angerufen und darum gebeten, ein waches Auge auf seinen jungen Schützling Höttinger zu haben und von Zeit zu Zeit Bericht zu erstatten. Er sollte im deutschen Renault 5-Cup erste Erfahrungen sammeln und sich die Hörner abstoßen.

«Der Bursch ist ein wilder Hund und noch ziemlich unorganisiert», so Marko damals, «aber ich bin sicher, dass er mal ein ganz Großer wird.»

Und tatsächlich tobte der 21-jährige R5-Neuzugang sofort im Spitzenpulk mit rum. Allerdings unterlief ihm auch das eine oder andere Missgeschick.

So ließ er sich am Nürburgring vom Publikum schon als Sieger feiern – dumm nur, dass noch eine Runde zu fahren war. Nachdem er den Irrtum bemerkt hatte, «weil alle wie beknackt an mir vorbeigedonnert sind», gab er als fast Letzter für eine weitere Runde Nordschleife wieder Vollgas und rettete noch Platz 6.

Oder jener mysteriöse Salto ebenfalls am Ring im Bereich der Döttinger Höhe, die seitdem gerne auch mal scherzhalber als «Höttinger Höhe» bezeichnet wird. Nachfolgende Konkurrenten berichteten, ein Windschatten- und Schiebemanöver mit seinem Kumpel Hans-Georg Bürger sei gründlich danebengegangen.

Der ehemalige Renault-Sportchef Rolf Schmidt (2017 verstorben) erinnerte sich zu Lebzeiten stets mit Begeisterung an den wilden R5 Cup-Piloten Höttinger und seine wüsten Umtriebe: «Der hat den Laden so richtig aufgemischt, herzerfrischender Fahrstil, immer volle Attacke. Das war ein richtig guter Junge, dazu stets freundlich, fair und hilfsbereit.»

Das R5-Gastspiel dauerte nur eine Saison, danach übernahm BMW gemeinsam mit Entdecker und Förderer Marko die weitere Karriereplanung. Sportchef Jochen Neerpasch und sein Assistent Dieter Stappert arrangierten Anfang 1978 Starts in der Deutschen Rennsportmeisterschaft (DRM) und hievten das Jungtalent in einen Saugmotor-BMW 320 des Freiburger GS-Teams.

Hier machte Höttinger so weiter, wie er im Fünfer aufgehört hatte. Schon im dritten Rennen besiegte er auf der Nürburgring-Nordschleife alle damaligen DRM-Stars sowie die gesamte Turbo-Fraktion. Dasselbe Kunststück gelang ihm nochmals in Zolder.

Danach war Höttinger 1979 bereits reif für höhere Aufgaben, als BMW-Werksfahrer absolvierte er erste Starts mit BMW-Power in der Formel 2.

Zudem vertraute ihm die oberste Münchner Sportführung die Tests des 1,4 Liter Turbo-Motors für das bevorstehende BMW-Formel 1-Engagement an. Der Entwicklungsträger wurde bei ausgewählten DRM-Rennen unter größter Geheimhaltung in Höttingers Jägermeister-BMW 320 eingepflanzt. Wenn der Motor hielt, war der Österreicher ganz vorne – aber leider gab es auch reichlich technische Probleme.

Übrigens verliefen die Karrieren der beiden R5-Kumpels Höttinger und Bürger fast identisch – und gleichermaßen tragisch. Denn nach den gemeinsamen Jahren im R5-Cup trafen sie sich erneut in der Formel 3, der DRM, der M1 Procar-Serie und in der Formel 2. Und auch ihr Ende hatte erschreckende Parallelen: Beide starben innerhalb von drei Monaten im Forme 2-Cockpit mit jeweils schwersten Kopfverletzungen und geborstenen Sturzhelmen.

Vor allem in den beiden DRM-Jahren 1978/79 waren Markus und ich oft zusammen unterwegs. Markus war extrem desorganisiert, vergaß Leihwagen oder Hotels zu buchen und hatte überhaupt ständig das große Chaos um sich herum. Oft genug durfte ich ihn auf Zuruf vom Flughafen in Köln abholen und zum Ring oder zu einem Flugplatzrennen kutschieren.

So auch im Juli 1978, als er mich – kurz bevor er in Österreich in den Flieger nach Köln gestiegen ist – angerufen und gebeten hat, ihn abzuholen und ihn mit zum DRM-Rennen nach Kassel Calden zu nehmen.

Mit meinem heiß gemachten Ford Granada sind wir dann über die Autobahn gedüst, ich habe ihm sogar das Lenkrad überlassen. Als wir an der Stadtgrenze von Kassel ankamen und ich nachfragte, welches Hotel er denn gebucht habe, antwortete er gelangweilt: «I hob denkt, du kümmerst dich.» Also haben wir uns mal wieder ein Zimmer in meinem gebuchten Hotel geteilt.

Da wir oft zusammen unterwegs waren, sind mir neben seiner unglaublichen Unordnung auch seine abenteuerlichen Essgewohnheiten nicht verborgen geblieben. Seine Standard-Bestellung im Restaurant lautete meist: «Eis mit heißen Kirschen, Kuchen, Salat ohne alles, Suppe, ein Glas Milch.» Zu servieren in dieser Reihenfolge ...

Eine andere Geschichte: Schon auf der Anreise nach Kassel hatte Markus auf dem Armaturenbrett meines Granada einen Radarwarner erspäht. Das Teil, damals noch eher selten, unausgereift und überdimensioniert, hatte mir Harald Grohs aus den USA für stolze 500 Mark besorgt.

Jedenfalls war mein Fahrgast fasziniert von dem Ding und wollte unbedingt auch so was. Natürlich sofort, er drängelte und quengelte so lange, bis ich ihm das Gerät für den gleichen Preis überließ, den ich bezahlt hatte. Die fünf Hunderter versprach er 14 Tage später zum nächsten Rennen in Hockenheim mitzubringen.

Dort erschien er zur Abwechslung mal mit eigenem Auto, zeigte jedem stolz den auffällig platzierten Radarwarner und bezahlte artig seine Schulden bei mir. Kaum hatte er am Trainingstag das Fahrerlager abends verlassen, war er das Ding auch schon wieder los – bei einer Verkehrskontrolle konfiszierte die Polizei das verbotene Gerät. Als Erinnerung blieb ihm die amtliche Quittung über die Beschlagnahme …

Das Motodrom von Hockenheim war für Markus Höttinger Anfang und Ende einer kurzen, aber intensiven Karriere. Hier absolvierte er im April 1977 sein erstes R5-Cup-Rennen und hier starb er fast auf den Tag genau drei Jahre später im Formel 2-Cockpit. Es war einer jener Unfälle, welche die Unwägbarkeit des Rennsports dokumentieren; weder für den Auslöser der Katastrophe noch für den Betroffenen kann es Schuldzuweisungen geben.

Wohl aber für den Veranstalter, der angesichts des dramatischen Unfallgeschehens völlig versagt hat. Während auf dem ungesicherten rechten Seitenstreifen die Rettungskräfte noch glaubten, Höttingers Leben retten zu können, donnerte das ganze Feld noch ganze 23 Mal mit Vollgas an dem Schreckens-Szenario vorbei.

Das medizinische Personal befand sich während dieser kritischen Phase in höchster Lebensgefahr. Zwei Kontrahenten verfehlten nach einer Berührung und anschließender Rutschpartie die Unfallstelle nur haarscharf. Sogar die schnellste Rennrunde wurde in dieser kritischen Phase gefahren! Konsequenzen hatte der Skandal übrigens weder für Fahrer noch Veranstalter.

Der längst überfällige Abbruch mit der roten Flagge kam erst 45 Minuten später, in der 27. von 30 geplanten Runden. Und auch nur deshalb, weil der angeforderte Rettungshubschrauber auf der Strecke landen musste. So wurde das Rennen zu einem der größten Skandale der Formel 2-EM-Geschichte.

Erschüttert sagte BMW-Sportkoordinator Dieter Stappert (2008 verstorben) nach Höttingers Tod: «Er war dazu bestimmt, Österreichs neue Nummer 1 zu werden. Alle Weichen waren gestellt, bei seinem Heim-GP in Zeltweg hätte er schon erstmals im Formel-1-Auto sitzen sollen.»

Stappert damals weiter: «Nach den tödlichen Unfällen von Jochen Rindt und Helmut Koinigg, dem unfallbedingten frühen Karriereende von Helmut Marko und dem Rücktritt von Niki Lauda ist das ein neuer, schwerer Schlag für unser Land. Ich habe keine Zweifel, dass aus Markus ein Formel 1-Sieger geworden wäre.»


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