Beispiel Pérez: Wenn grüne Jungs gross werden…
Pérez steht eine intensive Saison bevor
Ungeachtet der Skeptiker hat sich Sergio Pérez für 2013 hohe Ziele gesetzt. Der Mexikaner wechselt von Sauber zu McLaren-Mercedes, einem Spitzenteam. Während selbst dessen Chef Martin Whitmarsh die Verpflichtung für ein «Risiko» hält, sagt Pérez, der 2012 drei Podestplätze einfuhr: «Mein Ziel ist es, schon nächstes Jahr mit McLaren Weltmeister zu werden.»
Bei allem Respekt: Das muss er sagen. Der bald 23-Jährige aus Guadalajara kann sich schlecht hinstellen und Rang 3 als Saisonziel verkünden. Und: In der Formel 1 wird erwartet, dass man oben angreift.
Aber wie realistisch ist diese Ansage?
Für einen Fahrer, der 37 F1-Rennen bestritten hat, aber noch keines gewonnen, zumindest gewagt.
In der jüngeren Geschichte kam es mehrfach vor, dass junge, recht unerfahrene Piloten früh bei Spitzenteams aufschlugen. Was haben die geleistet?
Sebastian Vettel wollte Anfang 2009 (damals 21 Jahre jung), mit erst eineinhalb Saisons auf dem Rücken, nach seinem Start mit BMW-Sauber und Toro Rosso bei Red Bull nach dem Titel greifen. Er startete acht Mal aus Reihe 1, vier Mal von der Pole-Position und gewann vier GP, doch er verfehlte Jenson Button (BrawnGP) am Ende um elf Punkte, wurde Gesamt-Zweiter. Das war ein Erfolg, aber Seb sah das anders.
Lewis Hamilton untermauerte in seinem ersten F1-Jahr 2007 seine Ambitionen vom ersten gefahrenen Meter an. Er startete zwölf Mal aus Reihe 1, gewann vier GP und wurde am Ende im Finale (auch wegen vorübergehender Schaltprobleme) um einen Punkt von Kimi Räikkönen geschlagen und punktgleich mit Teampartner Alonso Gesamt-Zweiter. Hamilton hatte aber klar gemacht, wohin er fortan gehören würde – ganz nach vorne.
2003 startete Alonso (damals 21) – nach einem Jahr mit Minardi und anschliessender Saison als Testfahrer mit Renault. Das Team war noch nicht gut genug, um beständig an der Spitze mitzufahren. Aber Alonso hakte den ersten Punkt auf seiner To-Do-Liste ab, gewann in Budapest. Dies übrigens mit Ansage! Er startete in diesem Jahr zwei Mal aus Reihe 1, jeweils von der Pole-Position. Viel verschenkt hat er wirklich nicht. Am Jahresende wurde er Gesamt-Sechster.
Für 2002 verpflichtete das Spitzenteam McLaren einen gewissen Kimi Räikkönen, damals 23 und erst eine Saison (mit Sauber) gefahren. Kimi startete auf seinem Leib- und Magenkurs (Spa-Francorchamps) aus der ersten Reihe, es war allerdings das einzige Mal, dass ihm dies 2002 gelang. Ein kleiner, ungewöhnlicher Fehler in Magny-Cours kostete ihn den ersten und möglichen Sieg. Kimi wurde am Jahresende Gesamt-Sechster, sein erheblich erfahrener Teamkollege David Coulthard WM-Fünfter, gewann aber in dem Jahr das prestigeträchtige Rennen in Monaco.
2001 stiess im Alter von 24 Jahren aus der ChampCar-Serie ein nicht vollkommen austrainierter Rohdiamant namens Juan Pablo Montoya in die Königsklasse vor, begann seine F1-Karriere bei Williams-BMW, einem Team mit enormem Potenzial. Montoya bewies, dass man links und rechts und manchmal auch oben drüber überholen kann, aber er blieb in der WM (Sechster) hinter dem damals schon als Routinier zu betrachtenden Ralf Schumacher zurück, nach Punkten mit 31:49. Der mit seltenem Vorwärtsdrang und aussergewöhnlicher Fahrzeugkontrolle ausgestattete Kolumbianer setzte den Williams-BMW allerdings drei Mal auf die Pole-Position, fünf Mal in die erste Reihe – und gewann in Italien seinen einzigen GP dieser Saison.
Das vielleicht perfekteste Beispiel von Neuling im Superteam trifft wohl auf David Coulthard und Williams zu. Der Schotte begann seine F1-Karriere 1994 als Ersatz für den verstorbenen Ayrton Senna mitten in der Saison gleich in einem der besten verfügbaren Autos, dem Williams-Renault. Er schaffte es in den acht verbleibenden Rennen der damaligen Saison allerdings nur ein Mal auf das Treppchen (Estoril).
Auch 1995 durfte er bei Williams ran, hatte aber als Gesamt-Dritter nach Punkten gegenüber Damon Hill mit 49:69 das Nachsehen.
1993 löste Damon Hill bei Williams Altmeister Riccardo Patrese ab. Der blasse Brite hatte damals ganze zwei Rennen mit Pleite-Team Brabham unterm Gürtel, war also sozusagen noch F1-Jungfrau. Er fällt aber nicht unter die Rubrik «Jüngling», denn er war damals schon 33, also das Gegenteil. Darüber wurde allerdings so gut wie gar nicht gesprochen, heute wäre es beinahe ein Skandal. Hill hatte 1993 das Nachsehen gegenüber dem gesetzten Alain Prost, der sich nach einem Jahr Pause seinen vierten Titel ohne grosse Mühe abholte. Aber der Sohn des grossen Graham Hill zog sich achtbar aus der Affäre. Zwölf Mal startete er aus Reihe 1, zwei Mal von der Pole-Position aus. Drei Rennen gewann er, aber die in Serie (Budapest, Spa-Francorchamps und Monza).
1991 probierte der unvergessene Jean Alesi als 25-Jähriger bei Ferrari sein Glück als Beifahrer von Alain Prost. Er hatte gerade mal eineinhalb Jahre bei Tyrrell auf dem Buckel, galt als Jahrhundert-Talent. Doch der 91er Ferrari hielt nicht, was der 90er versprochen hatte. Alesi kam nur auf drei dritte Plätze, mehr war nicht drin. Der hoch geschätzte Teamkollege Alain Prost blieb ebenso sieglos, heimste aber fünf Podeste ein. Alesi sollte noch vier weitere Jahre warten (Montreal, 1995), bis er mit den Roten seinen ersten und einzigen GP-Sieg einfahren konnte.
Nicht in diese Rubrik aufgenommen haben wir Jacques Villeneuve, der 1995 als Indy 500-Sieger bei Williams debütierte und Gesamt-Zweiter wurde, obwohl es sicher eine beeindruckende erste F1-Saison war. Auch Eddie Irvine nicht, denn als er 1996 bei Ferrari andockte, war die Maria Rosa nicht konkurrenzfähig, ausser für den galaktischen Michael Schumacher (drei Siege). Jenson Button, Debüt 2000 als 20-Jähriger, fehlt auch, weil Williams-BMW damals noch nicht wieder zu den Spitzenteam zählte. Das war erst der Fall, als Button zu Benetton abgeschoben worden war und dort seine Karriere neu aufbaute.
Wie es Sergio Pérez nun bei McLaren-Mercedes ergehen wird, werden wir intensiv verfolgen. Dass er vom Titel spricht, ist schon mal mutig. Und Mut kann einem Rennfahrer nie schaden.