McLaren: Mit Senna/Prost eine fast perfekte Saison
Senna stolpert über Schlesser
Seit 1950 zieht die Formel 1 Millionen von Fans in ihren Bann. In keinem anderen Sport liegen Triumph und Tragödie so dicht beisammen. Es gab aber auch immer wieder merkwürdige Momente im Grand-Prix-Sport, über die wir in einer losen Serie berichten.
Monza (Italien), 11. September 1988
Morgen Donnerstag präsentiert McLaren als zweiter Rennstall 2013 (nach Lotus) sein neues Fahrzeug. Wir sind überzeugt: McLaren wird ein Titelkandidat sein. Aber nur die grössten Optimisten unter den McLaren-Fans gehen davon aus, dass ihr Lieblingsrennstall alle Saisonrennen gewinnen wird (in England gibt es darauf bestimmt eine sensationelle Wettquote).
Doch genau das wäre 1988 um ein Haar passiert!
Die Kombination Ayrton Senna und Alain Prost fuhr damals mit dem McLaren MP4/4-Honda die Konkurrenz in Grund und Boden.
In Monza schied Alain Prost zwar aus, aber Senna führte mühelos, und alles sah nach dem 12. Sieg von McLaren im zwölften Saisonlauf aus.
Auf den Tribünen waren die Tifosi so gut wie verstummt: Zwei Runden vor Schluss lagen die Ferrari von Gerhard Berger und Michele Alboreto zwar auf den Rängen 2 und 3, aber weit hinten. Dabei hatten sich die italienischen Fans so auf eine würdige Leistung der Truppe aus Maranello gefreut – keine vier Wochen zuvor war der grosse Enzo Ferrari verstorben.
Senna kam dem Williams von Jean-Louis Schlesser näher. Der Franzose war für Nigel Mansell eingesprungen, der wegen Windpocken gar nicht erst angereist war. Senna rückte schnell auf, so schnell, dass Schlesser einen Moment lang zögerte. Das reichte, um den Bremspunkt zu verpassen und die Linie zu vermasseln. Senna zog aussen vorbei und stolperte dann über ein Rad des Williams – die Tifosi trauten ihren Augen nicht!
Keine 120 Sekunden später kreuzten die Ferrari zu einem unerwarteten Doppelsieg die Zillinie. Die Begeisterung war grenzenlos.
Schlesser erinnert sich: «Ich hätte vor dem Rennen den Williams testen sollen. Aber eine Terminkollision kam dazwischen. Also war es nun dreizehn Monate her, dass ich in einem Formel-1-Renner gesessen hatte. Die Autos hatten sich verändert. Aber das soll keine Ausrede sein. Nach dem Rennen habe ich mit Ayrton gesprochen. Er war erstaunlich entspannt – denn er wusste, dass ich so viel Raum wie möglich gelassen hatte. Aber in Luft auflösen konnte ich mich schliesslich auch nicht. Jedenfalls war ich am Ende der Saison heilfroh, dass Ayrton Weltmeister wurde. Sonst hätte es vielleicht auf immer geheissen: Jo Schlesser kostete Senna den Titel.»
Zwei Wochen später stellt McLaren den Normalzustand wieder her: Sieg für Prost.
Aber die Chance war dahin: 16 WM-Läufe, sämtliche Siege für einen einzelnen Rennstall, das wird es in der modernen Formel-1-WM wohl nie geben. Nur Ferrari kam dem britischen Erzrivalen halbwegs nahe – mit je 15 Siegen 2002 und 2004, allerdings aus 17 bzw. 18 Rennen.