Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Nick Heidfeld: «Nur Monaco ist noch extremer»

Von Rob La Salle
Nick Heidfeld: Letzte F1-Station Lotus

Nick Heidfeld: Letzte F1-Station Lotus

Analyse des 183fachen Grand-Prix-Teilnehmers. «Die Teams laufen Gefahr, sich im Training zu verlaufen.»

Millionen werden am kommenden Sonntag vor den Fernsehschirmen sitzen: Auftakt zur Formel-1-Saison 2013.

Einer von ihnen wird Nick Heidfeld (35) sein: Der Mönchengladbacher fuhr in den Jahren 2000 bis 2011 in der Formel 1, mit den Stationen Prost, Sauber, Jordan, Williams, BMW-Sauber, Sauber und Renault. Der WM-Fünfte von 2007 galt als «Fahrer mit einem unglaubliche tiefen analytischen Verständnis» (Kompliment des damaligen BMW-Sportchefs Dr. Mario Theissen) – der ideale Mann also für SPEEDWEEK, um den Geheimnissen des Kurses im Albert-Park auf die Spur zu kommen.

Nick, was macht Melbourne zu etwas Besonderem?

Das erste Rennen ist immer etwas Besonderes, schon weil man diese Ungewissheit mitbringt, nicht zu wissen, wo man steht. Trotzdem ist bei allen eine enorme Vorfreude da, dass es nach dem langen Winter endlich losgeht. Das ist auch bei jenen so, deren Auto noch nicht optimal läuft. Man freut sich einfach. Auch wenn alle Teams mit dem Wissen in Australien loslegen, dass sie ihr Auto einfach noch nicht so gut verstanden haben, wie das bei späteren Rennen der Fall sein wird. Das ist heutzutage, mit dieser Miniaturvorbereitung, fast unvermeidlich. Es ist wichtiger geworden, die wenigen Tests optimal zu nutzen. Das sieht man auch daran, dass bei Wintertests teils über 130 Runden pro Tag zurückgelegt werden. Vor ein paar Jahren war es fast etwas Exotisches, über 100 Runden zu fahren, jetzt wird eher moniert, wenn man weniger als 100 Runden dreht. Früher konnte man das Verpasste während der Saison nachholen, aber das geht seit 2008 nicht mehr. Diese fehlenden Erkenntnisse muss man sich heutzutage mühsam freitags an den GP-Wochenenden holen. Wenn man dann auf einer schmutzigen Strecke auch noch Neuteile ausprobieren, also Entwicklungsarbeit betreiben muss, wird das schwierig. Und bei den meisten Teams wird das in Melbourne so sein.

Worin besteht die Gefahr?

Darin, dass man sich technisch verrennt. Früher hat man freitags konsequent am Auto immer nur ein Abstimmungskriterium geändert, um genau zu sehen, wie sich das auswirkt. Heute muss man schon zwei Stellschrauben gleichzeitig ändern, um mit dem Programm durchzukommen. Danach probiert man mit den Ingenieuren abzuwägen, welche Änderung sich wie ausgewirkt hat. Aber das ist natürlich nicht immer eindeutig festzustellen. Das Problem ist, dass die Strecke im Albert-Park anfangs sehr dreckig ist. In dieser Hinsicht ist nur Monaco noch extremer. Auf so einem schmutzigen Kurs brauchst du zu Beginn eigentlich gar nichts verändern, denn was sich ändert, ist im Verlaufe des Wochenende die Strecke. Das heisst, was man freitags erarbeitet hat, kann man samstags oft wieder vergessen. Aber das ist in Melbourne nicht ganz so schlimm wie in Monaco.

Hat man als Fahrer nach maximal sechs Testtagen schon das Gefühl, im Auto heimisch zu sein?

Ja, den Fahrern genügt das. Aber das Auto und seine technischen Möglichkeiten stehen jetzt noch ganz am Anfang. Damit kämpft man mehr als mit dem Mangel an Testkilometern.

Worauf legt man in Melbourne bei der Abstimmung das Augenmerk?

Der Kurs ist ziemlich langsam. Besonders wichtig ist gute Traktion. Daran arbeitet man hauptsächlich.

Worauf muss man noch aufpassen?

Man achtet verstärkt auf das Fahrverhalten über den vielen Bodenwellen und daran, dass die Vorderreifen beim Anbremsen nicht zu oft stehen bleiben. Das wird speziell zu Beginn des Wochenende oft zu sehen sein.

Was kann man dagegen tun?

Man kann mit dem Verstellen der Bremsbalance im Cockpit dagegen angehen, aber nur hinsichtlich der Bremsbalance zwischen vorne und hinten, nicht zwischen der links- und rechtsseitigen. Wenn man also einlenkt, entlastet man beim Bremsen das kurveninnere Rad. Man kann die Bremsbalance nach hinten verschieben, aber dann läuft man Gefahr, dass die Antriebsräder blockieren. Es ist übrigens von Auto zu Auto unterschiedlich, wie negativ sich dieses Blockieren auf die Performance auswirkt.

Was kann man noch gegen Bodenwellen und stehende Räder tun?

Man kann den Wagen weicher abstimmen, dann blockieren die Reifen nicht so leicht, aber dafür bezahlt man womöglich an anderen Stellen.

Wie ist es für die Fahrer, nach vier Monaten, in denen allenfalls getestet wurde, sich in den Zweikämpfen – Rad an Rad – zurecht zu finden?

Da ist man schnell wieder drin. Das ist im ersten Moment etwas ungewohnt, dauert aber nur einige Runden. Vielleicht geht man auch den ersten Start des Jahres mit ein bisschen mehr Respekt an.

Ist es schwierig, nach so langer Zeit und auf einer Strecke, die einen ausgeprägten Stopp-and-Go-Charakter aufweist, in einen Rhythmus zu fahren?

Nein, das nicht. Schwierig sind aber die Lichtverhältnisse in der Dämmerung. Dann fährt man in Kurve 1 und 3 voll in die tief stehende Sonne hinein, die zusätzlich vom Asphalt reflektiert wird. Man sieht wenig, erkennt vor allem seine Bremspunkte schlecht. Das bedeutet, dass man im Training schon herausfinden muss, was das richtige Visier für diese Verhältnisse ist.

Stellt Melbourne an die Reifen besondere Ansprüche?

Streckenspezifisch nicht. Sehr wohl jedoch, weil es das erste Rennen ist und die Reifen selbst und die Autos verändert wurden. Die Pirellis sollen zwar besser haften und länger halten, was positiv zu bewerten ist. Aber es gibt relativ wenig Testerkenntnisse unter Wettbewerbsbedingungen. Überdies dürfte das Wetter in Melbourne wärmer sein als bei den Vortests, wo es morgens Temperaturen um den Gefrierpunkt gab. Mit anderen Worten: Es kann und wird Überraschungen geben, in beide Richtungen.

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