MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

«Sebastian, bist du nun wie Schumi?»

Von Mathias Brunner
Die Nummer 1 – aber um jeden Preis?

Die Nummer 1 – aber um jeden Preis?

Erweiterte Version des Interviews: Sebastian Vettel über den Bussweg nach England und Horners Funkspruch.
Die britischen Kollegen haben Weltmeister Sebastian Vettel ganz ordentlich in die Mangel genommen (lesen Sie dazu das andere Interview). Nun waren die deutschsprachigen Kollegen dran ...

Wie fühlt man sich so nach der Inquisition der Engländer?

Ich sehe das entspannt. Als ich hier in den Raum gekommen bin, habe ich schon gemerkt, dass das nun etwas Besonderes wird. Aber letztlich gibt es nichts Besonderes zu verkünden. Die Dinge sind so wie ich sie dargelegt habe, jetzt will ich nach vorne schauen.

Das Markante für mich war im englischen Teil: Du hast «multi-21» nicht verstanden.

Ja, das ist so. Gehört habe ich ihn, aber nicht verstanden. Ich bin mein Rennen gefahren und habe auch nicht sofort verstanden, dass ich in den Augen einiger etwas Böses getan hatte. Ich fand erst nach dem Rennen heraus, was sich abgespielt hatte. Dann fühlte ich mich schlecht. Weil ich als Team-Mitglied auch mit dem Team leide.

Team-interne Kämpfe sind nicht unbedingt erfolgsfördernd. Das beste Beispiel ist doch McLaren 2007, wo sich Alonso und Hamilton so lange bekämpft haben, bis am Ende Kimi Räikkönen im Ferrari der lachende Dritte war. Ist nicht das Gleiche zu befürchten?

Das glaube ich nicht. Das ist doch erst eine Gefahr, wenn sich im Team quasi ein Spalt bildet. Das Team arbeitet aber hart und fair, für beide Fahrer. Das wird also kein Problem.

Okay, der einzige Teil, den ich jetzt noch nicht begreife: Wenn du den Funkspruch nicht verstanden hast, warum hast du dann nicht über Funk nachgefragt?

Gute Frage. Aber im Laufe des Rennens bekommst du ja eine ganze Latte an Befehlen, was du alles an Bord regulieren sollst. Wenn es wichtig ist, wird ein Funkspruch auch mehrfach wiederholt. Da dieser Spruch nicht wieder kam, dachte ich, das hätte sich erledigt. Es kam auch gleich etwas Anderes. Du sitzst ja auch nicht im stillen Kämmerlein und kannst in Ruhe über das alles nachdenken. Du sitztst vielmehr an einem ziemlich lauten Ort, musst neben dem Zuhören auch noch ein paar andere Dinge erledigen – Lenken, Gasgeben, Bremsen, Reifenschonen. Ich will mich über meinen Job nicht beklagen. Ich will damit nur sagen, dass das alles nicht immer so einfach ist wie es von aussen ausschaut.

Rückblickend: Wie sehr hat es dich überrascht, dass du so sehr in einem Tunnel warst und quasi alles um dich herum vergessen hast?

Also eigentlich ist das ja ein Wunschzustand – als Sportler willst du doch genau diesen Zustand erreichen, wo du komplett fokussiert bist. Dieses fast schon unbewusste Fahren ist doch schneller als das bewusste. Wenn der normale Autofahrer in den Wagen einsteigt, dann denkt er auch nicht bewusst, dass er nun den Schlüssel ins Schloss stecken und drehen muss. Er tut es einfach. So ungefähr ist es auch bei uns.

Ein anderes Beispiel: Man kann auch sagen – Lewis, der Idiot, fährt bei seiner alten Truppe vor! Aber ich konnte das gut verstehen. Du bist so in deiner Sache drin, zumal du schon jahrelang fürs gleiche Team gefahren bist, dann denkst du über so etwas nicht mehr nach, sondern du fährst einfach an die Box. Und dann stehst du dann. Ich weiss, einige Leute haben ihn deswegen verspottet, aber man kann ja auch sagen – er hat genau jenen Zustand erreicht, den man eigentlich erreichen will. Er ist also nicht zu blöde, um an der richtigen Box anzuhalten.

Will heissen: Du bist auch nicht zu blöde, einen Funkbefehl zu ignorieren?

Nein.

Ob wir das alles glauben, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Hat es Mark dir denn abgenommen?

Das weiss ich nicht. Das muss er entscheiden. Aber ich war in der Vergangenheit immer ehrlich, ich wüsste nicht, wieso er Grund hätte, an meinen Worten zu zweifeln.

Jetzt kann man ja sagen: Okay, dann eben keine Stallorder mehr. Aber es gibt ja auch Interessen, die über jene der Fahrer hinausgehen. Ein Duell unter euch bis zur letzten Kurven, das geht auf den Motor, aufs Getriebe, alles Bauteile, die man später noch braucht, die man nun schönen könnte. Das muss doch ein Nachteil sein.

Eine berechtigte Frage. Wenn man von Team-Order spricht, dann gibt es meiner Meinung nach schon Situationen, in welcher die absolut sinnvoll ist. Bei uns wird sich in der Praxis nichts ändern.

Aber einige in Deutschland sehen dich nun schon etwas auf einer Stufe mit Michael Schumacher. Der wurde seiner Erfolge wegen respektiert, blieb aber von vielen ungeliebt. Würde dir dieser Liebes-Entzug etwas ausmachen?

Letztlich hat jeder Mensch die Möglichkeit, für sich selber zu entscheiden. Man kann nicht mit der Einstellung ans Leben herangehen, es allen Recht zu machen, denn das ist unmöglich. Aber das ist auch okay. Wenn alle das Gleiche gut und das Gleiche schlecht fänden, wären wir als Menschen nicht viel weitergekommen.

Aber es gab ja nicht nur «multi-21», es gab auch einen Funkspruch von Teamchef Christian Horner, der gesagt hat – komm schon, Seb, das ist albern. Wie hast du denn das interpretiert?

Wir haben ja mehrere Funksprüche im Rennen. Einige kommen wieder, weil sie wichtig sind. Andere kommen nur einmal. Normalerweise spricht nur mein Renningenieur mit mir. Und nicht alle Funksprüche kommen an Orten, wo man sie gut verstehen kann. Ich erwarte jetzt auch nicht, dass ich auf einmal eine andere Stimme im Ohr habe. Christians Funkspruch kam an einem Ort, wo ich aufs Gas trat. Christian ist da vielleicht auch nicht voll in der Praxis, wann eben der richtige Zeitpunkt ist, um so einen Spruch abzusetzen. Ich habe es schlicht nicht verstanden. Ich konnte nicht einmal verstehen, wer genau da gesprochen hat. Ich erkannte die Stimme nicht.

Mark hat gemeint, ihr hättet zwar nach dem Malaysia-GP gesprochen. Aber es gäbe noch jede Menge zu bereden. Was sagst du dazu?

Ich bin da ganz offen. Er kann jederzeit kommen. Bislang hat er das nicht getan. Ich behaupte auch nicht, dass ich immer im Recht bin. Wenn sich herausstellt, dass ich in einer Situation nicht richtig gehandelt habe, dann kann ich das auch einsehen.

Du hast ja gesagt, dass du dich vor die komplette Red-Bull-Racing-Truppe gestellt hast (lesen Sie dazu unbedingt das andere Interview!). Wie haben die Menschen auf deine Entschuldigung reagiert?

Ehrlich gesagt: Die Leute haben nicht verstanden, wofür ich mich entschuldige ...

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