Niki Lauda: Nur noch Propaganda für Mercedes?
Mercedes-Chef Dieter Zetsche mit Propaganda-Minister Niki Lauda
Wenn jemals ein Musterbeispiel an Unvereinbarkeit im Journalismus vorhanden war, dann trifft es auf die Kommentatorentätigkeit von Niki Lauda bei den Formel-1-Rennen auf RTL zu.
Gut, Journalismus ist wohl eine etwas zu glorreiche Beschreibung jener Tätigkeit, die der Österreicher da mit dem Mikrofon in der Hand ausübt. Er tut ja in der Regel nur seine Meinung kund.
Das war alles recht und schön – bis Lauda Vorstand des Formel-1-Gremiums von Mercedes wurde.
In Monte Carlo haben wir ein unwürdiges Schauspiel erlebt, das kein Dauerzustand bleiben darf, wenn sich RTL nicht der Lächerlichkeit preisgeben will.
Niki Lauda, als TV-Mann der Objektivität verpflichtet, gestaltete die Nachbetrachtung des Monaco-GP zu einer Dauerwerbesendung für Mercedes. Red-Bull-Racing-Teamchef Christian Horner wurde schnurstracks als schlechter Verlierer dargestellt – und nach 30 Sekunden durfte er sich wieder trollen. Er störte die Mercedes-Jubel-Idylle. Aber immerhin hatte Vettel die WM-Führung ausgebaut.
Horner hatte es sich nicht verkneifen können, den umstrittenen und möglicherweise illegalen Pirelli-Test mit dem Mercedes-Triumph in Verbindung zu bringen.
Naja, ganz so weit herbeigeholt erscheint diese Behauptung nicht. Beim Rennen vor dem geheim gehaltenen 1000-km-Test in Barcelona war Nico Rosberg auch von der Pole-Position gestartet – und mit 68 Sekunden Rückstand als Sechster im Ziel eingetroffen. Und war Rosberg in Shanghai nicht vom ersten Startplatz bis auf Platz 9 zurückgefallen?
Geheimhaltung wie bei der CIA
Niki Lauda, sonst kein Kind von Traurigkeit, wischte in Monte Carlo alle Einwände vom Tisch. Wer Protest macht, ist ein schlechter Verlierer, aus, basta.
Hm, war die Truppe von Ross Brawn nicht schon öfter in einem Graubereich des Reglements tätig? Wie war das 2009 mit dem Doppeldiffusor von BrawnGP, Williams und Toyota?
Mercedes hat diesen Pirelli-Test mit einer Geheimhaltungsstrategie, die der CIA gut zu Gesicht stünde, sogar vor der eigenen Kommunikationsabteilung verborgen. Es bedurfte einer Meisterleistung der Diskretion, um diesen Auftritt im Zeitalter von Twitter, Facebook und Internet fast zwölf Tage geheim zu halten. Es müssen ja mindestens 100 Personen eingeweiht gewesen sein. War schlechtes Gewissen im Spiel. Nein, nein, wir wollen nichts unterstellen.
Und natürlich durfte diesen ach so unwichtigen Test nicht Mercedes-Testfahrer Sam Bird, den wir aus der GP2 kennen, abspulen. Nein, es wurden die besten Lenkraddreher der Marke aufgeboten – Rosberg und Hamilton.
Lauda wartet auch nicht die Entscheidung der FIA ab. Er hat in seiner Selbstgefälligkeit das Urteil bereits gefällt. «Es war alles legal», betonte er pausenlos. Aber da sich die FIA eine Spur von Demokratie bewahrt hat, wird es ein Verfahren geben. Und das Urteil wird kein Mercedes-Vorstand sprechen.
Verstehen wir uns nicht falsch. Jeder Motorsport-Journalist, der seine fünf Sinne beisammen hat, ist Mercedes dankbar für ihr Bekenntnis zum Motorsport. Jedem Formel-1-Kenner lief bei Rosbergs erstklassiger und fehlerloser Monte-Carlo-Darbietung das Wasser im Mund zusammen.
Aber auch ein dreifacher Weltmeister wie Niki Lauda muss einsehen: Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing.
Auch Mercedes tut sich auf Dauer keinen Gefallen, wenn der neue starke Mann des Formel-1-Rennstalls dauerhaft die Konkurrenz schlecht redet. Und RTL tut sich keinen Gefallen, Quote hin oder er, weil sich ein Horner irgendwann nicht mehr von Lauda für dumm verkaufen lässt.
Propaganda statt Information
Es war von allen Beteiligten einfältig und kurzsichtig, Niki Lauda in diese Doppelrolle schlüpfen zu lassen. Der Österreicher verliert seine Glaubwürdigkeit. Er informiert nicht, er kommentiert nicht, er macht billige Propaganda.
Das kommt mir vor, als würde Franz Beckenbauer das Champion’s League-Finale zwischen Dortmund und Bayern für das ZDF kommentieren. Aber der Kaiser hätte wenigstens Haltung bewahrt.
RTL-Stichwortgeber Florian König liess sich von Lauda mehrmals willfährig übers Maul fahren. Der Ex-Rennfahrer übernahm die Regie.
Als RTL-Zuseher sehne ich mich nach Aufklärung; nach ein bisschen Objektivität. Ich will verschiedene Meinungen hören, ob dieser Test legal war und ob er einen illegalen Vorteil gebracht hat. Aber ich will keinen Niki Lauda hören, der unverhohlen die Mercedes-Position vertritt und sein Urteil schon gefällt hat, bevor das Verfahren begonnen hat.
Warum haben mir die sachlichen Analysen des entlassenen Mercedes-Sportchefs Norbert Haug oft so gut gefallen? Vielleicht weil Norbert ein gelernter Journalist war, ein ausgezeichneter sogar.
Niki Lauda stammt aus einer Generation, die es mit der «political correctness» nicht immer so genau nimmt, deshalb musste er sich schon aus so manchem Fettnäpfchen herausmanövrieren.
Jetzt ist er zu weit gegangen. Lauda unternahm in seiner Euphorie nicht einmal den Versuch, objektiv zu sein. Für mich ist Niki Laudas TV-Karriere beendet. Künftig schalte ich bei RTL nach der Siegerehrung ab. Zumindest wenn Mercedes gewonnen hat.