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Silverstone: Schwert-Träger, Könige, Helden, Deppen

Kolumne von Mathias Brunner
Willkommen am «Silverstone Circuit»: Die «Wiege des britischen Motorsports» ist kein Formel-1-WM-Lauf wie jeder andere.

Die Rennstrecken-Besitzer von Silverstone bezeichnen die Piste nicht ganz unbescheiden als «Wiege des britischen Motorsports». Darüber lässt sich debattieren – Brooklands wurde vierzig Jahre vor Silverstone als Rennstrecke benutzt. Unstreitbar hingegen ist: Silverstone ist die Kinderstube der Formel 1 – hier fand am 13. Mai 1950 der erste Lauf zur Formel-1-WM statt, unter den Augen von König George VI, Königin Elizabeth, Prinzessin Margaret sowie des Grafen und der Gräfin von Mountbatten. 63 Jahre später ist die Aufmerksamkeit des Königshaus nicht mehr ganz so gross, und Silverstone ist eine Oma nach einer Schönheits-Operation.

Der Umbau in Silverstone hat viel zu reden gegeben: Der Kurs auf dem früheren Flugfeld der «Royal Air Force» (RAF) war schon im September 1947 erstmals befahren worden, dann blieb das Layout des Kurses gute 50 Jahre lang weitgehend unverändert. Ab Februar 2009 wurde umgebaut – für fünf Millionen Pfund entstand eine neue Pistensektion namens Arena, das Boxengebäude (The Wing, der Flügel) rückte vom angestammten Platz zwischen Woodcote und Copse neu zwischen Club und Abbey.

The Wing ist seither das Heim von Formel-1-Teams und –Journalisten in Silverstone. Eine Liebes-Hochzeit ist es bislang nicht, eher eine Zweck-Ehe.

Schon vor zwei Jahren schimpfte ein Team-Manager: «Das Design der Boxengasse ist idiotisch – wer braucht hier ein Trennmäuerchen und dieses zugegeben schöne Rasen-Stückchen? Die Gasse selber ist deswegen viel zu schmal, hier wird es im Rennen sicher Schwierigkeiten geben. Und wieso die ganze Boxengasse, gemessen an der Strecke, abfällt, weiss auch keiner.»

Die Liste der Beschwerden war lang: Ungenügende elektrische Versorgung, zu wenige Öffnungen in der Boxenmauer, von der Haupttribüne liessen sich die Boxenstopps kaum sehen (seither wurden sämtliche Tribünen auf dem Gelände angehoben), gegenüber dem Podest für die Siegerehrung war nur eine kleine Tribüne zu finden und – last but not least – das Presse-Zentrum ist in einem fensterlosen Raum untergebracht! Die Berichterstatter tauften es feierlich «Bunker».

In Silverstone ist eben alles ein wenig anders, ganz besonders das Wetter. Ein altes schottisches Sprichtwort trifft auch auf die Rennstrecke von Silverstone zu: Ihnen gefällt das Wetter nicht? Warten Sie zehn Minuten, dann haben wir ein anderes ...»

Fans, bitte bleibt zuhause!

In 46 bisherigen Formel-1-WM-Läufen von Silverstone (der britische Grand Prix fand früher im Wechsel mit Aintree und Brands Hatch statt) hat es gefühlt 47 Mal geregnet. Mit teilweise katastrophalen Ergebnissen – vor einem Jahr waren die Naturparkplätze im Umkreis der Strecke so vollgesogen, dass die Rennfans am Samstag gebeten wurden, entweder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen oder gleich zuhause zu bleiben! 30.000 Fans befolgten den Rat, die Wiesen konnten sich ein wenig erholen, so dass am Sonntag das grosse Chaos ausblieb.

Trotz Umbaus und launischen Wetters – Silverstone ist einer jener Grands Prix, die man einfach lieben muss: Seit die chronischen Staus rund um die Traditionsstrecke mit cleveren Verkehrslösungen im Keim erstickt wurden, gibt es nicht mehr viel zu schimpfen über Silberstein. Ausser, wenn der Verkehrsfluss vom einen Tag auf den anderen umgekrempelt wird, wie vor einem Jahr. Dann ist Warten angesagt.

Die Staus waren wirklich übel: Als Nigel Mansell 1992 auf dem Weg zum Titel war, sass ich hier am Samstag-Abend nach dem Qualifying fest, es ging nichts vorwärts, es ging nichts rückwärts, und die Uhr zeigte 22.15!

Die Anreise: ein Klacks. Wir reisen wie ein Formel-1-Star. Der Formel-1-Star easy im Jet, wir mit EasyJet. Von London-Luton ist’s ein Katzensprung nach Silverstone, und schon räkeln wir uns in der Wiege des britischen Motorsports.

Das Geheimnis des Linksfahrens

Gut, die Briten haben ihre Eigenheiten: sie fahren beispielsweise links, woran man sich vor allem dann erinnern sollte, wenn man eben aufgestanden ist und noch keinen Espresso runterstürzen konnte. Vor Jahren fuhr ich hier mal sehr früh los – wir erinnern uns: es wurde damals noch gestaut. So früh, um genau zu sein, dass ich auf dem Bauernhof nebenan den Hahn wecken musste. Natürlich bog ich in der kleinen Quartierstrasse sofort auf meine gewohnte Fahrbahnseite, und als mir der erste Engländer entgegenkam, hupte ich den Deppen tüchtig zusammen. Erst Sekunden später fiel mir ein, dass er im Recht ist.

Wissen Sie eigentlich, wieso Mann (und Frau) in England und in vielen weiteren Ländern links fährt? Angeblich geht das auf die Zeit zurück, als man nicht mit 250, sondern mit 1 PS unterwegs war, und da auch damals die meisten Menschen Rechtshänder waren, war es sinnvoller, den Gegner – das gezückte Schwert in der kraftvollen Rechten – eben links zu kreuzen.

Aber ich schweife ab. Wo waren wir? Ach ja, in Silverstone.

Ich finde es ja immer ein wenig ironisch, dass auf dem Silverstone-Ortsschild «Please drive carefully» steht. Nicht alle Rennfahrer scheinen das begriffen zu haben.

Vieles ist hier gleich geblieben – der charmante Ortskern, die malerische Landschaft, das fachkundige Publikum, das englische Frühstück (Bohnen am frühen Morgen, also bitte!).

Und was ist nun mit dem Wetter?

Die Wetterfrösche quaken: Es wird in den kommenden Tagen wechselhaft (so eine Überraschung!), am Sonntag jedoch soll es freundlich bleiben, bei 25 Grad.

Dazu eine volle Hütte (der zunächst schleppene Vorverkauf hat in den letzten Tagen markant angezogen), der Geruch von gebrannten Mandeln, Würsten und Lager-Bier in der Luft, und dies auf jenem Gelände, wo vor 63 Jahren der ersten Formel-1-WM-Lauf stattfand.

Besser geht es nicht, Freunde.

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