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Sauber-Team: Die wahren Gründe für die Krise

Von Mathias Brunner
Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn beteuert: «Wir werden die Saison 2013 zu Ende fahren.» Wir erklären, wie Sauber in finanzielle Schräglage geraten konnte.

Sauber steckt in finanziellen Schwierigkeiten – so wie alle Formel-1-Teams ausser den zwei Red-Bull-Rennställen (Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso), Mercedes, Ferrari und McLaren. Sauber in finanziellen Nöten ist leider nichts Neues: Hochstapler sind in diesem Geschäft regelmässige Fahrerlager-Besucher, und mit Broker, Lighthouse und Qadbak ging man (trotz Experten von Mercedes und BMW) vermeintlichen Geldgebern auf den Leim, deren angebliche Sponsoren-Millionen sich in Luft auflösten.

Die Krise 2013 ist anders. Sauber befindet sich aus mehreren Gründen in finanzieller Schräglage.

Ein menschlicher Schritt ins finanzielle Risiko

Einen Formel-1-Rennstall in der Schweiz zu betreiben, war von Anfang an «ein vernünftiger Schritt in die Unvernunft», wie Peter Sauber den Schritt als Mercedes-Partner in der Sportwagen-WM in den Grand-Prix-Sport bezeichnete.

Peter Sauber hat 2009 den Rennstall nach drei Jahren von BMW zurückerworben, als die Münchner aus der Formel 1 ausstiegen. Sauber wollte sein Lebenswerk nicht zugrunde gehen sehen. Das zeugt von menschlicher Grösse, auch dafür geniesst der Zürcher in der Schweiz grösste Verehrung. Rennstallgründer Sauber wusste 2009 genau: Es geht nicht nur um die Arbeitsplätze im Hinwiler Rennwagen-Werk, sondern auch um Dutzende kleiner und mittelgrosser Unternehmen im Zürcher Oberland, die am Tropf von Sauber hängen. Wirtschafts-Experten sprechen von mehr als 1000 Arbeitsplätzen.

Kühle Rechner warnten schon 2009: Betriebswirtschaftlich war das (vor dem Hintergrund einer weltweiten Finanzkrise) ein kühner Schritt hinaus auf sehr dünnes Eis. Sauber musste von 388 Mitarbeitern auf 260 abbauen. Die finanziellen Hintergründe des Rück-Schrittes BMW zu Sauber sind nie kommuniziert worden.

Schwierigkeiten mit Sponsoren

Potente Sponsoren sind seither Mangelware bei Sauber. Der malaysische Konzern Petronas wurde von Mercedes abgeworben. Sauber fuhr 2010 mit dem Logo des «Sauber Club One» auf der Motorverkleidung, einem Konzept der Agentur Publicis: Wer anonymes Mitglied in diesem exklusiven Zirkel wurde, erhielt die Vorteile eines Sponsors – vorwiegend zur Kontaktpflege auf den Rennplätzen mit wirtschaftlich Gleichgesinnten. Wie erfolgreich dieses Konzept ist, wurde nie bekannt. Bei Sauber wird nicht darüber gesprochen.

Ebenfalls 2010 stellte sich Sauber personell neu auf: Peter Saubers Sohn Alex kam anfangs des Jahres als Marketing-Direktor ins Team und trat in die Geschäftsleitung ein. Das verblüffte Fachleute: Jahrelang hatte Peter Sauber beteuert, seine Söhne hätten kein Interesse an der Formel 1. Die seit dem Jahr 2000 für Sauber tätige gelernte Anwälting Monisha Kaltenborn wurde zur Geschäftsleiterin ernannt, im Mai 2012 wurden ihr ein Drittel der Anteile am Rennstall übertragen, im Sinne der Kontinuität. Am 11. Oktober 2012 übernahm sie offiziell von Peter Sauber den Posten des Teamchefs.

2011 schien es wirtschaftlich aufwärts zu gehen: dank der Verbindung zur reichsten Familie der Welt. Der Mexikaner Carlos Slim Helú (heute 72 Jahre alt), Herr des Telmex-Imperiums (Telekommunikation) wird vom Magazin «Forbes» auf ein Vermögen von mehr als 72 Milliarden Dollar geschätzt, er ist der zweitreichste Mann der Welt (hinter Bill Gates). Helús Sohn Carlos Slim Domit untersteht das Rennfahrer-Förderungsprogramm von Telmex. Dank Telmex kam Sergio Pérez für zwei Jahre zu Sauber. Telmex hatte gewiss auch nichts gegen die Verpflichtung von Esteban Gutiérrez für 2013.

Schon bald kursierten Gerüchte, wonach die Mexikaner es mit der Zahlungsmoral nicht so genau nähmen. Einen Beweis für diese Unterstellung gibt es nicht, es gilt die Unschuldsvermutung. Seitens Sauber ist das Zahlungsverhalten von Telmex nie kommentiert worden, über Verträge oder deren Einhaltung äussert sich das Unternehmen grundsätzlich nicht.

Eine 2012 eingegangene Partnerschaft mit dem Fussballklub FC Chelsea erzeugte im Formel-1-Fahrerlager Verblüffung. Was genau sollte damit bezweckt werden? Monisha Kaltenborn damals: «Fussball und Formel 1 sind wahrscheinlich die zwei populärsten Sportarten weltweit, gemeinsam erreichen wir eine riesige Fangemeinde. Das öffnet für unsere Partner Zugänge zu viel mehr Daten, zu potenziellen Fans und Kunden, für kommerzielle Aktivitäten. Und wir können auch gemeinsam mit kommerziellen Arrangements an Unternehmen herantreten.»

Wenn der Hintergedanke des Deals darin bestand, Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch (20facher Milliardär) zu einem Einstieg in die Formel 1 zu bewegen, ist das bis heute nicht passiert. Die Frage muss erlaubt sein: Wieviele neue Finanzpartner hat Sauber dank Chelsea gefunden?

Formel-1-Preisgeld: Im gefährlichen Strudel

In der Formel 1 wird Erfolg belohnt und Misserfolg postwendend bestraft: Sauber schloss die Saison 2010 (das Jahr 1 nach BMW) auf Gesamtrang 8 im Markenpokal ab, 2011 steigerten sich die Schweizer auf Platz 7, 2012 dann auf den sechsten Rang (Mercedes als Fünfte wären sogar in Reichweite gewesen). Gemäss des Preisgeld-Schemas von Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone besteht ein Platz besser oder schlechter aus mindestens zehn Millionen Dollar mehr oder weniger.

2013 liegt Sauber auf dem achten Zwischenrang, mit wenig Hoffnung, die davor liegenden Rennställe einzuholen. Toro Rosso und Force India haben derzeit das bessere Auto, McLaren liegt zu weit weg auf Zwischenrang 6 und verfügt über ungleich bessere Ressourcen zur Fahrzeug-Entwicklung. Sauber muss froh sein, wenn Rang 8 bis Saisonende gegen Williams verteidigt werden kann. So oder so bedeutet das jedoch – 2014 fliesst aus dem Preisgeldtopf weniger Geld, Rang 8 im Markenpokal bedeutet potenziell 20 Mio Dollar weniger als Gesamtrang 6. Gleichzeitig muss Sauber für die neuen Turbo-Motoren ab 2014 rund 15 Mio Dollar im Jahr zahlen, die V8-Sauger derzeit kosten pro Saison 9 Millionen.

Eine kalte Schulter aus der Schweiz

Seit Jahren fragen sich nicht nur Schweizer Fans: Wieso zeigen Schweizer Grossunternehmen dem Sauber-Rennstall die kalte Schulter? Die Antwort lautet brutal: Weil sie Sauber selten brauchen. Das jahrelange Engagement der Credit Suisse ging auf die Freundschaft zwischen Peter Sauber zum Banker Oswald Grübel zurück. Als Grübel von der CS zur UBS wechselte, versuchte er, den Vorstand von einem Engagement zu bewegen – in Form eines UBS-Sauber. Der Vorstand fand die Idee der Formel 1 prachtvoll, stieg jedoch in Form von Bandenwerbung ein. Hintergrund: Dank Bandenwerbung sind die Logos der Grossbank viel länger im Bild zu sehen als mit dem eigenen Rennwagen.

Genau dies ist auch der Grund, wieso es keinen Sauber in Rolex-Farben gibt (Uhrenpartner von Sauber ist Certina). Das Wirtschafts-Schwergewicht Nestlé (der grösste Nahrungsmittel-Unternehmer der Welt) war nie an der Formel 1 interessiert, das Gleiche gilt für die Schweizer Pharma-Industrie, das grösste mit Sauber verbundene Unternehmen ist die Oerlikon (Maschinen- und Anlagenbau).

Personelle Probleme

Ein kluger Mann hat einmal gesagt: «Jedes technische Problem ist im Grunde ein menschliches Problem.» Nicht alle Mitarbeiter sind in Hinwil glücklich geworden. Der vielgepriesene James Key löste im April 2010 das Sauber-Urgestein Willy Rampf als Technischer Direktor ab. Von da an ging es bei Sauber aufwärts. Doch der Engländer fühlte sich in der Schweiz eingeengt und wechselte zu Toro Rosso. Seither wird deren Auto stetig schneller. Sauber liess das neue Auto von einem Komitee bauen.

Für die Saison 2013 wurde der Mut von Chefdesigner Matt Morris und seinen Mitarbeitern bestraft. Sauber hatte sich dazu entschlossen, eine radikale Neukonstruktion zu wagen, statt auf der Basis des erfolgreichen 2012er Modells weiterzumachen. Das erwies sich als ebenso grosser Fehlschlag wie der radikal neue McLaren. Der Sauber-Renner büsste seine grösste Stärke ein: er war kein Reifenflüsterer mehr. Wie sehr ist das mit dem Verlust von Pierre Waché (an Red Bull Racing) verbunden? Der Leiter der Abteilung Performance arbeitete jahrelang für Reifenhersteller Michelin ... Vor dem Hintergrund eines stabilen Reglements erwiesen sich die gegnerischen Weiterentwicklungen als konkurrenzfähiger. Matt Morris nahm im Juni 2013 ein Angebot von McLaren an und verlässt das Unternehmen.

Auch in Sachen Fahrer hat Sauber nicht immer die glücklichste Hand gehabt: Pedro de la Rosa, nett, aber zu langsam, wurde noch in der Saison gegen einen anderen GP-Veteranen ausgetauscht, den langjährigen Sauber-Piloten Nick Heidfeld. Der junge Kamui Kobayashi war aufregend, temperamentvoll, aber nicht konstant genug. Ende 2012 musste er nach drei Jahren gehen. Sergio Pérez zeigte so gute Ansätze, dass ihn McLaren engagierte, mit gütiger Hilfe von Telmex. Estaban Gutiérrez wurde für 2013 als Pérez-Nachfolger geholt, angeblich spielte die Verbindung zu Telmex dabei keine Rolle. Der Mexikaner muss endlich beweisen, was er kann. Nico Hülkenberg ist für Sauber ein Glücksgriff gewesen. Ob er in Hinwil bleibt, ist unklar – einen Termin zur Vertragsverlängerung hat der Deutsche verfallen lassen.

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