2. Training: Vettel fliegt in Singapur
Sebastian Vettel fliegt durch die Nacht von Singapur
Der enge, verwinkelte Stadtkurs von Singapur stellt die Teams und Fahrer vor besondere Probleme: Nicht nur die Kühlung ist beim einzigen Nachtrennen der Saison eine grosse Herausforderung, auch das Aufwärmen der Reifen gestaltet sich schwieriger als auf anderen Strecken. Ex-GP-Pilot und SkyTV-Experte Marc Surer erklärt: «Es geht dabei vor allem um die Vorderreifen, die man ins Arbeitsfenster bringen muss. Das Problem kann man durch mehr Sturz abschwächen, wobei Pirelli den Teams da klare Grenzen gesetzt hat.»
Im Gegensatz zum ersten Training herrschte im zweiten Durchgang gleich von Beginn an viel Verkehr auf der Strecke. Nur Romain Grosjean musste erneut eine Zwangspause einlegen. Schon beim ersten Training hatte der Lotus-Pilot wegen Problemen mit der Lenkung eine ganze Stunde zuschauen müssen. Aus dem gleichen Grund rückte er auch in der zweiten Session mit einer halbstündigen Verspätung aus. Lotus-Teamchef Eric Boullier tröstete sich: «Das ist ärgerlich für Romain, aber mir ist es lieber, wir lösen das jetzt und nicht erst im Rennen.»
Der französisch-schweizerische Doppelbürger war nicht der Einzige, der Probleme bekundete, auch Sergio Pérez beklagte sich über Boxenfunk, dass sein McLaren irrtümlich in den neutralen Gang schaltete. Immerhin: Das Problem des Mexikaners löste sich von selber. Weniger Glück hatte Pérez’ Teamkollege Jenson Button, der nicht nur mit blockierenden Vorderrädern, sondern auch mit starkem Untersteuern zu kämpfen hatte.
Schlechte Noten für Ferrari
Letzteres sorgte auch bei den Williams-Ingenieuren für tiefe Sorgenfalten, wie der ehemalige Technikchef und heutige BBC-Experte Gary Anderson kopfschüttelnd feststellte: «Die Williams untersteuern hier fürchterlich, und das ist ungefähr das Letzte, was du auf einem Kurs wie Singapur willst.» Und als hätte der kleine Privatrennstall aus Grove nicht schon genug zu tun, setzte Pastor Maldonado seinen Williams-Renner knapp zwanzig Minuten vor Trainingsende in die Mauer.
Auch das Force-India-Duo Adrian Sutil und Paul di Resta hatte alle Hände voll zu tun. Ex-Formel-1-Pilot Karun Chandhok analysierte trocken: «Die Force India liegen grauenvoll auf den Randsteinen. Da liegen Welten zum Verhalten der Mercedes oder der Autos von Red Bull Racing. Die sind auf den Randsteinen viel manierlicher.»
Keine gute Note gab es auch für das Ferrari-Team, das Fernando Alonso und Felipe Massa mit neuem Diffusor, neuem Front- und neuem Heckflügel auf die Strecke schickte. Surer erklärte unverblümt: «Die sind bisher nicht wirklich überzeugend.» Und der ehemalige Formel-1-Pilot Martin Brundle präzisierte: «Ferrari hat noch viel Arbeit vor sich – den Autos mangelt es an Haftung auf der Hinterachse. Der Mercedes wechselt am knackigsten die Richtung, kein Auto lenkt so spontan ein. Aber mit Abstand am meisten Abtrieb hat der Wagen von Red Bull Racing.»
Schrecksekunde von Mark Webber
Im zweiten Training rückten die Piloten erstmals auf den extra-weichen Reifen aus. Surer weiss: «Diese Mischung bring auf diesem Stadtkurs viel – vorausgesetzt, die Reifen körnen nicht. Das Problem ist, dass die Vorderreifen nur schwer auf Temperatur kommen, während die Hinterreifen heiss werden.» Auf der extra-weichen Mischung waren die Piloten denn auch rund 1,5 Sekunden pro Runde schneller als die Medium-Mischung.
Für eine Schrecksekunde sorgte Red Bull Racing-Pilot Mark Webber, der bei seiner ersten Ausfahrt auf den weichen Sohlen ausgangs der zweitletzten Kurve die Mauer küsste. Der Australier, der die Formel 1 Ende 2013 verlässt, hatte Glück im Unglück: Nach einem kurzen Blick in die Innereien seines Dienstwagens gaben die Ingenieure knapp zehn Minuten nach dem Schock Entwarnung; Sowohl Antriebswelle als auch Aufhängung überstanden den Rempler – obwohl die ganzen Aufhängungsteile nicht dafür konzipiert sind, Schläge von der Seite abzufedern.
In der Box von Red Bull Racing herrschte gute Laune, denn das Weltmeisterteam stellte im Nachttraining ein Mal mehr seine Klasse unter Beweis. Sebastian Vettel und Webber waren mehr als eine Sekunde schneller als der Rest des Feldes. Gary Anderson schwärmte: «Die Red Bull Racing-Renner waren hier schon immer sehr stark, und in diesem Jahr scheinen sie keine Ausnahme von dieser Regel machen zu wollen.» Auch Surer staunte: «Dass Nico Rosberg als Drittschnellster über eine Sekunde langsamer ist, ist schon heftig.»
Am Ende durfte sich Vettel über seine 29. Trainingsbestzeit der Saison freuen. Hinter ihm reinte sich mit sechs Zehntelsekunden Rückstand Teamkollege Webber ein. Eine ganze Sekunde langsamer als der Weltmeister war Mercedes-Pilot Nico Rosberg, der die drittschnellste Runde drehte und damit seinen Teamkollegen Lewis Hamilton auf Platz 4 verwies. Grosjean, Alonso, McLaren-Pilot Jenson Button, Force-India-Rückkehrer Adrian Sutil und Pérez komplettierten die Top-Ten-Plätze.