Helmut Zwickl: «Damals» war wirklich Vieles besser
Jahrelang habe ich im Grand-Prix-Sport an der Seite des unvergleichlichen Helmut Zwickl berichtet. Ich habe seinen «Wiener Schmäh» geliebt, seinen knochentrockenen Humor, seine verblüffenden Einfälle für lebendige Bilder. Zwickl hat es wie nur wenige Formel-1-Berichterstatter verstanden, die Leser mitzunehmen, als wären sie mittendrin im Pulverdampf der Formel 1. Und Pulver gab es zuhauf: Ich finde Neid grundsätzlich ein Charakterzug, der zu bedauern und mir fremd ist, aber ich gebe zu – ich habe meinen österreichischen Seilgefährten darum beneidet, dass er 60er und 70er Jahre-Grössen wie Jim Clark, Jochen Rindt oder Jackie Stewart hat fahren sehen.
Worum ich Helmut nicht beneidet habe: Es wurde viel gestorben. Der Tod war ständiger Begleiter der Fahrer. Emerson Fittipaldi: «Wenn ich mit meiner Tasche das Haus verlassen habe, drehte ich mich an der Tür um, die Klinke in der Hand, und habe mich gefragt – ob ich am Montag wohl hierher zurückkehre?»
Viele Jahre später musste ich ein wenig schmunzeln, als ein jüngerer Journalistenkollege ein wenig verlegen zu mir sagte: «Was, du hast Ayrton Senna bei McLaren und Michael Schumacher im Ferrari erlebt?» Wir sind dann ein wenig ins Gespräch gekommen, und aus den Augen des jungen Kollegen wurden mittlere Dessert-Teller, als ich ihm sagt, dass ich in Imola 1994 dabei war – am schwarzen Wochenende, als der Tod Rubens Barrichello am Freitag an den Helm klopfte, als wir am Samstag Roland Ratzenberger verloren und am Sonntag den grossen Ayrton Senna. Ein Wochenende, das keiner vergessen kann, der dort war.
Damals in Imola an meiner Seite: Helmut Zwickl. Ich bewunderte seine Ruhe an diesem Wochenende, seine Professionalität, seine Stärke, ein Fels von Gibraltar vor tosender See.
Bei meinem ersten Grand Prix, in Kanada 1982, verlor der Italiener Riccardo Paletti sein Leben, er verblutete vor meinen Augen im Rennwagen, während seine Mutter nebenm mir stand und sie sich die Seele aus dem Leib kreischte. Ich dachte: «Ich weiss nicht, ob ich diese Formel 1 lange aushalte.»
Helmut Zwickl hat nicht nur alles ausgehalten. Er hat akribisch recherchiert, er hat Fragen gestellt, die wehtaten, er hat Fakten und Ansichten in vorbildliche Sprache gekleidet, er erarbeitete sich den Respekt aller Branchen-Insider, denn sie wussten – Helmut ist hart, aber immer fair, und er kann schweigen. Er verfolgt keine versteckten Pläne, sondern ist der Wahrheit und der Liebe zum Motorsport verpflichtet.
Die Liebe hat sich ein wenig abgekühlt, als sich ein ungebetener Gast in die Formel 1 schlich, verstohlen wie ein Dieb: die politische Korrektheit. Es passte nicht zum Weltbild von Helmut, dass Fahrer nicht mehr frei von der Leber weg reden dürfen oder von Mediendelegierten bevormundet werden. PR-Gewäsch wurde von ihm schonungslos entlarvt und zersetzt, mit Worten so scharf wie Salzsäure. Irgendwann war es ihm leid, von Teenagern stromlinienförmige Antworten zu erhalten, und er hat der Formel 1 den Rücken gedreht.
Seinen Schatz hat er mitgenommen: Erinnerungen an rund 560 Grands Prix und unzählige Sportwagenrennen. Ich bin kein Freund der Ansicht, dass früher alles besser war. Aber Helmut Zwickls neues Buch «Damals» beweist, dass es früher mehr Spielraum gab, dass Fahrer noch zeigen durften, welche Typen sie sind. «Als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war», lautet der Untertitel des neuen Werks, und genau so war es. Es waren Zeiten ohne soziale Netzwerke und wackelige Handy-Filmchen. Fahrer konnten die Sau rauslassen und hatten eine gute Chance, dass die Sau es nicht in die Schlagzeilen schafft.
Ich lege Ihnen «Damals» mit meiner besten Empfehlung ans Herz. Lassen Sie sich von Helmut Zwickl auf eine Zeitreise mitnehmen, wie er mit Jochen Rindt tiefnachts durch die Strassen von Wien prescht, wie er mit Niki Lauda gruseligerweise genau an jener Stelle anhält, an welcher der Ferrari-Star später seinen schlimmen Unfall haben sollte, wie sich Zwickls Kumpel Nigel Mansell und der undurchschaubare Alain Prost in Rio mit Mietwagen Duelle liefern, dass den Mitfahrern mindestens das Herz in die Hose rutscht.
Sie werden bei diesem Buch in Gelächter ausbrechen, Sie werden die Kinnlade wieder hochklappen müssen, mehrmals, Sie werden leer schlucken und den Kloss im Hals nicht so bald loswerden. Helmut Zwickl erzählt einige Geschichten, die selbst ich noch nicht kannte, unzählige Abendessen als gebannter Zuhörer zum Trotz. Mit reichlich Abstand dürfen gewisse Stories endlich erzählt werden, zu unserem Glück.
Lesen Sie dieses Buch! Sie werden es nicht bereuen.
Helmut Zwickl: Damals
Als Sex noch sicher und die Formel 1 gefährlich war
Aus dem gefco Verlag (Wien)
ISBN: 978-3-9503235-6-6
Format 21,5 x 14,5 cm
176 Seiten
Für 26 Euro im Fachhandel