Aprilia: Mechanisches Anti-Dive patentiert
Die älteren Leser werden sich lächelnd erinnern an dieses schlagende Verkaufsargument in den frühen 80er Jahren: Anti-Dive. Mit diesen Vorrichtungen sollte verhindert werden, dass die Teleskopgabel beim Bremsen eintaucht. Zwei grundsätzliche Ansätze gab es: Hydraulische und mechanische Vorrichtungen.
Von vorneherein eine Fehlüberlegung sind die hydraulischen Anti-Dive, bei denen mit der Betätigung der vorderen Bremse die Druckstufendämpfung erhöht wird. Das kann das Eintauchen der Gabel nicht verhindern, sondern allenfalls verzögern. In der Praxis resultiert eine verhärtete, unsensible Gabel genau in dem Fahrzustand, bei dem wegen der Radlastverschiebung aufs Vorderrad eine sensibel reagierende Gabel von grossem Vorteil ist.
Bei den mechanischen Anti-Dive sind die vorderen Bremszangen an einem um die Vorderachse drehbaren Hebel befestigt. Wir die Vorderbremse betätigt, entsteht eine Hebelkraft in der Drehrichtung des Rades. Über Schubstangen wird diese Kraft in die untere Gabelbrücke eingeleitet. Diese Hebelkraft wirkt entgegengesetzt der eintauchenden Gabel.
Mechanische Anti-Dive wurde nie in Grosserie hergestellt, doch Nischenhersteller wie der Schweizer Gespannbauer Armec bauten solche Vorrichtungen in ihre Motorräder ein. In der Praxis sind recht lange Hebel (etwa der Radius der Felge) nötig, damit ein spürbarer Effekt entsteht. Daraus ergibt sich der Nachteil dieser mechanischen Systeme: Sie sind schwer und erhöhen die ungefederte Masse wie auch die Trägheit der Lenkung.
Doch an einer Upside-down-Gabel müssen die Hebel nicht zwingend an der unteren Gablbrücke angreifen. Man kann die Hebelkraft auch direkt in die oberen Gabelrohre einleiten, wodurch sich das System kompakter und leichter bauen lässt.
In einer US-Patentschrift von Aprilia taucht nun ein solches mechanisches System auf, das recht ausgeklügelt aussieht. Dabei wird die Kraft des drehbaren Hebels, an dem die Bremszange befestigt ist, nicht direkt ins Gabelaussenrohr eingeleitet, sondern über eine weitere, zwischengeschaltete Hebelübersetzung.
Die Idee dahinter ist, dass über die Variation der Hebellängen beeinflusst werden kann, wie stark der Anti-Dive-Effekt ausfallen soll in Abhängigkeit davon, wie weit die Gabel eingefedert ist. Ebenso kann die Klemmung am Gabelaussenrohr verschoben werden. Beim gezeigten System soll dem Einfedern zu Beginn der Bremsvorgangs (wenn die Gabel noch ausgefedert ist) stark entgegenwirken und dann nachlassen, je weiter die Gabel einfedert. Mit der Verschiebung der Klemmung am Gabelaussenrohr kann ausserdem eingestellt werden, wann das System zu wirken beginnt.
Das System soll zu Beginn des Bremsvorgangs (in der Regel auf einer Geraden) das Eintauchen der Gabel und damit indirekt das Aufsteigen des Hinderrads vermindern und damit eine stärkere Verzögerung ermöglichen. Wenn dann auf der Bremse in die Kurve eingebogen wird, ist die Gabel weit eingefedert, das System wirkungslos und die Gabel arbeitet in Schräglage auf Wellen und Unebenheiten mit voller Sensibilität.
Weitere Vorteile könnten sich bei der Fahrwerksabstimmung ergeben. Federrate und Dämpfung der Gabel müssen so gewählt werden, dass diese unter vollem Bremsdruck in Anbremszonen nicht durchschlägt. Die dadurch nötige harte Feder und straffe Dämpfung vermindert der Vorderradgrip (und an einem Strassenmotorrad den Komfort).
Derzeit wird diesen sich wiedersprechenden Forderungen mit progressiven Federn und Dämpfungen begegnet, bei welchen sich schnelle und langsame Einfedergeschwindigkeiten separat einstellen lassen. Oder, falls im Rennsport nicht durch das Reglement verboten, durch elektronische Systeme, welche die Dämpfung dem Fahrzustand anpassen.
Ob und wann Aprilia mit einem solchen System an der Rennstrecke auftauchen wird, geht aus der Patentschrift, welche in den USA veröffentlicht wurde, nicht hervor.