Caterham Bikes: Dilettantismus in Reinkultur
Die malaysische Automotive Industry geniesst in der europäischen Motorradbranche nicht den besten Ruf.
Nicht nur weil der malaysische Konzern Hong Leong Millionen in MZ gesteckt hat und dann einen schwungwollen Bankrott hingezaubert hat. Selbst ein eigenes MotoGP-Motorrad mit 990-ccm-Vierzylinder-Motor und mit den Fahrern Ralf Waldmann und José-Luis Cardoso wurde für 2002 von MZ geplant.
Aber der Traum platzte.
Auch andere malaysische MotoGP-Projekte mit Geld von Modenas (Zweiradhersteller) und Proton (Automarke) zusammen mit dem Team Roberts blieben erfolglos.
Danach entpuppte sich die Übernahme der Sportwagenfirma Lotus durch den malaysischen Konzern DRB-HICOM als Reinfall – und als Millionengrab.
Und jetzt scheint auch das Motorradprojekt der Caterham Group gescheitert, die den malaysischen AirAsia-Gründern Tony Fernandes und Dato Kamarudin Meranun gehört. Deren Motorcycle Division wollte 2014 drei Serienmotorräder auf den Markt bringen; das Classic E-Bike im April, die Brutus 750 im Juni und das Carbon E-Bike im September – bisher Fehlanzeige.
Aber die bizarre Caterham Bikes Limited entpuppt sich als Seifenblase. Importeure, Händler und potenzielle Kunden wurden vor den Kopf gestossen, hingehalten und zum Narren gehalten.
100.000 Euro wurden von Caterham im November locker gemacht, rund ein Drittel der Summe ging für den Auftritt bei der Mailänder Motorradmesse EICMA drauf. Dann versiegte der Geldstrom auch schon wieder.
Ex-Italjet-Besitzer als Partner
Alessandro Tartarini, der mit seinem Vater einst die Zweiradfirma Italjet betrieb und seit 15 Jahren motorisierte Zweiräder für asiatische Unternehmen entwickelt, designt und fertigen lässt, wollte für Caterham die drei erwähnten Modelle auf dem Markt einführen, deren Design und Konzeption bereits vor der Serienreife stand. Er wollte mit seiner in Kosice/Slowakei ansässigen Firma «White Design & Engineering» die Design- und Vermarktungsrechte an Caterham verkaufen, sich um die Produktion (in Taiwan) kümmern und seine ehemaligen Importeure und Händler reaktivieren.
Aber der Geldfluss geriet früh ins Stocken. Nach den ersten 100.000 Euro sprudelte die Caterham-Quelle nicht mehr, wird jetzt berichtet.
Deshalb konnte Tartarini die Industrialisierung der drei Modelle nicht vorantreiben. Die Verpflichtungen gegenüber den Geschäftspartnern kümmerte die Caterham-Geschäftsleitung in England wenig. Sie wurden immer wieder vertröstet und hingehalten.
Im April und Mai eskalierte die Situation. Tartarini wird den Verdacht nicht los, Caterham habe ihn und seine Projekte nur benützt, um einen Mehrwert vorzutäuschen und somit leichter einen Investor für die Gruppe zu finden.
Tatsächlich brüstete sich Caterham bei Bloomberg-TV und Top-Gear gern mit den hochtrabenden Plänen.
Jetzt hat Tartarini die Schnauze voll. Er verlangte eine Erklärung, dass Caterham keine Rechte an seinen drei Bikes besitze, weil das entsprechende Agreement nie unterzeichnet wurde. Er hat zu diesem Thema sogar eine Pressekonferenz für den 31. Mai 2014 beim Mugello-GP angedroht, ist jetzt durchgesickert. Sie fand aber nie statt.
Am 6. November 2013 wurden die drei Bikes – in aussergewöhnlichem Design – auf der EICMA präsentiert. Das windschiefe Geschäftsmodell von Caterham sah vor, 30 Prozent Anzahlung zu kassieren und auf diese Weise einen Teil der Produktion vorzufinanzieren. Der Ansturm der Kunden hielt sich in Grenzen.
Schönfärberei in Vollendung
Was bei Caterham als Businessplan bezeichnet wurde, wirkt wie Schönfärberei in Vollendung. Das Dokument wurde in wenigen Tagen offenbar von ein paar Ahnungslosen unter grossem Zeitdruck zusammengeschustert. Die Zeit drängte, denn 2014 sollten bereits 2500 Caterham-Zweiräder verkauft werden.
Die skurrile Brutus 750 (mit Automatic) soll eine Art SUV auf zwei Rädern darstellen, also ein geländegängiges Superbike (mit einem 750-ccm-Viertakt-Twin von einem ATV-Hersteller aus Taiwan) und für den Endverbraucher 9500 Euro kosten. Von Nischenmärkten, von High Quality und hinreissendem Design war die Rede. Neben Malaysia sollten auch Thailand, Indonesien und Indien als Wachstumsmärkte herhalten. Danach sollten die EU, Russland, USA und Südamerika im Sturm erobert werden.
Sogar die Errichtung eines eigenen Werks in England wurde von Caterham-Beratern geprüft. Aber dann hätte die Motorradwelt bis zum zweiten Quartal 2015 auf die herzerwärmenden Zweirad-Erzeugnisse von Caterham warten müssen. Unzumutbar.
Es wimmelte von hochrangigen Chefs mit Titeln wie Chief Executive Officer (CEO), Chief Financial Officer (CFO) sowie von General Managern, gestandene Motorrad-Experten waren freilich Mangelware.
Ihnen wäre bei diesem atemberaubenden Geschäftsmodell auf der Stelle die Luft weggeblieben.
Zum Schnäppchenpreis und mit einem Gesamt-Investment von nur 3,5 Millionen Euro sollte Caterham in der Weltrekord-Zeit von sechs bis neun Monaten mit Hilfe der ehemaligen Italjet-Partner im zweiten Quartal 2014 die ersten Bikes auf den Markt bringen. Für diesen Betrag sollte Caterham auch das Design, die Engineering-Spezifikationen und die Prototypen übernehmen.
Nach den ersten drei Modellen sollten ein Touren-Motorrad, eine Enduro, ein Retro-Bike und ein Café Racer (mit 250 ccm) aus dem Boden gestampft werden; dafür wurde wieder nur ein bescheidenes Zusatzbudget von 2 Millionen Euro veranschlagt.
Doch die hochtrabenden Pläne wurden im Keim erstickt.
Luftschlösser, so weit das Auge reicht. Verbrannte Erde, wohin man nur blickt.
Offenbar wuchsen den Caterham-Eigentümern die Kosten über den Kopf, ähnlich wie 2012 dem Konzern DRB-HICOM mit Lotus Cars.
Jetzt sind einige der Caterham-Verantwortlichen in Deckung gegangen, hören wir. Denn einige Fachmedien haben wegen Testmaschinen angefragt. Fehlanzeige. Es existieren nur Attrappen und Prototypen. Importeure und Händler haben das Geschäftsjahr 2014 für Caterham-Bikes längst als Nullnummer abgeschrieben.
Es herrscht akuter Erklärungsnotstand. Aber offenbar will bei Caterham Bikes jetzt keiner den Kopf hinhalten.
Vor ein paar Monaten lief die Kommunikations-Maschinerie noch auf Hochtouren. «Unsere Vision für die Caterham Group hat mit der Vorstellung der Caterham Bikes einen weiteren Schritt gemacht», erklärte Tony Fernandes, Co-Chairman der Caterham Group, noch im November 2013 in einer Pressemitteilung zur EICMA. «Durch die Erweiterung unserer Interessen und den Einstieg in den Zweiradmarkt haben wir eine gute Gelegenheit, die Breite unseres Wissens, unserer Erfahrung, unserer Technology sowie Innovation und Kreativität ins Schaufenster zu stellen.»
Partner Dato Kamarudin Meranun sprach von langfristigen Plänen, «die ambitiös aber erreichbar sind, eine perfekte Mischung für den Erfolg».
Viel Lärm um nichts.
Denn die Kreativität der Caterham-Bike-Manager beschränkte sich bisher grossteils auf das Erfinden von Ausreden und auf die Nichteinhaltung von Vereinbarungen. Jetzt drohen saftige Schadenersatzklagen aus allen Himmelsrichtungen. «Aber es wird nicht viel zu holen sein», vermutet ein Geschädigter.
Intern bezeichneten sich die Caterham-Bike-Macher gerne als die «klügsten Motorrad-Unternehmer in der Welt».
Dilettantismus in Reinkultur.