Jürgen Lingg (Intact GP): «2020 wird es schwierig»
Nach dem Saisonauftakt der Moto2- und Moto3-Klasse in Katar am 8. März wurde die Motorrad-WM lahmgelegt. Die Grand Prix in Buri Ram (22.3.), Austin (5.4.), Termas de Río Hondo (19.4.), Jerez (3. 5.), Le Mans (17. 5.), Mugello (31.5.) und Barcelona (7.6.) wurden bereits verschoben. WM-Promoter Dorna muss sich auch mit dem «worst case»-Szenario beschäftigen: 2020 wird womöglich oder sogar aller Voraussicht nach kein MotoGP-Rennen stattfinden.
«Da wir alle jetzt nicht wissen, ob und wann ein Neustart 2020 möglich sein wird, herrscht bei den Teams viel Ungewissheit», erzählt Jürgen Lingg, Teamprinzipal bei Liqui Moly Intact GP. «Das erschwert jegliche Planung für den Rest der Saison, sie wird fast unmöglich. Wir informieren uns alle täglich bei SPEEDWEEK.com, denn ihr wisst teilweise mehr als wir.»
Jürgen, wie schätzt du die Lage ein und wie planst du in Bezug auf Personal, Material usw.? KTM-Rennchef Pit Beirer hofft zum Beispiel noch auf zehn Rennen, die ab September stattfinden könnten.
Ich sehe es nicht ganz so optimistisch wie der Pit. Ich glaube, dass es in diesem Jahr schwierig wird. Das ist meine persönliche Meinung.
In Österreich wurde heute eine Studie vorgestellt, die davon ausgeht, dass in Österreich rund 28.500 Personen tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 99,7 Prozent der Bevölkerung noch nicht infiziert und daher noch anfällig sind. In Deutschland und anderen Ländern wird es sich ähnlich verhalten. Daher wird keiner sagen, wir heben die Reiseverbote auf und lassen jetzt alle rein.
Das ist genau das Problem und das wird sich nicht ändern, solange kein Impfstoff da ist. Man bekommt es anders nicht in den Griff. Wenn man es ganz logisch betrachtet, ist es eigentlich nicht möglich. Das ist meine persönliche Meinung.
Wir haben schon ein paar Sponsoren kontaktiert und werden in den nächsten Wochen auch noch alle anderen kontaktieren. Wir müssen versuchen, uns so zu einigen, dass wir alle mit dem blauen Auge davonkommen. Unser Problem ist, dass wir trotzdem in jedem Monat laufende Kosten haben – sprich Gehälter, Leasing-Kosten, Mieten und solche Sachen, die weiterlaufen. Und einfach die Leute nach Hause schicken, das machen wir nicht. Viele haben Familie, die haben auch Probleme.
Man muss vielleicht über Kurzarbeit oder Lohnreduktionen eine Lösung finden. Inklusive Fahrern (Tom Lüthi und Marcel Schrötter) beschäftigt ihr 15 Personen. Wie viele von den 15 Mitarbeitern sind angestellt?
Drei sind fix angestellt, der Rest arbeitet als Freelancer. Für die Festangestellten haben wir schon Kurzarbeit angemeldet, das ging auch relativ einfach. Für die Freiberufler ist es aber relativ schwierig – nicht nur in Italien und Spanien, auch hier bei uns. Denn wenn man privat über keine Zusatzversicherung verfügt, gibt es eigentlich nichts. Außer man kann nachweisen, dass man zahlungsunfähig ist.
Wenn Dorna sagt, ein Plan B ist möglich und wir können zum Beispiel ab September eine einstellige Anzahl von Grand Prix fahren – aber mit weniger Personal. Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viele Leute du mindestens brauchst, damit du deine zwei Fahrer auf die Strecke schicken kannst?
Ja, natürlich. Man kann auf jeden Fall mit drei Mann pro Fahrer auskommen.
Dann bist du noch dabei.
Ich kann mittlerweile zur Not daheim bleiben.
Oder du musst wieder richtig arbeiten.
Oder ich muss wieder richtig arbeiten, das wäre auch was. (Er lacht.) Wie gesagt, ich sage, mit drei Mann kann man es auf jeden Fall machen.
Dann bleibt Logistik, Marketing und Kommunikation daheim.
Und der Chef bleibt daheim.
Was kann man den Fahrern noch aufhalsen? Man könnte, wie früher, sagen: Rechnet den Sprit selber aus. Und wenn einer ein schlechter Mathematiker ist, bleibt er eben stehen.
Man kann sie zum Reifenholen schicken. Oder die Verkleidung putzen, wie früher. Ich glaube, den Sprit rechnen wir selber aus, das ist besser. (Er lacht.) Oder wir tanken einfach voll.
Aber was kann man den Fahrern wirkich aufgeben, wo man sagen kann, das ist zumutbar? Wenn alle drei Leute haben, kann man ja nicht sagen, die Techniker arbeiten 24 Stunden und die Fahrer fahren zweimal 40 Minuten.
Sie können, wie du sagst, einfach mithelfen: Das fängt beim Reifenholen an und hört beim Putzen der Verkleidung auf. Da gibt es immer Arbeit. Und ich glaube, unsere Fahrer sind sich da mit Sicherheit nicht zu schade dafür.