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Sentimentale Reise in memoriam Hayden & Simoncelli

Kolumne von Günther Wiesinger
Rund um den Misano-GP und den MotoGP-Test nutzte ich ein paar freie Tage für eine sentimentale Rennradtour nach Tavullia und zu den Gedenkstätten von Nicky Hayden und Marco Simoncelli.

Wenn ich von Donnerstag bis Sonntag vier Tage im Paddock von Misano verbringe, so dachte ich, dann noch einmal zwei am Dienstag und Mittwoch beim MotoGP-Test, dann lade ich mal das Rennrad ins Auto, bleibe noch zwei Tage länger und spule ein paar Kilometer ab. Gesagt, getan.

Ich radelte also an einem freien Tag von Cattolica Richtung Pesaro und nach ein paar Kilometern hoch zur sehenswerten Festung Gradara, von dort weiter aufwärts und dann ein Stück bergab nach Tavullia. Schon vor Rossis Heimatort sieht man links die berühmte Ranch. Vor der abgesperrten Zufahrt wehen zwei Flaggen im Wind, links eine VR46-Fahne, rechts SIC58, als Andenken an den unvergesslichen Marco Simoncelli.

In Tavullia sind an den Privathäusern, Zäunen und Lichtmasten wesentlich weniger VR46-Schilder zu sehen als vor zehn Jahren.

Aber schon am Ortschild steht: «Welcome to Terra Piloti Motori. Land of the Motion.» Willkommen im Land der Motorradpiloten, im Land der Bewegung.

Man bekommt im Café immer noch einen Cappuccino mit der #46 oben drauf. Rossi ist allgegenwärtig.

Bei der Abfahrt Richtung Cattolica sieht man rechts das Teamhauptquartier von Sky VR46, dazu ist dort das Merchandising-Lager untergebracht.

Beim MotoGP-Test habe ich mich mit Pete Benson unterhalten, den ehemaligen Repsol-Honda-Crew-Chief von Nicky Hayden, der jetzt bei Red Bull KTM arbeitet. Er sagt, er habe es bisher vermieden, die Unfallstelle unweit des Misano World Circuits zu besichtigen, wo der MotoGP-Weltmeister mit dem Rennrad 2017 tödlich verunglückt ist.

Nicky hatte Ohrenstöpsel mit Musik drin, er nahm eine Stopptafel nicht so richtig ernst und wurde dann von einem Autofahrer gerammt, der mit überhöhter Geschwindigkeit links aus Cella oder Morciano kam, überholte und mit 80 km/h Richtung im Ortsgebiet (50 km/h) auf dem schmalen Sträßchen Richtung Riccione brauste.

Über die Schuldfrage in diesem Drama zu diskutieren, ist müßig, dadurch wird der coole und überaus beliebte Nicky nicht mehr lebendig, der 2017 als Teamkollege von Stefan Bradl im Honda-Superbike-Team unterwegs war.

Immerhin: Inzwischen ist die Stopptafel für Radfahrer ziemlich irrelevant, man kann direkt nach links und rechts in einen neuen Radweg einbiegen.

2017 hätte der Radweg Nicky wahrscheinlich das Leben gerettet.

In Coriano: «Grazie, Marco»

Nach dem Besuch dieser Gedenkstätte radle ich weiter nach Riccione und biege dort im Kreisverkehr Richtung Coriano ab, der Heimat von Marco Simoncelli, der im MotoGP-Rennen in Sepang 2011 tödlich verunglückt ist.

Auch Coriano befindet sich auf einem Hügel der Provinz Rimini in der Emilia-Romagna. Schon weit vor dem Ortsbeginn am Kreisverkehr erblicke ich einen deutlichen Hinweis auf Marco Simoncelli, den berühmtesten Sohn des Orts.

Ich radle Richtung Ortszentrum, an einzelnen Privathäusern sehe ich an der Hauswand große Bilder von SIC#58 mit der Aufschrift: «Grazie, Marco.»

Ich komme an der kleinen Kirche vorbei und erkenne den Platz, an dem 2011 die Verabschiedung von Marco unter riesiger Anteilnahme stattgefunden hat und finde am Rande eines kleinen Parks im Zentrum eine wunderschön gepflegte Gedenkstätte für den 250-ccm-Weltmeister von 2008 (auf Gilera).

Ich radle von Coriano weiter; es stellen sich noch ein paar kleine Bergwertungen in den Weg, das Panorama und der Weitblick in der Abendsonne sind einmalig. Ich muss zurück ans Meer und mache einen kleinen Umweg Richtung Misano Monte, der Ausblick ist sagenhaft.

In Pesaro: Von Bagnaia zu Rossini

Nirgends auf der Welt leben pro Quadrat-Kilometer so viele GP-Fahrer wie in den Regionen Marken und Emilia-Romagna.

Das wird mir auch am nächsten Tag bewusst, als ich nach Pesaro fahre und dort gleich zu Beginn der Einkaufsstraße in der Nähe des Geburtshaues des berühmten Komponisten Giaochino Rossini (er hat uns zum Beispiel den Barbier von Sevilla hinterlassen) in der Auslage eines Modegeschäfts einen Sturzhelm des Misano-GP-Siegers und neuen Ducati-Helden Pecco Bagnaia finde.

Unten links im Schaufenster steht: «Waiting for Misano. Styled by PECCO.»

Die wahren Bagnaia-Fans wissen ja: Seine Freundin Domizia Castagnini ist Einkäuferin bei der renommierten Modekette Ratti. Das erklärt die etwas ungewöhnliche Zusammenarbeit.

Ich genehmige mir ein Gelato und suche dann beim Hafen die versteckte Zufahrt zur prächtigen «Via Panoramica SP48», die abseits des Autoverkehrs ein Paradies für Rennrad- und Mountainbike-Fahrer ist. Ca. 100 Höhenmeter unter mir sehe ich an der Steilküste fast immer das Meer. Die Panoramastraße geht nach ca. 30 km hinter Gabicce Monte und Gabbice Mare zu Ende.

In Cattolica könnte ich jetzt noch das Ristorante von Papa Antonelli besuchen.

Aber es findet ja am 24. Oktober noch einmal ein Misano-GP statt.

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