Weltmeister Ai Ogura hat sein Lebensziel erreicht
Das wichtigste Wochenende seiner Rennfahrerkarriere hatte für den Japaner und zukünftigen MotoGP-Piloten stilgerecht begonnen. Mit einer nahezu perfekten Q2-Runde hatte sich Ogura auf seiner Boscoscuro souverän den ersten Startplatz gesichtet. Die Qualifikation hätte dabei auch komplett anders ausgehen – denn in einem der engsten Shootouts der modernen GP-Geschichte entschieden Tausendstel über ganze Startreihen. Stellenweise hatten sich fünf Piloten innerhalb von 0,01 Sekunden gequetscht. Der Japaner hatte einmal mehr bewiesen, dass er in der Lage war, das Paket aus Maschine und den erstmals verwendeten Pirelli-Reifen am besten zu verstehen.
Im Rennen ging es für den Schützling seines Crew-Chiefs Norman Rank mehr darum, die Übersicht zu behalten, als neue Bestzeiten zu jagen. Eine Sonderrolle spielte die Strecke selbst – nach dem Regen in der Nacht waren noch vereinzelt feuchte Stellen auf dem 4,55 langen Chang-Circuit vorhanden.
Ai Ogura: «Ich habe mich entschlossen, zuerst genau die Strecke zu verstehen, der Zustand war noch nicht perfekt und habe auf Sicherheit gesetzt.»
Während des Abtastens musste der Held der MSi-Mannschaft aus Spanien gewaltig aufpassen, nicht unter die Räder übermütiger Rivalen zu geraten. «Canet, und Ramirez sind von Beginn an sehr schnell gewesen und auch dahinter ging es mit Lopez und Dixon wild zu. Ich habe dann früh einen Check bekommen und sofort einige Plätze verloren», erklärte der Pilot aus Tokio.
Damit stand Ogura zugleich unter Druck. Denn die Ausgangslage war klar umrissen – um sich den WM-Titel zu sichern, musste er das Ziel in den Top-5 erreichen. Nach dem rumpeligen Beginn fand sich der Titelanwärter zwischenzeitlich nur auf Position 7 wieder.
Doch dann handelte die #79 sowie wie es Meister machen – Ai Ogura vertraute seinen eigenen Fähigkeiten und ging in die kontrollierte Offensive über. Der 23-Jährige berichtete: «Ich habe gewusst, wie gut unser Tempo ist, und ich habe auch beobachtet, dass alle anderen Probleme hatten. Entweder sind sie vorne oder hinten gerutscht. Mit meinem Gefühl konnte ich dann wieder einen nach dem anderen einfangen – es war ein großartiges Gefühl zu wissen, dass ich schneller fahren kann.»
Doch gab es auch einige enge Situationen und speziell eine haarige Situation, die eine perfekte Kür verhinderten. Das Manöver gegen Intact-Pilot Darry Binder war so eng gesetzt, dass er den Bruder von Brad Binder mit Körperkontakt weit schickte. Getreu dem Motto hart aber fair entschied sich die Rennleitung gegen eine Strafe. Ogura zu der Aktion in Kurve 3: «Ich gebe zu, mit Darryn war es sehr eng. Ich habe dann auf dem nächsten Monitor gesehen, dass er weiter fährt, da war ich etwas beruhigt.»
Das Selbstbewusstsein des Japaners war so gut, dass er sich im weiteren Verlauf erst Jake Dixon und Diogo Moreira schnappte. Als Dritter hätte Ogura den Titel bereits souverän in der Tasche gehabt. Doch Ai Ogura entschied sich, im Fluss zu bleiben. Sieben Runden vor Schluss war dann auch noch Kalex-Racer Marco Ramirez fällig.
Ogura war aber clever genug, um zu erkennen, dass der führende Canet nicht mehr in Reichweite ist. Als die Marshalls kurz vor Ende die Regenflagge in die Hand nahmen, steckte Ogura auf. «Einen Moment dachte ich, ich versuch Aron einzuholen. Aber spätestens als es feucht wurde, wollte ich kein verrücktes Risiko eingehen.»
Als der Lauf in der 20 von 22 Runden abgebrochen wurde und Ogura gut drei Sekunden hinter Fantic-Star Canet kreiste, stand der neue Weltmeister der Moto2 fest.
Ai Ogura folgt damit Hiroshi Aoyama, der als letzter Japaner einen Titel in der Motorrad-Straßenweltmeisterschaft einfahren konnte. Aoyama war 2009 zugleich der letzte Weltmeister der 250er-Klasse.
Der neue Moto2-Titelträger darf sich als würdiger Champion fühlen. Ogura feierte drei Saisonsiege und stand fünf weitere Mal auf dem WM-Podium. Spannendster Punkt der Saison war das Treffen der Moto2-Elite auf dem Red Bull Ring in Österreich. Ogura ging im Training zu Boden und musste den GP als einzigen Lauf auslassen.
Der junge Pilot bezeichnete die Lage in der Steiermark als Schlüsselsituation. «Die Saison war bis dahin gut gelaufen und ich hatte immer gedacht, dass ich mein Ziel, den Titel zu holen, schaffen kann. In Österreich habe ich mir gesagt, ich werde die WM nicht ein zweites Mal verlieren. Ich will es schaffen. Als ich wieder zurückkam, waren wir noch stärker. Der Sieg in Misano war eine phänomenale Bestätigung für mich und das ganze Team. Die Podestplätze im Anschluss gaben uns weitere Sicherheit und sehr viel Freude zusammen.»
Bevor der neue Weltmeister mit seinem Team weiter feierte, gestand der Pilot fast bescheiden: «Ich weiß, wer ich bin und was ich kann. Mir war immer bewusst, es gibt Piloten mit mehr Talent. Dennoch war es mein größtes Ziel, einmal die Nummer 1 zu sein – das bedeutet mir mehr als dass ich geschafft habe in die MotoGP einzusteigen. Ich bin sehr glücklich – mein großes Ziel ist erreicht.»
Ergebnisse Moto2 Buriram, Rennen (27. Oktober):
1. Arón Canet (E), Kalex, 20 Runden in 32:02,751 min
2. Ai Ogura (J), Boscoscuro, +3,684 sec
3. Marcos Ramirez (E), Kalex, +4,683
4. Somkiat Chantra (T), Kalex, +5,799
5. Diogo Moreira (BR), Kalex, +6,172
6. Izan Guevara (E), Kalex, +6,404
7. Jake Dixon (GB), Kalex, +6,909
8. Albert Arenas (E), Kalex, +7,404
9. Manuel Gonzalez (E), Kalex, + 1 Runde
10. Deniz Öncü (TR), Kalex, + 1 Runde
11. Alonso Lopez (E), Boscoscuro, + 1 Runde
12. Sergio Garcia (E), Boscoscuro, +1 Runde
13. Ayumu Sasaki (J), Kalex, +1 Runde
14. Filip Salač (CZ), Kalex, +1 Runde
15. Jorge Navarro (E), Kalex, + 1 Runde
Moto2-WM-Stand nach 18 von 20 Rennen:
1. Ogura 261 Punkte. 2. Canet 201. 3. Garcia 179. 4. Aldeguer 175. 5. Gonzalez 170. 6. Lopez 168. 7. Roberts 153. 8. Dixon 142. 9. Vietti 140. 10. Arbolino 135. 11. Ramirez 101. 12. Chantra 91. 13. Alcoba 79. 14.Arenas 76. 15. Agius 63.
Konstrukteurs-WM:
1. Kalex 387 Punkte. 2. Boscoscuro 373. 3. Forward 16.