Katar-GP: Auch Verschwendung hat ihren Reiz
Seit 2004 steht der Katar-GP auf dem Kalender, 2008 wurde er erstmals bei Flutlicht ausgetragen, denn bei 45 Grad Hitze wollte niemand zuschauen.
Seit am Sonntagabend gefahren wird, wird der Losail International Circuit im Schnitt von 1900 statt von 1500 Zuschauern gestürmt. Die offizielle Zahl lag gestern allerdings bei 11.737. Da wurden alle dreimal gezählt, fürchte ich. Und der Paddock dazu.
Übrigens: 2009 wurde das MotoGP-Rennen ausnahmsweise am Montag gefahren, denn nach dem Moto2-Rennen am Sonntag setzte ein unaufhörlicher Regen ein. Da Bridgestone in die Wüste gar keine Regenreifen mitgebracht hatte, wurde der WM-Lauf auf den Ostermontag verschoben.
Es ist unfassbar, was in der Hauptstadt Doha seit 2004 gebaut wurde. Damals lag der Losail Circuit 30 Minuten vom Stadtrand entfernt, heute zehn Minuten.
Und dazwischen wurde mit der Lusail City eine Retortenstadt für rund 250.000 Einwohner in den Sand gesetzt.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Lusail City.
Die Katari sind sich nicht ganz einig, ob sie Losail oder Lusail schreiben und sagen sollen, die Schilder sind unterschiedlich beschriftet.
Direkt neben der Rennstrecke befindet sich der Lusail Sport Complex, in dem vor zwei Jahren die Handball-Weltmeisterschaft ausgetragen wurde. Katar hatte Spieler aus der ganzen Welt eingebürgert, um eine starke Heimmannschaft aufbieten zu können.
Das Handballstadion wirkt unbenützt, es wird wohl dem Verfall preisgegeben.
Daneben wurde seit dem letzten Jahr ein riesiger Asphaltparkplatz angelegt. Hier sollen wohl die Jogger und Radfahrer parken, die jetzt am Mittwoch immer um den Losail Circuit laufen und radeln.
Jedes Jahr findet in Katar ein grosser Sportevent statt, 2016 ist die Profi-Strassen-WM der Rennradfahrer an der Reihe, 2022 dann die Fussball-WM.
Hoffentlich werden die ganzen Baustellen bis dahin fertig, denn momentan erblickt man in Doha mehr Baukräne als Hochhäuser und mehr Umleitungen als Strassen, manchmal kommt der Verkehr völlig zum Erliegen. Nur während des Freitaggebets sind die Strassen menschenleer.
Es gibt wohl auf der ganzen Welt kein Land mit einer höheren Porsche-Cayenne und Bentley-Dichte und keine Stadt mit mehr V8-Boliden als in Doha.
Kein Wunder: Ein Liter Sprit kostet rund 29 Euro-Cent.
Da spielt es auch keine Rolle, wenn sich der Tankwart bei der Frage nach einer Quittung auf seinen Roller schwingt – und auch nach 15 Minuten noch nicht zurück ist. Er wollte sie in irgendeinem Büro abholen.
Im Stadtgebiet gilt meistens Tempo 80, gefahren wird mit 120 km/h, sofern es der Verkehr erlaubt, vor den von weitem sichtbaren Radarfallen wird kurz heftig abgebremst.
Die Energieverschwendung in Katar, das vom Erdöl und vom Flüssiggas und inzwischen auch etwas vom Tourismus lebt, hat unbeschreibliche Ausmasse angenommen.
Das Flutlicht an der Rennstrecke wird vier oder fünf Tage nicht abgeschaltet, da spielt es auch keine Rolle, wenn die Strassenlaternen meist den ganzen Tag leuchten und auch jede 70 Meter lange Unterführung den ganzen Tag lang hell erleuchtet wird.
Trotzdem: Der Katar-GP hat seinen Reiz
Man fliegt von Mitteleuropa in sechs Stunden nach Doha, man erlebt um diese Jahreszeit ein angenehmes Klima (bis 25 Grad), die Hotels sind alle nagelneu, der pompöse neue Hamad International Airport stellt jeden anderen Flughafen in punkto Grosszügigkeit in den Schatten.
Und an den Nacht-GP kann man sich gewöhnen: Man kommt zwar erst um 2 oder 3 Uhr ins Bett, aber man muss ja auch nicht gleich um 8 Uhr wieder an der Strecke sein. Die Trainings begannen meistens um ca. 18 Uhr Ortszeit, da liegt für die Sonnenanbeter auch mal eine Stunde am Swimming Pool drin.