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Tom Lüthi: Der mühsame Weg in die MotoGP-WM

Von Günther Wiesinger
Jedes Jahr musste Tom Lüthi mitansehen, wie seine – meist jüngeren – Gegner in die Königsklasse aufstiegen. Aber der Schweizer ließ sich nicht unterkriegen – und holt das Versäumte jetzt nach.

Bei der Dutch-TT in Assen 2016 haderte Tom Lüthi öffentlich mit seinem Schicksal. Denn alle seine Gegner kamen in die MotoGP-WM, nur er nicht.

Damals war der MotoGP-Aufstieg von Zarco, Rins, Folger und Lowes für die Saison 2017 bereits besiegelt.

Tom schrieb es dem Jugendwahn zu und dem kleinen Schweizer Motorradmarkt und der Unwichtigkeit der kleinen Schweiz für die internationalen Sponsoren und die gesamte Industrie sowie für den TV-Markt.

Aber es lag auch an der Erfolgsbilanz des Schweizers.

Tom war in der Mittelgewichtsklasse seit 2007 nie ein Titelanwärter gewesen, wie die WM-Ränge 8, 11, 7, 4, 5, 4, 6, 4 und 5 beweisen.

2014 hat ihn ein verhängnisvoller Teststurz im Februar zurückgeworfen, sein Arm wurde damals in der Schwinge eingeklemmt, der rechte Oberarm war extrem kompliziert gebrochen, sogar die Fortsetzung der Karriere war gefährdet.

Aber 2016 begann die Erfolgsserie von Tom Lüthi. Er gewann im Vorjahr die Rennen in Silverstone, Motegi und Phillip Island, er eroberte Platz 2 in Valencia und machte Alex Rins im WM-Finish noch den zweiten WM-Rang abspenstig. Und 2017 glänzte er bisher mit neun Podestplätzen in elf Rennen.

Mit einem Wort: Lüthi lamentierte nicht mehr, er gab die Antwort auf der Rennstrecke.

Er räumte im Winter ein, er lasse sich nicht mehr von Nebensächlichkeiten ablenken und konzentriere sich auf das Wesentliche; er sorgte für bessere Teamstrukturen und beseitigte alle Schwachstellen.

Dazu wurde er im Herbst 2016 seinen Teamkollegen Domi Aegerter los, der ursprünglich im Schweizer Team von Olivier Métraux jahrelang die klare Nummer 1 war und vom Schweizer Unternehmer schon seit dem 125-ccm-GP-Debüt 2006 in der WM unterstützt wurde.

2017 drehte sich im Schweizer CarXpert-Garage-Plus-Interwetten-Team erstmals alles um Tom Lüthi; Raffin und Lecuona spielten Nebenrollen.

Dazu fand Tom Lüthi ein immer besseres Einvernehmen mit dem französischen Crew-Chief Gilles Bigot, den er nach der Saison 2015 von Domi Aegerter übernommen hat, als er sich von Alfred Willeke trennte.

Tom Lüthi und MotoGP: Es wurde eine Geduldsprobe

Jahrelang musste Tom Lüthi mitansehen, wie ein Moto2-Gegner nach dem anderen in die «premier class» übersiedelte. Er wurde von den MotoGP-Teamchefs nicht ausreichend beachtet.

«Tom hat in der mittleren Klasse in acht Jahren nur vier Siege errungen», gab Tech3-Yamaha-Teamchef Hervé Poncharal im Sommer 2014 zu verstehen, als er neue, junge MotoGP-Talente suchte.

Zwei Jahre später nahm Poncharal Johan Zarco: Der ist fast fünf Jahre jünger als Tom und gewann in zwei Moto2-Jahren 15 Rennen.
Jonas Folger war in seinen drei Moto2-WM-Jahren in der Gesamtwertung als 15., 6. und 7. nie vor Lüthi klassiert, er hat erst fünf GP-Siege auf dem Konto, aber er bekam einen Tech3-Vertrag für 2017.

Nicht zuletzt weil er rund 7 Jahre jünger ist als der Schweizer – und sich dann auf der M1-Yamaha glänzend bewährte.

Tom Lüthi ist in der 125er und 250er-WM schon gegen Casey Stoner und Andrea Dovizioso gefahren, die viel schneller den Durchmarsch in die MotoGP schafften.

«Dovi» gewann die 125er-WM 2004 auf Honda, Lüthi 2005. Aber der Italiener kam bereits 2008 in die MotoGP-Klasse bei Scot-Honda, Lüthi schafft es erst mit zehn Jahren Verspätung.

Auch Fahrer wie Elias, Redding, Abraham, Bradl, Márquez, Iannone, Smith, Aleix und Pol Espargaró, Kallio, Zarco, Folger, Dovizioso, Viñales, Rins und Sam Lowes gesellten sich zur MotoGP-Elite.

Bradley Smith und Aleix Espargaró schafften sogar ohne 250 ccm/Moto2-Sieg den Sprung in ein MotoGP-Werksteam – bei KTM beziehungsweise bei Suzuki und Aprilia! Bei Lüthi herrschte nach 14 GP-Siegen noch Ungewissheit, die Teamchefs hegten Zweifel.

Für Moto2-WM-Leader Franco Morbidelli war für nächste Saison in diesem Jahr der Weg früh vorgezeichnet. Marc VDS wandelte seinen Vertrag von der Moto2 im Frühjahr für MotoGP um, auch Teams wie Aprilia, Pramac-Ducati und LCR-Honda waren hinter ihm her. Kein Wunder: Er ist neun Jahre jünger als der Schweizer Tom Lüthi.

Tom Lüthi: Schweirige Phase in der 250er-WM

Tom Lüthi wurde 2002 von seinem heutigen Manager Daniel M. Epp in die 125er-WM gebracht. Der Basler Epp betrieb damals in Prag den Autoersatzteilhandel Elit, er bediente die Märkte in Tschechien, in Ungarn, in der Slowakei, in der Ukraine und in Polen.

Im Laufe der langen GP-Karriere, die jetzt mehr als 15 Jahre andauert, passierten auch ein paar Fehler, wie Tom Lüthi einmal resümierte.

Heute meint Tom, es wäre nach dem Aufstieg in die 250er-WM wohl besser gewesen, bei Honda zu bleiben, dann wäre der Kontakt zu den Japanern nicht abgerissen, er hätte Sepp Schlögl als Chefmechaniker behalten können. Im Aprilia-RSA-250-Team mit Crew-Chief Mauro Noccioli erlebte Tom bittere und enttäuschende Zeiten und Rennen.

Dani Epp betrieb mit Sponsoren wie Elit, Emmi Caffè Latte und Interwetten die 250er und Moto2-Teams für Tom. Für die Saison 2010 gründete Epp ein neues MotoGP-Honda-Team, Interwetten stieg als Sponsor ein, Tom Lüthi galt als logischer Fahrerkandidat.

Doch der Ex-Weltmeister schlitterte in ein Tief, wurde nur 250-ccm-WM-Siebter – deshalb setzte Honda schließlich den japanischen 250-ccm-Weltmeister Hiroshi Aoyama auf dieses Motorrad. Ein heftiger Schlag ins Gesicht für Tom Lüthi, der damals in zwei Jahren nur einen Podestplätze schaffte und die WM-Ränge 11 (2008) und 7 (2009) einfuhr.

«Wir haben schließlich das ganze MotoGP-Projekt nach einem Jahr wieder aufgegeben. Es hat damals sowieso immer eine Million im Budget gefehlt», erinnert sich Epp. «Tom war verunsichert und zu diesem Zeitpunkt nicht gut genug. Es hätte keinen Sinn gemacht.»

Tom Lüthi fühlte sich dann in der Moto2-WM 2010 wohler, er fuhr im ersten Jahr eine Moriwaki, dann 2011 bis 2014 eine Suter. Das Team setzte auf «Swissness», aber spätestens 2013 waren die deutschen Kalex-Maschinen überlegen, Lüthi stieg erst für 2015 um – zwei Jahre zu spät, wie manche Teammitglieder meinten.

Mit Kalex und Gilles Bigot kam der Erfolg zurück, auch die Beständigkeit, die jahrelang fehlte.

Da bei Marc VDS Honda der Spanier Ramon Aurín weggeht, er arbeitete 2015 und 2016 als Crew-Chief für Dani Pedrosa und 2017 als HRC-Angestellter für Jack Miller, kann Lüthi aller Voraussicht nach Gilles Bigot zu Marc VDS Honda mitbringen. Der bisherige Rabat-Crew-Chief Diego Gubellini wird dann für seinen Landsmann Franco Morbidelli arbeiten.

Die MotoGP-WM und Honda sind für Gilles Bigot kein unbekanntes Terrain: Er hat 1999 mit Alex Crivillé im Repsol-Honda-Werksteam die 500-ccm-Weltmeisterschaft gewonnen.

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