Bradley Smith nach Zitterpartie: «Kallio pushte mich»
Bradley Smith beim Aragón-GP mit Pit Beirer
Red Bull-KTM-Werkspilot Bradley Smith wurde in dieser Saison bei zwei (Spielberg, Aragón) von drei MotoGP-Rennen von Testfahrer Mika Kallio besiegt.
Schon nach dem Österreich-GP wurden im KTM-Team Spekulationen genährt, der 34-jährige Finne könne den Briten für 2018 als Stammfahrer ersetzen.
«Wir brechen keine Verträge, aber wir denken über einen Tausch der Fahrer nach», erklärte KTM-Firmenchef Stefan Pierer auf dem Red Bull-Ring. Er kündigte an, vor der Übersee-Tournee werde eine Entscheidung getroffen.
Auch wenn es jetzt heruntergespielt wird: Über das Thema Smith-Zukunft wurde bei KTM wochenlang heftig und kontrovers diskutiert. Die Vertrag wurde mehrmals interpretiert, und es zeichnete sich ab, dass Smith's Managementfirma Wassermann Group bei einer Entlassung als Stammfahrer vor Gericht ziehen würde. Es drohten Strafen wegen Vertragsbruch, Rufschädigung und eventuell eine Klage auf künftige Verdienstausfälle.
Beirer: Mit Smith Klartext geredet
«Wir haben zwar Bradley in den letzten Wochen sehr deutlich gesagt, dass wir uns von einem Werksfahrer bessere Leistungen erwarten», erklärte KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer beim Österreich-GP gegenüber SPEEDWEEK.com. Er erwähnte aber auch: «Irgendetwas stimmt nicht zwischen Bradley und unserem Motorrad. Und wir haben den Anspruch, das Bike so hinzukriegen, dass er mindestens wieder so stark wird wie er in der MotoGP schon gewesen ist. Wir dürfen nicht vergessen, er war 2015 WM-Sechster und hat 2016 beim Mugello-GP als Siebter nur 13,3 Sekunden auf den Sieger verloren. Bradley hat eine schwierige Zeit hinter sich, durch die schlimme Knieverletzung von Oschersleben im Vorjahr, seit Juni hat er zwei Finger lädiert. Aber entweder stimmt etwas an seinem Fahrstil nicht oder es liegt an unserem Motorrad, dass er sich auf der KTM momentan nicht so wohlfühlt.»
Beirer hatte vor dem Österreich-GP das Gefühl, Bradley habe beim Montag-Test in Brünn erste Fortschritte gemacht hat und sich wieder seinem Wohlfühlbereich genähert. Aber am folgenden Wochenende am Freitag und Samstag in Spielberg inklusive FP3 war keine Steigerung zu beobachten; Smith lag beim wichtigen Heim-GP von KTM im FP1 zehn Plätze hinter Pol Espargaró.
Beier weiter: «Wir haben mit Bradleys Crew-Chief Tom Jojic besprochen, dass es nichts bringt, wenn wir ein Detail an der Schwinge oder sonstwo ändern, solange Bradley teilweise zwei Sekunden langsamer ist als Pol Espargaró. Wir brauchen einen größeren Durchbruch...»
Nach dem Österreich-GP bekam Smith mit Esteban Garcia den bisherigen Crew-Chief von Kallio. Der finnische Testfahrer arbeitet jetzt mit Chassis-Designer Xavier Soldevila zusammen. Dieses beherzte Manöver zeigte: KTM wollte Smith unbedingt bestmöglich unterstützen.
Beirer damals: «Wir haben den Anspruch, dass wir Verträge einhalten. Wir sind überzeugt, dass Bradley das Motorradfahren nicht komplett verlernt hat. Er war 2017 schon oft sehr dicht an den Zeiten von Pol dran, auch wenn er meistens zwei Tage länger dazu gebraucht hat. Also stimmt irgendetwas in der Harmonie zwischen Fahrer und Motorrad nicht. Wir sind uns bewusst: Wir beschäftigen uns in der MotoGP mit einem neuen Projekt. Vielleicht müssen wir bei der Entwicklung künftig behutsamer vorgehen. Wenn der Fahrer fünf Wünsche äußert, sollten wir künftig vielleicht nicht mehr so schnell wie möglich alle fünf Wünsche erfüllen, sondern in kleineren und bedächtigeren Schritten vorgehen und zuerst einmal eine stabile Basis erarbeiten. Wir hoffen, dass wir Bradley in absehbarer Zeit ein Motorrad hinstellen können, mit dem er sich wohler fühlt und das ihm mehr Vertrauen gibt. Aber es wäre halt schön, wenn neben Pol und Mika Kallio auch Bradley am Freitag und Samstag etwas zur Entwicklung beitragen würde. Wir haben mit beiden Piloten Zwei-Jahres-Verträge und stehen loyal zu ihnen. Wir haben uns letztes Jahr für Pol und Bradley entschieden. Und das möchten wir jetzt durchziehen.»
Anderseits war deutlich zu spüren, dass bei Stefan Pierer, Pit Beirer und Teammanager Mike Leitner die Geduld mit Smith nicht ewig andauert.
«Wir schätzen Bradley sehr. Er hat als erster MotoGP-Fahrer an unser Projekt geglaubt, als wir noch eine Black Box, ein völlig unbeschriebenes Blatt waren», erklärte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im August im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Das haben wir nicht vergessen. Aber wir wünschen uns eine Steigerung von ihm. Wir werden bis zu den Übersee-Rennen im Oktober entscheiden, mit welchem Fahrerduo wir für 2018 planen werden. Und eines möchte ich festhalten: Wir brechen keine Verträge. Wir werden unsere finanziellen Verpflichtungen für 2018 bei Bradley Smith in jeder Hinsicht erfüllen.»
Inzwischen wurde Bradley Smith vor dem Motegi-GP von KTM als Stammfahrer für 2018 neben Pol Espargaró bestätigt, Kallio bleibt Testfahrer und soll sechs Wildcard-Einsätze bestreiten.
Smith bedankte sich in Japan für das Vertrauen, indem er Pol Espargaró am Freitag im FP1 und FP2 knapp besiegte, ihm im Qualifying 1 als Zweiter dicht auf den Fersen blieb – und ihn im Q2 als Siebter um 0,034 Sekunden knapp besiegte. Eine starke Leistung, auch wenn im Rennen nur Platz 17 blieb; Espargaró wurde Elfter.
Smith scherte sich somit den siebten Startplatz, das beste Quali-Ergebnis für den KTM-Fahrer in diesem Jahr.
Hat der Engländer einfach länger gebraucht, um sich mit der ungewohnten KTM (Stahlrahmen, WP Suspension, Screamer-Motor bis zum Jerez-GP) anzufreunden? Oder steckte ihm die Oschersleben-Knieverletzung von 2016 zu lange in den Knochen? Lag es am Druck des Werksteams bei Red Bull und KTM? Waren seine eigenen Erwartungen und Ansprüche zu hoch? Brachte die personelle Änderung an der Crew-Chief Position den Umschwung?
Es könnte ein Zusammenspiel all dieser Faktoren sein. Außerdem, hatte Smith sein Potenzial auch vorher manchmal aufblitzen lassen.
Cal Crutchlow sagte kürzlich beim Aragón-GP, er habe erwartet, dass Bradley im ersten Jahr bei KTM langsamer sein würde als Pol, in der zweiten Saison des KTM-Projekts schätze er jedoch seinen Landsmann stärker ein als den Spanier.
Stimmt Bradley dieser Ansicht zu?
«Wenn ich eine Kristallkugel hätte, wäre das großartig», sagt der KTM-Fahrer. «Wenn ich meine Leistungen generell anschaue und auf die Vergangenheit schaue, dann ist das der Trend... Aber ich werde mich hüten, jetzt Prognosen für 2018 abzugeben. Klar ist, dass ich seit Saisonbeginn 2017 nicht dort gefahren bin, wo ich sein sollte. Aber ich spüre jetzt, dass sich das Blatt wendet, ich steigere mich. Das ist zumindest mein Eindruck. Ich würde gern beweisen, dass Cal Recht hat», sagt der 26-jährige KTM-Werkspilot.
Smith gab zu, dass er nach dem zehnten Platz von Kallio auf dem Red Bull Ring wochenlang viel Druck spürte. «Teamintern gab es nie ein anderes Programm als den Plan, dass ich auch 2018 Stammfahrer bin», versicherte Bradley in Japan. «Ich habe 2016 einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben, das war immer der Plan. Als meine Leistungen zu wünschen übrig ließen, spürte das Team noch mehr Motivation, mir zu helfen und meine Ergebnisse zu verbessern. Mika war immer als Testfahrer vorgesehen. Es war erstaunlich, welche Leistungen er gezeigt hat, er leistet erstaunliche Arbeit. Mika hat mich stark gepusht, ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht schneller fahren... Mike war also ein guter Referenzpunkt für mich. So etwas ist immer nützlich. Was Mika abseits von den Grands Prix bei den Tests geleistet hat ist fantastisch, und was er bei den Rennen geleistet hat, ist genau so fantastisch. Ich habe im Team nie den Eindruck gehabt, dass mein Job für 2018 in Gefahr ist. Ich glaube, das Team wurde aufgebauscht. Der Hauptanlass für diese Storys waren die Kommentare von KTM-Chef Pierer nach dem Österreich-GP. Er ist unser oberster Boss, er hat das Recht, seine Meinung zu äußern. Nach diesen Äußerungen sind alle aufmerksam geworden.»