Formel 1: «Dumme Regel half Verstappen»

Aprilia Racing: Die Enttäuschung des Jahres

Von Günther Wiesinger
Das MotoGP-Team von Aprilia heimste in der Saison 2017 nur 67 Punkte ein, im Jahr davor waren es mit Bautista/Bradl noch 145.

Das Aprilia Racing Team Gresini tauschte nach der Saison 2016 das Fahrerduo Bautista/Bradl gegen Aleix Espargaró und Sam Lowes aus.

Mit Platz 6 beim Katar-GP startete Aprilia-Werksteams furios in die Saison.

«Die RS-GP 17 ist ein ‚sunday bike’», stellte Aleix begeistert fest. «Wir sind in den Rennen sehr konkurrenzfähig.» Der Spanier war überzeugt, Honda, Yamaha und Ducati in allen Rennen ernsthaft herausfordern zu können.

Tatsächlich war das MotoGP-Motorrad in der zweiten Saison schlagkräftiger, der schwachbrüstige Motorleistung (245 PS im Frühjahr 2016) war mit einem Motor-Update begegnet worden. Darunter litt aber die Standfestigkeit…

So dauerte es unfassbare 13 Rennen, bis Aprilia dieses Ergebnis in Aragón wiederholen konnte. Es kamen Defekte, Frühstarts, Stürze und Verletzungen durchs Kartfahren dazwischen.

Und Bruchpilot Sam Lowes entpuppte sich ohnehin als Reinfall – wie erwartet. Er sammelte in 18 Rennen nur fünf Punkte.

Insgesamt war die Punkteausbeute von Aprilia enttäuschend. Aleix Esparpargó landete mit 62 WM-Punkten auf dem 15. WM-Rang, Lowes mit fünf Punkten an 25. Stelle – als schlechtester Stammfahrer. In der Konstrukteurs-WM wurden 64 Punkte gesammelt – sogar Neuling KTM war besser. Die erhoffte Steigerung gegenüber 2016 war mit freiem Auge nicht zu entdecken.

Álvaro Bautista sicherte sich im Vorjahr mit der unausgereiften Aprilia RS-GP 16 mit 82 Punkten den zwölften WM-Rang, Bradl kam mit 63 Punkten (er sammelte also 1 Punkt mehr als Aleix in der Saison 2017) auf den 16. WM-Rang. 2017 heimsten die zwei Aprilia-Werksfahrer total 67 Punkte ein, 2016 waren es immerhin 145! Bautista hat 2016 zehn Top-Ten-Plätze erobert, Bradl sechs, Aleix Espargaró in der Saison 2017 sieben.

Aprilia-Renndirektor Romano Albesiano beklagt sich gern über das bescheidene Rennbudget und blickt eifersüchtig auf KTM und deren Sponsor Red Bull.

Aber: Die KTM Group finanziert den Rennsport auch mit dem Verkauf von rund 240.000 Motorrädern und einem Gewinn von ca. 115 Millionen Euro im Jahr.

Aprilia hingegen macht seit Jahren keine Angaben mehr für die verkauften Stückzahlen. Man weiß nur: Die Piaggio Group verkauft mit den Marken Piaggio, Vespa, Moto Guzzi, Derbi, Gilera und Aprilia rund 500.000 Stück im Jahr, überwiegend natürlich Roller.
Die Verkaufszahlen von Aprilia, so vermuten Experten, bewegen sich im einstelligen Tausenderbereich.

Warum sich Aprilia trotz des kargen Budgets und der nicht gerade mitreißenden Absatzzahlen zwei Superbike-WM-Teams leistet, lässt sich vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt her schwer erklären.

Insider sagen: Piaggio-Group-CEO Roberto Colaninno will unbedingt beweisen, dass der Abgang von Renndirektor Gigi Dall’Igna vom Oktober 2013 keine Lücke gerissen hat. Aber Fakt ist: 53 der 54 WM-Titel von Aprilia wurden in der Ära Witteveen und Dall’Igna gewonnen.

Den 54. WM-Titel gewann Sylvain Guintoli 2014 mit jenem Aprilia RSV4-Motorrad, das Gigi Dall’Igna hinterlassen hatte.

Seither haben wir bei Aprilia so manche nicht nachvollziehbare Entscheidung erlebt. Der für 2016 angekündigte MotoGP-Einstieg wurde auf 2015 vorgezogen, man trat mit einem umgebauten Superbike an und musste jeden Punktegewinn wie einen Podestplatz bejubeln.

Jan Witteveen, ehemaliger Aprilia-Renndirektor, schüttelt den Kopf. «2015 konnte Aprilia für 2016 gar nichts lernen, weil 2016 neu die Einheits-Elektronik und die Michelin-Reifen kamen.»

Die Rennteilnahme verursachte aber dann eine um sechs Monate verspätete Fertigstellung des MotoGP-Prototyps für 2016. «Die ersten drei Saisonrennen müssen wir als Wintertests betrachten. Und bis wir die Margelli-ECU im Griff haben, wird die halbe Saison vergehen», kündigte Albesiano damals an.

Marco Melandri wurde gegen seinen Willen in die MotoGP-WM verfrachtet, er betrieb Arbeitsverweigerung und wurde im August durch Stefan Bradl ersetzt.

Kopfschütteln erntete Aprilia auch, als beim großen Spielberg-Test im Juli 2016 die Zeitnahme-Transponder abmontiert wurden, um gegen Neuling KTM keine Schmach zu erleiden.

Die Verpflichtung von Sam Lowes entpuppte sich ebenfalls nicht gerade als strategischer Geniestreich. Und der vor einem Jahr entlassene Bautista sammelte beim Aspar-Team mit einer 2016-Ducati in der vergangenen Saison 13 Punkte mehr ein als Aleix Espargaró.

Für 2018 wollte Aprilia neben Bautista Fahrer wie Crutchlow, Miller, Petrucci und Iannone engagieren, sie lehnten alle ab. Die Italiener mussten mit dem WM-Vierzehnten Scott Redding vorliebnehmen.

Im August 2017 erklärte Romano Albesiano, die Aprilia RS-GP 17 sei schlagkräftiger, als die Resultate widerspiegeln. Im Februar 2015 und Juli 2016 hatte er in Interviews festgestellt: «Unser Motorrad hat keine Schwachstellen.»

Das haben wir bei Honda, Yamaha und Ducati in den letzten Jahren nie gehört, bei Suzuki und KTM übrigens auch nicht.

Das Joint Venture zwischen Teambesitzer Fausto Gresini, dem die zwei Teamplätze gehören, und Aprilia endet nach der Saison 2018.
Als einziges Werk verfügt Aprilia über keine eigenen Startplätze. Der Druck durch den ungeduldigen Roberto Colaninno (74) wird nicht geringer.

Er will endlich Lichtblicke beim Fight gegen den ewigen Erzrivalen Ducati sehen.

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