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Moto-e World Cup: Das Schweigen der Ampere

Kolumne von Michael Scott
Wie werden die GP-Zuschauer den Moto-e-World-Cup 2019 beurteilen? Wen interessiert es, wenn Bikes mit 230 km/h lautlos vorbeisurren?

«Crossroads». Ein klassischer Blues-Song von Robert Johnson aus den 1930er-Jahren. In dem Lied geht es darum, wie der Sänger seine Seele an den Teufel verkauft, damit er im Austausch ein außergewöhnliches Talent für das Gitarrenspiel erhält.

Der Scheideweg in der MotoGP sieht ein wenig anders aus. Aber die gemeinsame Frage ist: Wer hat seine Seele verkauft?

Ist es die flüsternde Brigade an politisch korrekter Fehlinformation, die elektrische Vehikel umgibt? Oder ist es der Rest von uns, mit unseren infernalen Verbrennungsmotoren?

Der Scheideweg zeichnet sich seit gewisser Zeit ab. Vor allem seit der Neuigkeit von WM-Promoter Dorna aus dem letzten Jahr, als sie ankündigten, 2019 eine Rennserie für elektrische Motorräder zu etablieren.

Moto-e Wold Cup – so soll sie heißen.

Inzwischen wurden weitere Informationen dazu bekannt. Nämlich welches Motorrad dafür benutzt werden sollte. Es hat die Basis der italienischen Energica Ego, ein 145 PS starkes und bis zu 230 km/h schnelles Straßenmotorrad.

In dieser neuen Serie kommen nicht nur dieselben Motoren (das kennen wir aus der Moto2-WM), sondern auch völlig identische Rolling-Chassis zum Einsatz, es ist handelt sich also um einen Marken-Cup. 18 Teilnehmer sollen im FIM Moto-e World Cup mitfahren; die Serie beinhaltet fünf Rennen, alle in Europa.

Wer wird mitfahren? Da gibt es einigen Druck: Die Dorna und die FIM setzen diese Formel durch, es werden auch GP-Teams zum Mitmachen überredet. Jedes der sieben privaten MotoGP-Teams (LCR, Marc VDS, Tech3, Gresini, Pramac, Avintia und Nieto-Team) soll zum Einsatz von zwei Fahrern zwangsverpflichtet werden, Avintia hat schon zugesagt. Dazu sollen vier Moto3- und Moto2-Teams je einen Fahrer beisteuern.

Bei den Piloten wird man Fahrer wie den arbeitslosen Alex De Angelis am Start sehen.

Es ist schwer vorstellbar, dass beispielsweise HRC Márquez und Pedrosa dazu drängen würde, die E-Bikes auszuprobieren. Die teuren Stars sollen sich lieber auf die MotoGP konzentrieren.

Obwohl es einst normal war, in verschiedenen Klassen zu fahren. Das letzte Mal schaffte es 1985 Freddie Spencer auf der Honda die 500-ccm- und die 250-ccm-Krone zu gewinnen.

Es wird sich herausstellen, ob die elektrischen Motorräder eher als Trainingsbikes vom Nachwuchs benutzt werden oder von Fahrern, die aus ihren WM-Klassen absteigen und im Abendrot ihrer Karriere stehen.

Das sind aber nur Details. Im momentanen Weltklimawandel und mit dem rasanten Anstieg an elektrischen Fahrzeugen, egal ob auf zwei oder vier Rädern und egal, ob auf der Straße oder der Rennstrecke – ist es schwierig, den Organisatoren nicht zu diesem zukunftsorientierten Plan zu applaudieren.

Noch stärker allerdings ist die Traurigkeit und das sichere Wissen, dass sich der Rennsport unwiderruflich verändern wird.

Zukunftsorientiert zu sein ist sehr gut, aber es hängt sehr davon ab, was dabei auf uns zukommt und was über dem Horizont schwebt.

Was missfällt uns also an diesem Elektro-Motorrad-Sport?

Das Einzige, was wirklich fehlen wird, ist der Sound. Und alles, was mit der Treibstoffverbrennung zu tun hat: Die Ventile und der Geruch, das Scheppern und das Pfeifen, Jahrzehnte technischen Interesses und der Weiterentwicklung, die nachvollziehbar war.

Dann gibt es da noch den Zukunftsplan der Dorna, der weithergeholt scheint, wobei sie auf den Rennstrecken «Charging Stations» aufbauen wollen, die mit Solarenergie aufgeladen werden. Mit dieser gesammelten Energie sollen die E-Motorräder betrieben werden.

Wer will sich solche Stationen anschauen?

Oder noch genauer: Welcher Motorsportfan will elektrische Motorräder bewundern, die leise vorbeisurren?

Das Feedback bisher ist nicht sehr aufmunternd. Fans überlegen sich Methoden, wie man Geräusche aus den Bikes herauslocken kann. Sollte man vielleicht Pappe zwischen die Speichen legen, um Sound zu erzeugen, wie wir das als Kinder mit unseren Fahrrädern gemacht haben?

Loris Capirossi, der viel mit E-Bikes getestet hat, schwärmt darüber, wie unterhaltsam es ist, wenn du in der Kurve deinen Knieschoner am Asphalt entlangschleifen hörst. Er fügt hinzu, dass man das zusätzliche Gewicht am Motorrad kaum spürt. Aber der ehemalige Rebell arbeitet heutzutage auch für die Dorna und wird dafür bezahlt, dass er schwärmt. Und der Moto-e-Seriensponsor ENEL (italienischer Energieversorger) wirbt auf seinem Lederkombi.

Die elektrische «TT Zero Series» auf der Insel Man entpuppte sich als sehr enttäuschend; auch die Reaktion der Fans blieb überschaubar: Bei der Formula E-Series auf vier Rädern (die auch einen Stopp mitten im Rennen beinhaltet, bei dem eine neue, aufgeladene Batterie eingesetzt wird) war es dasselbe.

Ein Zeitungsartikel von 2016 im respektablen amerikanischen «Road & Track» beschreibt Folgendes: «Formula E ist ein langweiliges Chaos. Es gibt keine Spannung und keine fesselnden Sounds. Es wird sich als Desaster herausstellen.»

Des Weiteren wurde in der Zeitung geschrieben, dass diese Rennserie mittlerweile viel wichtiger für die Industrie sei als der althergebrachte benzin-betriebene Rennsport. Dasselbe gilt für die Zweiräder.

Die identischen Motorräder der Dorna können vielleicht die lähmende Eintönigkeit von «TT Zero» umgehen, da es Einheits-Motorräder sein werden und sie zumindest gleichwertig und standfest sein sollten.

Aber man muss sehr zukunftsorientiert und stark vom Umweltschutzgedanken beseelt sein, wenn man das Gefühl der Vernichtung nicht zu verspüren vermag.

Und das Gefühl der Hilflosigkeit.

Es war eine Sache, dem Ende der Zweitakt-GP-Raketen nach dem Jahrhundertwechsel hinterher zu weinen.

Das völlig Ende des Geschreis und des Lärms, des Knallens und Schepperns und der ins Mark gehenden Kolbengeräusche ist noch einmal etwas anderes.

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