Hervé Poncharal (Tech3): KTM-Deal wird bald besiegelt
Hervé Poncharal
Am 26. Dezember 2017 überraschte SPEEDWEEK.com die Leser mit der Schlagzeile: Hervé Poncharal (Tech3): Ein Wechsel zu KTM denkbar?
Es ging damals um einen Vorausblick auf die MotoGP-Saison 2019 und um die Gefahr, dass Valentino Rossi ein MotoGP-Yamaha-Team für 2019 einsetzen würde.
Der Tech3-Rennstall ist zwar in diesem Jahr in der 20. Saison mit Yamaha verbündet, aber aufmerksamen Beobachtern ist aufgefallen, dass in diesem Bündnis Risse entstanden waren, auch wenn Teambesitzer Hervé Poncharal in der Öffentlichkeit nie ein Wort darüber verlor.
Natürlich wünschte er sich eine engere Zusammenarbeit mit dem Werk – wie es Ducati mit Pramac macht und Honda mit LCR.
Pramac erhielt schon im Vorjahr eine dritte 2017-Werksmaschine von Ducati, die Italiener hatten die Fahrergagen von Iannone und Petrucci bezahlt und haben jetzt auch die Gage von Jack Miller übernommen. Und «Petrux» fährt auch 2018 mit identischem Material wie das Ducati-Werksteam mit Dovizioso und Lorenzo.
HRC hat bei LCR-Honda drei Jahre lang verbilligtes Material für Stefan Bradl geliefert, dann für Miller 2016, jetzt kommen Crutchlow und Nakagami in den Genuss eines HRC-Vertrags.
LCR-Teambesitzer Lucio Cecchinello erspart sich also die Fahrergehälter und kann mit Rabatten bei den Leasinggebühren rechnen. Und Crutchlow bekam eine 2018-Werks-Honda – wie das Repsol-Team.
Yamaha hingegen hat Tech3-Rennstall immer Vorjahresmaschinen geliefert und in all den Jahren nur bei Moto2-Weltmeister Pol Espargaró die Gage übernommen.
Es liegt auf der Hand, dass sich Tech3 und Johann Zarco für 2018 eine bessere Unterstützung erwartet haben, nach dem sechsten WM-Rang, den drei famosen Podestplätzen im Vorjahr sowie dem Gewinn des Rookie-of-the-Year-Awards.
Seit dem Sepang-Test Ende Januar hat sich Poncharal mit Yamaha-Projektleiter Kouichi Tsuji über einen neuen MotoGP-Vertrag für 2019 und 2020 unterhalten. Offenbar nahmen diese Gespräche keinen vielversprechenden Verlauf, deshalb hat Poncharal jetzt die Zusammenarbeit mit Yamaha per Saisonende gekündigt.
Wer den Franzosen kennt, der kann sich ausmalen, dass in den nächsten Monaten trotzdem keine Schmutzwäsche gewaschen wird.
Aber man muss kein Prophet sein um zu erkennen, in welche Richtung die Tech3-Reise geht. Nämlich zu KTM.
Pierer: KTM liefert 2019 echtes Werksmaterial
Denn bei KTM wird Poncharal alles vorfinden, was ihm bei Yamaha in der Königsklasse verwehrt geblieben ist – die enge Zusammenarbeit mit einem Werk. Denn KTM will das Kundenteam nächstes Jahr mit echten 2019-Werksmaschinen ausstatten.
«Wir werden 2019 ein MotoGP-Satellitenteam beliefern. Mir schwebt vor, dass dieses Team mit identischem Material wie das Werksteam beliefert wird, nicht mit Vorjahresmaschinen. Wir möchten das Kundenteam 2019 wie ein Junior-Team betreiben. Wir könnten dort die Fahrer aus der Moto2 raufholen und sie Erfahrung sammeln lassen, Oliveira und Binder. So ist das gedacht. Jeder Moto2-Fahrer braucht das eine oder andere Jahr, um MotoGP-Erfahrung zu sammeln», erklärte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im November im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com.
Schon damals war klar, dass Tech3-Yamaha als neuer MotoGP-Partner in der Pole-Position stehen würde, obwohl auch Marc VDS Racing Interesse zeigte.
«Wir werden dem MotoGP-Satellitenteam Werksmaterial liefern und möchten auch Techniker von uns bereitstellen. Denn nur so kriegen wir den gewünschten Input fürs Werk. In diesem Bereich werden wir das Team sicher unterstützen, das ist kein Thema», versicherte Pierer.
Hervé Poncharal hat aus seiner Bewunderung für die Unternehmen KTM und Red Bull nie ein Hehl gemacht. «Ich habe schon mehrmals erwähnt: Ich habe eine Menge Respekt vor Herrn Pierer. Ich liebe Entrepreneurs, Unternehmer mit Visionen. Ich ziehe den Hut vor Menschen wie Herrn Mateschitz und Herrn Pierer. Chapeau! Unglaublich», ließ sich der Franzose vor ein paar Wochen entlocken. Und er fügte anerkennend an: «Was KTM 2017 auf der Piste gezeigt hat, war großartig.»
Poncharal und Mateschitz haben einander im Januar 2017 in Kitzbühel getroffen, als der Franzose dem Red-Bull-Chef die Trophäe für den besten Grand Prix 2017 (Spielberg) übergab – in seiner Eigenschaft als Präsident der Teamvereinigung IRTA.
Da auch der Monster-Vertrag Ende 2018 ausläuft, wäre sogar ein Wechsel des Hauptsponsors vorstellbar.
Stefan Pierer betont, der kampfstarke Pol Espargaró sei auch 2019 im Red Bull-KTM-Werksteam gesetzt. «Wer 2018 bei KTM Moto2-Weltmeister wird, soll für uns 2019 die MotoGP-WM bestreiten», verriet Pierer. «Das kann aber auch für das Satellitenteam sein.»
Pierer macht kein Geheimnis daraus, dass sein Wunschpartner von Pol Espargaró für das Red Bull-MotoGP-Werksteam 2019 Johann Zarco ist – also der aktuelle Poncharal-Schützling.
«Ich wollte mir zuerst anhören, was Yamaha anbieten kann und wie sie den neuen Deal mit uns sehen wollten», sagt Poncharal. «Jetzt werden wir unsere Augen und Ohren aufsperren, um zu erfahren, was sonst noch in der Welt los ist. Natürlich muss man sich Optionen offenhalten. Wenn man eine Zusammenarbeit mit einem Partner beginnen will, muss das Interesse auf Gegenseitigkeit beruhen. Wenn du morgen die Miss World heiraten willst und deine Avancen nicht auf Gegenliebe stoßen, wird nichts daraus…»
Ein handfestes Dementi seiner künftigen Zusammenarbeit mit KTM liefert Hervé Poncharal nicht. «Ich kann die Frage nach dem Material für die MotoGP-2019 vorläufig nicht beantworten», erklärte Poncharal heute gegenüber SPEDWEEK.com.
Übrigens: Poncharal hat nach der Saison 2016 schon beide MotoGP-Fahrer (Pol Espargaró und Bradley Smith) an KTM ausgeliefert.
Außerdem verfügt das Tech3-Team über einen Aktivposten, an dem auch KTM-Chef Stefan Pierer Gefallen gefunden hat – Johann Zarco. «Ja, aber ich bin nicht im Besitz von Johann Zarco», bedauert Poncharal. «Sein Vertrag mit mir läuft nach der Saison 2018 aus. Im Moment weiß ich noch nicht, was ich Johann Zarco für 2018 anbieten kann.»
Vielleicht wird der Vertrag zwischen KTM und Tech3 bereits bei der Red-Bull-Teampräsentation am 12. März in Salzburg verlautbart.
Denn KTM hat sich bei der Dorna vertraglich verpflichtet, 2019 ein MotoGP-Kundenteam zu beliefern, wenn eine entsprechende Nachfrage besteht. KTM kann Material zu Vorzugspreisen liefern und mit Binder und Oliveira vielleicht gleich zwei MotoGP-Rookies, an deren Fortkommen auch Red Bull Interesse hat.
Kommt Zarco zu KTM?
Poncharal wundert sich wie viele andere, warum Zarco von Yamaha keinen Werksvertrag erhalten hat. Nur so hätte man den Moto2-Weltmeister von 2015 und 2016 langfristig bei der Stange halten können. Aber Yamaha-Rennchef Tsuji konnte dieser Idee nichts abgewinnen.
Durchaus möglich, dass Zarco deshalb an seine Ursprünge zurückkehrt. Er war 2007 der erste Gesamtsieger des Red Bull Rookies-Cups (auf KTM). Und er kennt auch die zum KTM-Konzern gehörende WP Suspension – mit ihr gewann er 2015 und 2016 nicht weniger als 15 Moto2-GP-Rennen.
Warum kommt Marc VDS trotz des gesicherten Budgets nicht als KTM-Partner in Frage? Die Belgier sind vergrämt, weil es trotz mehrfacher Anfrage nicht mit der Lieferung von Moto2-Maschinen geklappt hat. Und es haben zwischen Marc VDS und KTM keine Gespräche über MotoGP stattgefunden.
Natürlich lässt sich Pit Beirer, Motorsport Director von KTM, keine Bestätigung des Deals mit Tech3-Team entlocken. Er schmunzelte nur vielsagend: «Ich spreche kein Französisch.»
Ein entspannter Hervé Poncharal entgegnete heute fröhlich lächelnd und fast akzentfrei: «Aber isch spresche Deutsch…»