Valentino Rossi: Liegt die Antwort in Borgo Panigale?
Valentino Rossi: Die gute Laune ist ihm vergangen
Wenn es stimmt, was Valentino Rossi befürchtet und die M1 wirklich von Elektronikproblemen eingebremst wird, dann müsste sich Yamaha einmal in der Ducati-Heimat umsehen.
Valentino Rossi beklagte sich nach dem zwölften Gesamtrang bei den Tests in Buriram/Thailand über Elektronikprobleme. Der neunfache Weltmeister ist überzeugt, dass sich die anderen Hersteller (vor allem Honda und Ducati) in diesem Bereich Vorteile erwirtschaftet haben.
«Honda und Ducati verstehen bei der ECU etwas, was unsere Ingenieure noch nicht kapiert haben», meint der Italiener. «Trotzdem hoffe ich, wir können uns möglichst bald steigern. Denn im Moment leiden wir. Zu diesem Zeitpunkt sind uns alle Ducati in der Beschleunigung überlegen, weil sie bei der Elektronik uns gegenüber deutlich im Vorteil sind. Seit wir für 2016 auf die Einheits-Elektronik von Magneti Marelli umgestiegen sind, haben wir Probleme. Das ist für uns schwierig zu verstehen. Das Positive daran ist, dass die ECU rascher in den Griff zu kriegen ist als ein Motor, ein Chassis oder eine Schwinge. Du musst nur den Algorithmus ändern, das kann schnell gehen. Trotzdem mache ich mir Sorgen, weil wir noch nicht wissen, wie wir das Problem lösen können. Ich bin nicht mehr zuversichtlich, dass es uns vor den ersten Rennen gelingen wird.»
Rossi klingt sorgenvoll, und er hat gewiss allen Grund dazu, denn die Ränge 12 in Buriram und 9 in Sepang haben ihm Kopfzerbrechen gemacht.
Und er weiß: Gemeinsam mit den Reifen ist die Motorsteuerung ein wichtiges Kapitel, ein Eckpfeiler des Erfolgs für jede GP-Maschine.
Und während sich an den Einheitsreifen nichts ändern lässt, lässt sich das Motormanagement stark beeinflussen, auch wenn die Software für alle Hersteller einheitlich ist.
Die Situation von Yamaha ist nicht neu für einen japanischen Hersteller.
Honda erging es zu Beginn der Einheits-ECU im Winter 2016 ähnlich.
Unzählige Berichte sind damals über die Planlosigkeit der japanischen Elektronik-Ingenieure geschrieben worden. HRC schaffte es lange nicht, die italienische Magneti Marelli-Software für die Honda RC213V zu optimieren.
Was Rossi in Buriram von sich gab, hörten wir im Winter 2016 dauernd von Márquez und Pedrosa. Honda litt damals ähnlich unter der Einheits-ECU wie heute Yamaha.
Wer erinnert sich noch, auf welche Weise HRC die Probleme gelöst hat?
2016 kamen die Michelin-Reifen neu ins Spiel, dazu die einheitliche Motorsteuerung, dazu brachte Honda einen neuen 1000-ccm-V4-Motor mit gegenläufiger Kurbelwelle – die HRC-Techniker sahen sich mit einer Mammutaufgabe konfrontiert.
Trotzdem gewann Marc Márquez die Weltmeisterschaft – wie auch 2017. Seine überragende Fahrkunst bügelte so manche Schwäche des Bikes aus.
Es gab aber auch einen geheimen Faktor. Dieser Name ist noch nicht oft erwähnt worden – es handelt sich um Filippo Tosi.
Es ist überraschend, wenn ein Nicht-Japaner bei Honda zu den Technikern auf dem höchsten Level gerechnet wird. So etwas ist keine Alltäglichkeit. Das kommt ganz selten vor.
Denn es widerspricht völlig der Honda-Philosophie, die alle technischen Lösungen «in-house» in Japan finden möchte – mit der Hilfe japanischer Ingenieure.
Aber in diesem Fall wurde eine Ausnahme gemacht. Filippo Tosi, der das Repsol-Honda-Team vor einem Jahr verstärkte, kam als rettender Feuerwehrmann zu HRC. Er sollte den Honda-Ingenieuren helfen, bei der Entwicklung der Elektronik eine zeitliche Abkürzung zu finden.
Bis dahin kamen sich die HRC-Elektroniker beim Programmieren der Marelli-Software vor, als müssten sie Hieroglyphen entziffern.
Repsol-Honda strauchelte deshalb 2016 beim ersten Sepang-Test mit beiden Piloten gewaltig. Die Japaner hatten sich zwei Jahre lang in der Open-Class zu wenig um diese Motorensteuerung gekümmert.
Vor der Einführung der Einheits-ECU hatte Honda in der MotoGP-Klasse die ausgeklügeltste Software im Paddock.
Deshalb hatte die Open-Class-Teams von Honda auch so viel Mühe mit dieser einheitlichen Motorsteuerung, während sich Ducati vergleichsweise rasch umstellte – Ducati hat immer schon Magneti Marelli verwendet.
Es ist ähnlich wie bei einem PC oder einem Mac. Beide Rechnertypen können dieselben Dinge erledigen, aber es führen ganz unterschiedliche Wege zu Ziel.
Ähnlich verhielt es sich mit der Magneti-Marelli-Software. Die Honda-Ingenieure fanden sich im Dschungel zurecht, aber irgendwann wurde eine Abkürzung gewünscht.
Bei dieser Abkürzung kam Filippo Tosi ins Spiel. Als ehemaliger Ducati-Ingenieur und Magneti Marelli-Techniker wurde er von Honda engagiert, und dank seiner Kenntnisse über die Einheits-ECU gelang Honda in kurzer Zeit eine spürbare Verbesserung am Motorrad, was unmittelbar danach zu einer besseren Performance führte.
«Das ist etwas, was bei Honda 2017 währen der ganzen Saison positiv zur Geltung kam», lobt ein ehemaliger Marelli-Kollege von Tosi.
Interessant, nicht wahr?
HRC wähnte sich vor einem Jahr am Ende einer elektronischen Sackgasse. Also sprangen die Japaner über ihren Schatten, sie vergaßen ihren Stolz – und heuerten einen artfremden Ingenieur an.
Damals wirkte noch Shuhei Nakamoto als Vice President der Honda Racing Corporation. Er verstand, dass es keinen schnelleren Weg zum Erfolg geben würde.
Aber wenn man sich in den MotoGP-Boxen umsieht und umhört, hört man inzwischen immer öfter einen italienischen Dialekt aus der Umgebung der Ducati-Heimat Borgo Panigale bei Bologna.
Zum Beispiel jenen von Manuel Cazeaux, dem Crew-Chief von Suzuki-Werkspilot Alex Rins. Oder von Marco Rigamonti, der für die Suzuki GSX-RR von Andrea Iannone zuständig ist und natürlich auch eine Ducati-Vergangenheit hat. Sogar die KTM-Garage wäre beinahe um einen Ingenieur aus Bologna bereichert worden. Aber eine saftige Lohnerhöhung von Ducati verhinderte im letzten Moment die Abwanderung ins Innviertel.
Die Situation bei Yamaha ist ein bisschen anders. Denn während Honda in der Königsklasse vorher nie mit Magneti Marelli gearbeitet hat, galt Yamaha jahrelang als treuer Marelli-Kunde – wie Ducati.
Warum Yamaha trotzdem bei der Motorsteuerung zurückgefallen ist, auf diese Frage hat bisher niemand eine schlüssige Antwort gefunden.
Merkwürdigerweise klagte Rossi in Thailand über die Elektronik, während Johann Zarco an der ECU nichts auszusetzen hatte.
Der Franzose war der beste Yamaha-Pilot bei den Wintertests. Er spricht von einem «perfekten Bike».
Aber Zarcos Elektronik ist ausgereift, sie stammt aus dem Jahr 2016.
Das Werksteam will sich wohl nicht die Blöße geben, nach dem Chassis von 2016 auch noch die vermeintlich veraltete Elektronik aus dem Museum zu holen.
MotoGP-Test Buriram, kombinierte Zeitenliste aller drei Tage:
1. Dani Pedrosa, Honda, 1:29,781 min
2. Johann Zarco, Yamaha, + 0,086 sec
3. Marc Márquez, Honda, + 0,188
4. Cal Crutchlow, Honda, +0,283
5. Alex Rins, Suzuki, +0,397
6. Jack Miller, Ducati, +0,404
7. Andrea Dovizioso, Ducati, +0,411
8. Maverick Viñales, Yamaha, +0,493
9. Danilo Petrucci, Ducati, +0,586
10. Takaaki Nakagami, Honda, +0,675
11. Tito Rabat, Ducati, +0,695
12. Valentino Rossi, Yamaha, +0,730
13. Franco Morbidelli, Honda, +0,867
14. Aleix Espargaró, Aprilia, +0,920
15. Andrea Iannone, Suzuki, +0,937
16. Jorge Lorenzo, Ducati, +0,948
17. Álvaro Bautista, Ducati, +1,102
18. Bradley Smith, KTM, +1,140
19. Mika Kallio, KTM, +1,388
20. Scott Redding, Aprilia, +1,530
21. Tom Lüthi, Honda, +1,573
22. Hafizh Syahrin, Yamaha, +1,756
23. Karel Abraham, Ducati, +1,880
24. Xavier Siméon, Ducati, +2,238
Sepang-Test, kombinierte Zeitenliste aller drei Tage:
1. Jorge Lorenzo, Ducati, 1:58,830 min
2. Dani Pedrosa, Honda, + 0,179 sec
3. Cal Crutchlow, Honda, + 0,222
4. Andrea Dovizioso, Ducati, + 0,339
5. Jack Miller, Ducati, + 0,516
6. Alex Rins, Suzuki, + 0,518
7. Maverick Viñales, Yamaha, + 0,525
8. Marc Márquez, Honda, + 0,552
9. Valentino Rossi, Yamaha, + 0,560
10. Johann Zarco, Yamaha, + 0,681
11. Danilo Petrucci, Ducati, + 0,698
12. Tito Rabat, Ducati, + 0,717
13. Andrea Iannone, Suzuki, + 0,785
14. Aleix Espargaró, Aprilia, + 1,095
15. Takaaki Nakagami, Honda, + 1,241
16. Álvaro Bautista, Ducati, + 1,375
17. Pol Espargaró, KTM, + 1,432
18. Mika Kallio, KTM, + 1,634
19. Bradley Smith, KTM, + 1,690
20. Franco Morbidelli, Honda, + 1,696
21. Karel Abraham, Ducati, + 1,744
22. Xavier Siméon, Ducati, + 1,954
23. Scott Redding, Aprilia, + 1,982
24. Sylvain Guintoli, Suzuki, + 2,290
25. Tom Lüthi, Honda, + 2,296
26. Yonny Hernandez, Yamaha, + 2,393
27. Michele Pirro, Ducati, +5,937