Wochenrückblick mit Stefan Everts
Stefan Everts hat die Probleme infolge der Malaria-Infektion noch nicht überwunden
Die wichtigste Neuigkeit in dieser Woche: Ein Modell, wie es in den USA angedacht ist, Veranstaltungen ohne Zuschauer durchzuführen, kommt für die WM nicht infrage, da die Einnahmen aus TV-Übertragungsrechten nicht ausreichen. Die Produktion der TV-Übertragung der Motocross-WM wird durch die Werke mitfinanziert. Der lokale Organisator zahlt dem Vermarkter Infront eine Gage, die wiederum fast ausschließlich durch Ticketverkäufe erwirtschaftet wird.
Die Zuschauer vor Ort sind in Europa somit die entscheidende Finanzierungsquelle der WM. Wenn diese Finanzierungsquelle versiegt, klafft eine riesige Lücke, die durch Sponsorengelder oder öffentliche Förderprogramme - zumindest in Europa - nicht geschlossen werden kann. In Ländern wie der Türkei werden diese Beträge überwiegend durch Regierungssubventionen erbracht. Die Veranstaltungen werden dann aber auch entsprechend politisch instrumentalisiert, wie man im Falle der Türkei beobachten konnte.
In dieser Woche führten wir ein exklusives Interview mit dem erfolgreichsten Motocrosser aller Zeiten: Stefan Everts. Ich erreichte ihn in seiner Heimat Belgien mit einer Video-Schaltung. Natürlich hat ein Mann wie er viel zu sagen. Im ersten Teil berichtet der zehnfache Champion über seinen aktuellen Gesundheitszustand nach der Malaria-Infektion und seine Radio-Show, die am kommenden Montag ihre Premiere hat.
Wie geht es dir gesundheitlich? Wir alle wissen um die Probleme mit deinen Zehen
«Vor 9 Wochen hatte ich eine weitere OP in Herentals, einem anderen Krankenhaus bei einem anderen Arzt. Er hatte einige neue Ideen. Zwischenzeitlich ist von der OP alles verheilt. Im linken Fuß habe ich einige Fortschritte gemacht. Der linke Fuß fühlt sich besser an. In meinem rechten Fuß, bei dem mir sämtliche Zehen abgenommen wurden, habe ich nach wie vor Schmerzen, wenn ich den Fuß aufsetze. Ich hadere noch immer mit dem rechten Fuß. Er ist wirklich schwer geschädigt. Ich weiß noch nicht, wie es damit weitergeht. Ich lebe jeden Tag mit Schmerzen. Alles andere ist gut. Ich habe die Krankheit gut überstanden, gehe ins Gym und betreibe Muskelaufbau. Ich war auch schon beim Mountainbiken, aber danach hatte ich auch wieder ziemliche Schmerzen, wenn ich den Fuß stärker belaste.»
Du bist also weiterhin im Training?
«Ja, aber ohne einen Spezialisten, ich mache etwas Workout im Gym hier zu Hause. Ich nutze meine Erfahrungen aus der Vergangenheit, um meine Fitness etwas zu verbessern.»
Wie oft trainierst du zur Zeit?
«Ich würde sagen, drei bis fünfmal die Woche. Manchmal schaffe ich es nur dreimal. Ich habe in letzter Zeit auch Handbiking gemacht. Dann habe ich einen Kurs mit 12 Übungen für den Oberkörper und die Stabilisierung meines Fußes. Ich mache das zweimal pro Woche, werde das Pensum aber auf dreimal pro Woche erhöhen. Drei mal 10 Übungen mit 20 bis 22 Wiederholungen, viel Bewegung.»
Es ist ein langer Kampf und ich hoffe, dass es bald besser wird.
«Das wird leider noch Jahre dauern. Am Anfang weiß man noch nicht, wie lange es dauern wird. Man denkt, es dauert vielleicht 6 Monate, dann wird daraus ein Jahr. Jetzt denke ich, es wird vielleicht ein paar Jahre dauern. Die Nerven sind beschädigt. So etwas braucht ewig viel Zeit, dass sich Nerven regenerieren. Sie regenerieren sich sowieso nicht vollständig. Ich werde mit einigen Einschränkungen leben müssen, aber ich will nicht klagen. Ich hätte gern etwas weniger Schmerzen beim Gehen.»
Erinnerst du dich an diese CD 'Try To Beat Me'?
Daran erinnere ich mich genau. Das war 1998. Die Geschichte begann mit einem Freund, der DJ war. Zu jener Zeit war der Schumacher-Song sehr populär. Er meinte, dass wir auch so etwas machen sollten. Er hat dann die ersten Tapes gemacht, aber die waren noch nicht so gut. Dann ging er zu einem Bekannten, der Erfahrung in Musikproduktion hatte. Er war auch DJ, produzierte auch seine Band 'Astor Line'. Er hat den Song sehr schnell gemacht, in seinem Schlafzimmer. Wir wollten dann die Motorengeräusche mit reinnehmen...»
... Zweitakt, 250ccm, ohne Bass.
«Ja, wir machten die Aufnahmen direkt vor seinem Haus. Er hatte einen Fieldrecorder und hat mit dem Mikrofon den Sound aufgenommen. Ich bin hin- und hergefahren und habe Wheelies gemacht. Und der Tonmann hat die Aufnahmen gemacht, die dann auf der Platte zu hören sind.»
Wir sollten vielleicht einen neuen Song machen, im Viertaktsound und mehr Bass?
«Ich nicht mehr. Vielleicht sollten sie einen Remix machen.»
Du hast ja jetzt auch eine Musikshow in Radio Benelux?
«Ja, sie beginnt nächsten Montag. Ich bin mit Liam zu einem Radio-Interview eingeladen worden. Sie waren etwas überrascht, wie gut wir uns mit Musik auskannten, aktuelle und ältere Musik. Sie fragten mich, ob ich interessiert wäre, ein Radioprogramm zu machen. Ich war anfangs etwas verunsichert, weil ich mich nicht als Sprecher sehe, der eine Stunde Programm macht. Wir werden das Programm so gestalten, dass ich die Einleitung mache. Danach wird es ein Non-Stop-Radioprogramm geben mit Titeln, die ich ausgesucht habe. Mit einem ausgewählten Song werde ich eine Story erzählen. Jeder Mensch hat einen Song, mit dem er besondere Erinnerungen verbindet. Ich will einige schöne Geschichten mitbringen, die während meiner Karriere passiert sind. Wir sind so viel gereist und es ist viel passiert. Es sind aber auch andere Geschichten dabei, aus dem normalen Leben.»
Du kannst vielleicht auch deinen Song spielen?
«Er wird im Intro kommen. 'Try To Beat Me' wird also wieder laufen.»
Du bist ja eigentlich Schlagzeuger. Ich habe mich gewundert, dass in deinen Songs nur elektronische Schlagzeugklänge zu hören sind.
«Der Titel wurde ja in den 90er Jahren produziert. Das war die Zeit von Dance und Electro. Peter Luts war ein Techno-Produzent. Wir haben also keine akustischen Drums verwendet.»
In der Motocross-Szene sind auch viele Musiker. Jeremy Seewer spielt Klavier. Du kennst Jeremy sehr gut. Und auch einer deiner Schützlinge - Brian Hsu. Er spielt die Geige. Vielleicht gibt es mal eine Band mit Jeremy, Brian und dir?
«Ja, aber wir brauchen noch Gesang!»
Jason Anderson produziert auch Musik. Die CD «Try To Beat Me» war eine gute Idee und am Ende des Tages konnte dich niemand bezwingen. Die Rekorde sind alle bei dir.
«Ja, aber zu dieser Zeit war das allerdings nicht so. Als der Song veröffentlicht wurde, kämpfte ich gegen Sebastien Tortelli. 1998, daran werden sich die Fans erinnern, das war ein verdammt hohes Level. Ich habe die WM im letzten Rennen in Griechenland verloren. Und genau in diesem Jahr brachte ich diese CD heraus. 'I am the best, try to beat me' . Viele Leute haben mich dann ausgelacht, aber aus heutiger Perspektive ist es wieder korrekt. Ich habe meine Rekorde erst später erreicht, viele Jahre später, aber bis heute bin ich eben der Beste geblieben.»
Es ist natürlich allgemein bekannt, aber lass mich kurz wiederholen: 10 WM-Titel, 101 Grand-Prix-Siege. Ich erinnere mich an dein letztes Rennen in Matterley Basin 2006. Du hast dort gegen James Stewart und Ryan Villopoto gewonnen. Dann hattest du andere legendäre Rennen wie zum Beispiel 2003. In der Saison hast du an einem Tage die Rennen in allen drei Klassen gewonnen. Das waren Meilensteine in der Geschichte des Sports.
«Es sind viele Sachen passiert. Es gibt noch viel mehr, z.B. das 'Fast Cross' gegen Jeremy McGrath im Jahre 1993. Das war kein Grand-Prix, aber es war zu der Zeit ein sehr großes Rennen. Und dort gegen den Supercross-Champion Jeremy McGrath zu gewinnen, war eine große Sache für mich.»
War das in den USA?
«Nein das Rennen gab es in Italien. Das war in Arsago, in der Nähe von Mailand. Sie haben damals die besten jungen Amerikaner nach Europa gebracht, am Wochenende nach dem MxoN. Das war ein fantastisches Rennen. Später, ich glaube das war 1999, habe ich dort noch einmal gewonnen. Ich hatte aber auch andere Rennen, wie zum Beispiel in Namur, wo ich vor der steilen Bergab-Passage in jeder Runde einen Fahrer überholen konnte. Das waren magische Momente. Auch das Überholmanöver gegen Demaria in der letzten Kurve am Kärntenring war für mich ein Höhepunkt. Ich führte keine einzige Runde und auf den letzten 50 Meter konnte ich das Überholmanöver platzieren und den Grand-Prix gewinnen. Das war fantastisch. Das sind meine drei schönsten Erinnerungen.»
Lass uns über deine Startnummer 72 sprechen. Du warst einer der ersten Fahrer, die eine Karrierenummer eingesetzt haben. Die Nummer 72 hat Bezug zu deinem Geburtsjahr 1972. Jetzt startet dein Sohn Liam ebenfalls mit der Startnummer 72. Ist die 72 jetzt die Everts-Nummer oder wird 'Liamski' eines Tages eine andere Startnummer tragen?
«Ich denke, er ist happy damit. Vor ein paar Jahren, als er noch jünger war, war er nicht so glücklich damit. Jetzt ist er etwas älter geworden und er versteht die Bedeutung dieser Nummer besser. Jetzt ist es für ihn eher eine Ehre diese Nummer zu tragen. Youthstream hat diese Nummer damals für alle Zeiten für die WM geblockt, auf jeden Fall so lange sie die WM promoten. Das war ein guter Zug. Ich bin sehr froh darüber, dass Liam jetzt diese Nummer weiter tragen will. Es sollte schon so etwas wie eine Everts-Nummer für die Zukunft sein. Das wäre schön.»
Ich wünsche dir das Beste, vor allem, dass du bald schmerzfrei bist. Viel Erfolg bei deiner neuen Radioshow.
«Dort werden nicht nur Hits gespielt, sondern auch andere großartige Songs, die kein Hit wurden. Ich habe aus 2000 Songs ausgewählt. Wenn die Radioshow ein Erfolg wird, wird die Sendung auf 2 Stunden erweitert. Es gibt eine flämische Version und auch eine englische Version. Du kannst auf www.radiobenelux.be gehen, wo man die Sendung von Soundcloud herunterladen oder im Livestream hören kann. Die Live-Show ist in Flämisch, danach gibt es das auch in englischer Sprache.»
«Meinen Gin gibt es auf www.S72gin.com Die Seite gibt es in verschiedenen Sprachen auch in deutscher Sprache. Liam hat auch eine neue Website: liameverts72.com. Dort gibt es T-Shirts, Caps in einem Webshop. Wir haben die Seite vor ein paar Monaten aufgesetzt. Schaut mal rein, um ein offizieller Liamski-Fan zu werden.»
Sehen und hören Sie den ersten Teil des 'Interviews der Woche' in voller Länge: