MXoN 2014: Hubert Nagl: Das große Interview, Teil 2
Der DMSB-Team-Manager Hubert Nagl will den deutschen Nachwuchs an die internationale Spitze führen
Es gibt seitens der Fans und von offizieller Seite sicherlich Niemanden, der Ken Roczens Entscheidung -aus welchen Gründen auch immer- nicht respektieren würde. Aber es ist ja auch Tatsache, dass Ken Roczen den deutschen Motocross mit Stolz erfüllt, aber andererseits auch klar ist, dass diese beispiellose Karriere auch Dank der Unterstützung des DMSB, das ADAC und vieler Anderer möglich wurde, die ihn in seiner Entwicklung von frühester Jugend an unterstützt haben. Ist es denn nun nicht eine herbe Enttäuschung für den DMSB, für den ADAC, für seine Unterstützer, dass er ohne Stellungnahme und ohne den direkten Kontakt zu suchen, einfach so absagt?
«In erster Linie müssen die Verbände, wer auch immer den Kenny unterstützt hat, in erster Linie stolz sein, weil er als einer der Wenigen seine Chance genutzt hat. Es sind ja im Laufe der Jahre hunderte Fahrer unterstützt worden, die diese Chance nicht genutzt haben. Die Verbände oder die Personen, die den Kenny unterstützt haben auf seinem Weg, die können jetzt in erster Linie einfach einmal stolz sein. Mehr Bestätigung gibt es nicht. Das heißt, er hat jeden Cent, der in ihn irgendwann einmal investiert worden ist, durch Erfolge mehr als wiedergutgemacht. Da wären viele andere Fahrer, die auch Zigtausende an Fördergeldern im Laufe der Jahre verschlungen haben und überhaupt nichts dabei herausgekommen ist, in einer ganz anderen Bringschuld. Das ist der ganz große Punkt. Man muss davon abkommen, egal, ob das der Kenny ist im Motocross oder ob das früher ein Schumacher war oder bei uns, beim Max war das auch teilweise einmal ein Thema: Die Fahrer immer in irgend einer Schuldigkeit zu sehen, nur weil sie irgendwann einmal unterstützt worden sind. Das ist ein Unding, weil die Fahrer, die Leistung bringen, haben alles in Form von Erfolgen zurückgegeben, für die ja auch die Fördergelder gedacht waren. Man muss davon Abkehr nehmen, die Fahrer pausenlos in einer Bringschuld zu sehen. Das ist irgendwann einmal abgegolten. Das muss man so sehen: Okay, wir haben ihn auf dem Weg begleitet. Aber wie lange soll er irgend jemanden irgend etwas schuldig sein?»
Nach der ersten Absage bis zum heutigen Tage ist sehr viel passiert. Ken Roczen hat die US-Meisterschaft gewonnen und hat nun mehrere Wochen Pause. Der nächste Renneinsatz für Ken Roczen ist der Monster Cup am 18. Oktober. Wenn er es sich bis dahin doch noch überlegen sollte, stünde ihm noch eine Tür für das deutsche Team offen?
«Eigentlich für dieses Jahr nein, weil das absolut unfair gegenüber den anderen Fahrern wäre, die jetzt den Kader bilden. Es würde mich persönlich freuen, er würde aber nicht fahren. Eine ganz klare Aussage. Wir haben eine so genannte «deadline» und die haben wir bis zur letzten Sekunde ausgeschöpft und es wäre mehr als unfair, jetzt einen der anderen Fahrer aus diesem Kader zu nehmen.»
Die deutsche Mannschaft ist mit Max Nagl, Dennis Ullrich und Marcus Schiffer im Rahmen der Möglichkeiten optimal aufgestellt. Max Nagl fährt in der Weltspitze, Dennis Ullrich konnte respektable Achtungserfolge in der MXGP erzielen und Marcus Schiffer gilt als ausgewiesener Sandspezialist. Keiner der Fahrer ist jedoch auf der kleineren MX2-Maschine zu Hause. Wird die MX2-Klasse zur Achillesferse der deutschen Mannschaft?
«Normalerweise ist das so: Ich denke, dass das MX2-Ergebnis maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg verantwortlich ist, das heißt, wenn die kleineren Motorräder gegen die größeren fahren. Das war immer so oder war die letzten Jahre so. Mittlerweile hat sich das etwas angepasst, weil es gibt Strecken, da ist das MX2-Motorrad schneller, als das große Motorrad, weil es einfacher und spielerischer zu Fahren ist. Insofern: Es verliert nicht die Bedeutung aber es ist nicht das hundertprozentige Barometer zum Erfolg. Von der Fahrerkonstellation ist das so: Max ist definitiv kein MX2-Fahrer – war er auch nie. Dennis Ullrich ist ähnlich gelagert und der Schiffer kann das MX2-Motorrad sehr, sehr gut bewegen und der Marcus hat im Vorfeld sehr viel mit dem MX2-Motorrad trainiert, auch bevor diese Entscheidung jetzt offiziell geworden ist. Wir haben ja die letzten Monate nicht geschlafen. Für mich war das relativ früh schon klar, dass es mit dem Kenny schwierig wird und insofern haben wir im Mai, Juni schon am so genannten «Plan B» gearbeitet. Ich kann dann nicht einfach sagen: So jetzt ist der eine Fahrer nicht da, dann fährst eben Du die MX2. So einfach geht das nicht. Die ganze Geschichte ist von langer Hand vorbereitet: Das sind die Arbeiten hinter den Kulissen, die man draußen nicht sieht. Es ist ja nicht damit getan, dass ich sage, okay, der Fahrer fährt jetzt, denn er braucht ja auch das entsprechende Material dafür. In Anbetracht der Tatsache, dass mir von vornherein klar war, dass das mit dem Kenny schwierig werden könnte, haben wir im Vorfeld schon alle Hebel in diese Richtung gelenkt, um eben für den Fall, dass er nicht kommt, gerüstet zu sein. Das heißt, der Marcus steigt dort drüben nicht das erste Mal auf ein MX2-Motorrad, sondern der ist bereits fit mit dem Ding.»
Sie setzen mit den Talenten Brian Hsu und Henry Jacobi als Ersatzfahrer ganz offensichtlich auf Nachwuchsförderung im Nationenteam. Wie schätzen Sie die nachrückenden deutschen Talente ein?
Das ist ein ganz schwieriges Thema. Wir haben eine relativ große Breite aber eine sehr, sehr dünne Spitze. Das betrifft aber nicht nur uns in Deutschland, sondern das betrifft genauso die Italiener und selbst die Belgier haben Schwierigkeiten. Einzig und allein die Franzosen haben momentan den Luxus, dass sie wirklich aus dem Vollen schöpfen können, also auch bereits zukunftsorientiert. Meine Entscheidung, auf die junge Generation zu setzen ist, was Brian Hsu betrifft, eine Anerkennung seiner Leistungen, denn er hat dieses Jahr einen hervorragenden Job gemacht. Da muss man wirklich den Hut ziehen. Ich habe irgendwo einmal in einem Interview von ihm gelesen, dass es irgendwann für ihn ein Traum wäre, für das deutsche Team zu fahren. Ich denke, durch die Nominierung habe ich dem ein bisschen Wind in die Segel gegeben, auch als Ansporn für ihn, ein bisschen zu pushen, dann steht ihm der Weg in das «A-Team» definitiv offen. Beim Henry Jacobi ist es ähnlich, er hat natürlich eine Sauregurkenzeit hinter sich mit Verletzungen und so weiter. Aber auch er macht dieses Jahr im Youngster-Cup einen Super-Job. Ich bin überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Ich denke, Max und Marcus werden nicht mehr allzu lange für das Ganze zu Verfügung stehen, mit Sicherheit vielleicht noch zwei, drei oder auch vier Jahre, aber ich muss das Team schrittweise auf junge Leute umstellen.»