Rückblick auf die Überseerennen. Nur Geister-Rennen?
Im Fussball ist ein «Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit» eine der härtesten Strafen, die zum Beispiel nach gewalttätigen Übergriffen von Hooligans ausgesprochen wird. Die Motocross WM bestrafte sich beim Geister-Rennen von Katar allerdings selbst! Katar ist ein Emirat, wo Menschenrechte missachtet werden und es ist das Land mit dem höchsten CO2-Ausstoss weltweit - im Zeitalter des Klimawandels! Motorsport ist naturgemäss keine Spielwiese für Klimaschützer. Oder doch? Gern orientiert sich Vermarkter Youthstream an der Königsdisziplin Formel 1. Aber was tat Bernie Ecclestone alles in der Formel 1 in Hinblick auf Energieeffizienz, Energierückgewinnungssysteme und verbesserte Aerodynamik? Auch in Bezug auf Sicherheit könnte man sich dort mehr als nur eine Scheibe abschneiden - siehe Thailand. Muss ein Geister-Rennen unter Flutlicht in der toten Wüste ohne Zuschauer wirklich sein? Aus sportlicher Sicht: Gähnende Langeweile. Gut, dass Max Nagl wenigstens den ersten Lauf gewonnen hat! Aber was ist sonst noch passiert?
Die Globalisierung der Weltmeisterschaft
Kein Zweifel: Eine Weltmeisterschaft muss auf dem ganzen Globus stattfinden, sonst ist sie keine Weltmeisterschaft. Immerhin hat sich schon jemand darüber gewundert, dass seit Jahrzehnten immer wieder schnelle Fahrer aus Australien und sogar Weltmeister aus Neuseeland im Grand-Prix-Zirkus auftauchen: Ben Townley, Joshua Coppins, Cody Cooper sowie Darryl King und Shayne King, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber ein Heim Grand-Prix für Australien oder Neuseeland? Fehlanzeige! Immerhin denkt man zwischenzeitlich zumindest darüber nach. Die Tatsache, dass in Japan kein WM-Lauf stattfindet, ist angesichts der Präsenz von Honda, Yamaha und co. mehr als nur kritikwürdig. Es wird im Moment nur konkret über einen Indien-Grand-Prix verhandelt.
Bleibt der Sport auf der Strecke?
Zuschauer vor Ort gab es in Katar keine. Geld spielt beim QMMF keine Rolle. An den Bildschirmen erlebten die Zuschauer One-Line-Retorten-Tracks mit wenigen Fahrern, kaum Überholmanövern, notdürftig mit einheimischen Fahrern aufgepäppelt, deren Rundenzeiten 20 Sekunden hinter der Spitze lagen. Zeitgleich sitzt ein Mannschaftsweltmeister des Jahres 2012 zu Hause: Markus Schiffer. Die Sternstunde des deutschen Motocross in Lommel war insbesondere auch sein Verdienst! Die Motocross-WM hat ihre Legitimation verloren, wenn ein Sportler wie Markus Schiffer aus Budgetgründen nicht an der kompletten Weltmeisterschaft teilnehmen kann!
Wo bleibt die Sicherheit?
In Thailand gab es durch die restriktiven Einreisebestimmungen («Sprengstoff») massive Treibstoffprobleme. Deren prominentestes Opfer ist Tommy Searle: Beim Absprung stockte sein Motor, Searle stürzte heftig an dem Dreifachsprung, brach sich (nur) das Handgelenk und verabschiedete sich so aus dem ohnehin schon sehr limitierten Kreis derer, welche Dauerbrenner Antonio Cairoli ansatzweise das Wasser reichen können. Ähnlich wie Max Nagl 2013 zog sich Jeffrey Herlings eine Lebensmittelvergiftung zu, die den MX2-Weltmeister tagelang flach legte. «The show must go on!», aber um welchen Preis?
Trotz Peinlichkeiten: Lichtblicke in Brasilien
Allein die Rennen in Brasilien waren Hoffnungsschimmer in Sachen Globalisierung des Motocross. Es ist nachvollziehbar und legitim, dass die Industrie in der Wachstumsregion Südamerikas nach Präsenz sucht. Und mit Antonio Balbi gibt es sogar einen einheimischen, US-erfahrenen Top-Piloten. Die Flag-Marshalls in Beto Carrero waren aber so von der Überlegenheit Cairolis überzeugt, dass sie dem Führenden Jeremy Van Horebeek die blaue Flagge zeigten! Haftet eigentlich jemand für einen entgangenen WM-Laufsieg wegen falsch gezeigter Flaggen?
Europa und die USA
Nun geht die WM im italienischen Arco di Trento in die vierte Runde. In Europa werden wir zum Glück ein paar mehr Top-Fahrer erleben, deren Teilnahme aus sportlicher Sicht dringend erforderlich ist. Fahrer wie Markus Schiffer können und werden nur an diesen Aufgaben wachsen. Die MX2-Gemeinde freut sich über die Präsenz des US-Teenagers Thomas Covington. Endlich ein Amerikaner in der WM! Dass der Teenager zu Hause in den vergangenen Jahren nur beim US-Amateurrennen von Loretta Lynn in Erscheinung trat, sagt viel aus. Die US-Profis bleiben lieber zu Hause oder kommen bestenfalls - wenn überhaupt - zum Motocross der Nationen. Nach diesem Rennen - zum Ende der Saison - stellt sich immer wieder neu die Frage: Wer ist eigentlich der wahre Weltmeister? Wäre der Weltmeister auch dann Weltmeister geworden, wenn Kaliber wie Ryan Villopoto, James Stewart, Ryan Dungey oder Justin Barcia ebenfalls teilgenommen hätten?
Zeitgemäße Rennen weltweit
Kein Zweifel: Vermarkter Youthstream hat den Sport in den letzten Jahren massiv und engagiert weiterentwickelt und viel investiert. Die Veranstaltungen selbst sind in vielen Bereichen besser und professioneller geworden, als die US-Outdoors. In Zukunft muss es also darum gehen, die wirklich besten Fahrer der Welt für die WM zu gewinnen! Nordamerika bietet eine unglaubliche Leistungsdichte. Der Wille zum Erfolg ist dort so stark, wie sonst nirgendwo. Regionen wie Australien, Neuseeland und Japan sind Eckpfeiler des Sports, nicht die Wüstenhügel am Persischen Golf.