Der Rallye-«Krimi» in der Lausitz
Gassner - bald jüngster Deutscher Meister?
Zwei Meisterschaftskandidaten, die gerade einmal ein Punkt trennt und insgesamt fünf Teams, die – zumindest rechnerisch – eine Chance auf den Titelgewinn haben: Spannender konnte die Ausgangssituation für das Finale der DRM (Deutsche Rallye-Meisterschaft) am kommenden Wochenende kaum ausfallen. Bei der ADMV-Lausitz-Rallye hat ein Rookie die besten Chancen, den Titel zu gewinnen und damit die direkte Nachfolge seines Vaters anzutreten: Es ist der 20-jährige Hermann Gassner junior (Mitsubishi Lancer), der gerne den Vater und Teamchef Hermann Gassner ablösen würde.
Auf Platz zwei der Tabelle steht der amtierende Vize-Meister Sandro Wallenwein im Subaru Impreza. Für den Stuttgarter ein Déjà-vu – allerdings lag er im vergangenen Jahr vor dem Finale deutliche 17 Punkte hinter „Vater“ Gassner. Sollten die beiden Spitzenreiter patzen, kann sich auch der Sachse Peter Corazza in einem weiteren Lancer noch ernsthafte Titelchancen ausrechnen. Die Schotterprüfungen in den Braunkohle-Tagebauen rund um Boxberg sind ein optimales Jagdrevier für die Allrad-Boliden, die beiden Youngster in ihren Fronttrieblern Felix Herbold (Citroën C2R2) und Manuel Kössler (Suzuki Swift) unter den Top-Five der DRM-Tabelle haben daher allenfalls noch theoretische Titelhoffnungen.
Das DRM-Finale im vermutlich grössten «Rallye-Sandkasten» der Republik birgt viele Spannungsmomente. Erstmals in der Historie der Meisterschaft könnte ein Sohn seinen Vater in der Titelnachfolge beerben. Seit 1993 war der 50-jährige Kfz-Meister Hermann Gassner immer unter den Top-Drei der DRM-Wertung zu finden. Vier Meistertitel (1995, 2003, 2007 und 2008) gehen auf sein Konto. Egal wie er das Finale beendet, diese Serie wird reissen. Aber sein Sohn Hermann Gassner junior hat gute Chancen, Deutscher Rallye-Meister 2009 zu werden – vielleicht der Beginn einer neuen Serie.
Für den 20-jährigen Junior ist es «ein komisches Gefühl, als Tabellenleader zum Finale zu fahren. Man steht irgendwie mehr unter Druck, obwohl es eigentlich keinen grossen Unterschied macht, da Sandro und ich mit nur einem Punkt Unterschied ins Finale starten.» Seine Marschrichtung ist klar: «Wir werden vom Start weg 100 Prozent geben und versuchen zu gewinnen. Für Taktik ist, wenn überhaupt, nur am zweiten Tag Raum. Ich befürchte aber, dass dazu die Zeitabstände zu gering sein werden.» Die Ausgangslage im direkten Vergleich zwischen ihm und Wallenwein ist klar: Wer innerhalb der Punkteränge vor dem anderen ins Ziel kommt, ist Meister. Kein Wunder, dass es da kribbelt: «Es wäre schon schön, wenn ich die unglaubliche Tradition von meinem Vater fortführen könnte – dafür werde ich bis zum Schluss kämpfen», verspricht der ADAC-Junior.
Dabei gibt es zwischen dem Bayern und seinem Hauptkonkurrenten aus Schwaben einen Unterschied, was das Erreichen der bisherigen Punkte angeht: Gassner hat bislang drei der sechs ausgetragenen Läufe gewonnen, während Wallenwein 2009 noch bei keinem DRM-Lauf ganz oben auf dem Siegertreppchen stand. Und: Gassners Punkte resultieren aus lediglich fünf Einsätzen, da er die zweite DRM- Runde durch einen Einsatz in der Weltmeisterschaft auslassen musste. Dafür bewies der schwäbische Konkurrent die beste Konstanz im gesamten Feld. Vier zweite Plätze, eine dritte und eine vierte Position fuhr er ein und rangierte damit stets in der Spitzengruppe.
Sandro Wallenwein ist «stolz, überhaupt so weit gekommen zu sein.» Der Subaru-Pilot ist sich vor der Lausitz-Rallye vor allem über eines im Klaren: «Dort wird es nur volle Attacke geben, das wird ein Tanz auf der Rasierklinge.“ Sein grösstes Manko sieht er dabei in der fehlenden Erfahrung auf dem losen Untergrund. Die Lausitz-Rallye 2008 war sein einziger Schottereinsatz in den vergangenen Jahren. «Ich war überrascht, dass ich vor einem Jahr das Tempo der anderen von Beginn an mitgehen konnte, damals war ich schneller als der Junior. Hermann hat aber inzwischen mehr als 1.000 WP-Kilometer auf Schotter absolviert, das ist für ihn ein riesiger Vorteil.» Mit einem neuen Fahrwerk vom vierfachen Weltmeister Tommi Mäkinen und einer gründlichen Revision des Subaru Impreza haben sich Sandro Wallenwein und seine Rallye-Familie auf das Finale bestens präpariert.
Der stets gut gelaunte Peter Corazza könnte bei dieser Konstellation der lachende Dritte sein – den Ruf als den DRM-Piloten mit dem breitesten Grinsen hat er ohnehin schon weg. Doch mit Blick auf das Finale kann der Sachse auch ganz ernste Rechenspiele durchführen. Sein schon etwas betagter Lancer der Evo-Stufe 7 liess ihn beim vorletzten Lauf im Saarland im Stich. Der Ausfall kostete nicht nur die Tabellenführung sondern auch den direkten Anschluss an die Spitze. Jetzt hat er nur noch eine Chance: «Ich muss in der Lausitz gewinnen und darauf hoffen, dass die beiden anderen patzen», so der Oelsnitzer. «Fehler kann sich keiner leisten und am Ende gehört auch das nötige Quäntchen Glück dazu.»