Stressfrei zum Ziel
archy
Du hast die Strategie für diese Saison komplett geändert, willst dich und dein Team nicht mehr stressen. Inwieweit ändert sich jetzt eure Arbeit?
Wir gehen zum Beispiel nicht mehr her und sagen: ‚Reissen wir den Motor raus und hauen wir den anderen schnell rein! Fliegen wir Ken Tunnell (Chef von Motorhersteller Ly-Con, Anm.) ein und arbeiten 24 Stunden durch. Das geht sich schon aus!’ Jetzt wird der Motor erst verwendet, wenn er wirklich ausgereift und fertig entwickelt ist. Wir wollen auch mehr Zeit aufwenden, um neben den Rennen unsere Tests zu machen. Genau aus diesem Grund habe ich den alten Flieger behalten. Ich hätte ihn einem Rookie verkaufen können, jeder hätte ihn gerne genommen, aber ich habe ihn bewusst behalten, weil das unsere Testmaschine ist. Jetzt können wir parallel Motoren und aerodynamische Teile testen. Eingebaut werden sie erst, wenn sie ausgereift sind. Egal ob das beim zweiten, dritten oder vierten Rennen ist, da werden wir konsequent sein. Es kann sein, dass diese Taktik für das eine oder andere Rennen oder insgesamt die falsche ist. Aber ich glaube, dass man langfristig gesehen so erfolgreicher ist. Änderungen brauchen einfach ihre Zeit, und ich habe diese Saison keinen Stress, ich muss keinen Titel verteidigen und mir auch nicht beweisen, dass ich ein guter Pilot bin, ich brauche nur meinen Job zu machen und auf das freue ich mich schon.
Letzte Saison seid du und dein Team an eure Grenzen gestossen. Wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Als ich in den Urlaub gefahren bin, habe ich bemerkt, dass ich gar nicht mehr abschalten konnte. Ich habe extrem lange gebraucht, bis ich runter gekommen bin. Das ist ein erstes Zeichen dafür, dass man zu weit gegangen ist. Dann kommt dazu, dass bei meinem Techniker Vito (Wyprächtiger, Anm.) die Saison nicht erst beim ersten Rennen in Abu Dhabi angefangen hat. Wir hatten extreme Probleme in Südafrika, wo wir letztes Jahr im Winter das Flugzeug modifiziert haben. Das ist einfach durchgehend so gegangen. Der Stress, bei jedem Rennen vorne zu sein, hat sich bei allen ausgewirkt. Unsere Welt ist die Fliegerei, wir verwirklichen uns hier unseren Traum. Wenn wir uns nun alle gegenseitig so stressen, dass dies nicht mehr möglich ist, dann machen wir etwas falsch. Ich glaube, dass man langfristig gesehen erfolgreicher ist, wenn man einen Schritt zurück macht, dafür aber die Qualität stärkt.
Gut, nun kannst du dir deinen Traum unter anderem auch dank zwei grosser Sponsoren verwirklichen. Hat man in dem Fall als Sportler nicht eine Bringschuld?
Bringschuld in dem Sinne nicht, aber du hast eine Erwartungshaltung zu erfüllen, so gut es geht. So sehe ich das.
Was ist deren Erwartungshaltung?
Dass ich das erste Rennen gewinne und wieder Weltmeister werde. Das erwarten sie sich. Meine Pflicht ist es, das so gut wie möglich zu erfüllen. Und wenn es nicht geht: A ist es Sport und B es liegt zum Teil nicht alles an mir. Wenn ich allerdings versuche, zu hundert Prozent alles so gut wie möglich zu machen und meine Medienarbeit stimmt, dann glaube ich kaum, dass ein seriöser Sponsor abspringen würde.
Du hast dir nach der Saison eine längere Auszeit auf Hawaii gegönnt. Sind die Batterien wieder voll?
Ich kann es ehrlich gesagt noch nicht genau sagen. Im Moment fühle ich mich noch nicht hundert Prozent fit, vertraue aber darauf, dass das normal ist. Es ist gescheiter, dass ich beim ersten Rennen fit bin, als jetzt schon, einen Monat vorher. Das muss sich alles erst aufbauen.
Wie baut sich das denn auf?
Ich vertraue auf meinen Kopf, dass er das alles unbewusst steuert. Mein Kopf weiss schon seit einem Dreivierteljahr, dass Ende März das Rennen ist. Es stellt sich alles darauf ein. Mein Urlaub, das Flugzeug, das Timing, die ganzen Arbeiten. Der Körper weiss das von selbst. Er weiss ganz genau, dass er die Energie im März braucht und dementsprechend hält er sich jetzt vielleicht auch noch zurück, um nicht alles herzugeben.
Das gesamte Interview mit Hannes Arch und noch viel mehr gibt es in der neuen SPEEDWEEK, Nummer 9.