Wieso Jonas Folger keinen Elektroniker von BMW möchte
Jonas Folger (Mitte) mit Chris Schwarz
Seit 2016 sind alle MotoGP-Motorräder mit einer Einheitselektronik von Magneti Marelli ausgerüstet, in der Superbike-WM haben sich die Hersteller erfolgreich gegen deren Einführung gewehrt. BMW, Ducati, Honda, Kawasaki und Yamaha nützen die seriennahe Meisterschaft mehr denn je für die elektronische Entwicklung, wobei nur BMW mit einem eigenen System arbeitet – alle anderen mit Magneti Marelli.
BMW hat in der 2019er-S1000RR erstmals die ShiftCam-Technologie verbaut, auch die diesjährige M1000RR hat sie: Auf der Einlassnockenwelle befinden sich pro Einlassventil zwei unterschiedliche Erhebungskurven. Mit einem extrem präzise und schnellen Shiftmechanismus wird bei einer entsprechend gewählten Drehzahl des Motors die jeweils vorteilige Nockenform aktiv geschaltet. Die entsprechende Erhebungskurve für niedrigere Drehzahlen ist dabei optimiert ausgelegt für bestmögliches Drehmoment, die Nockenform für höhere Drehzahlen ist ausgelegt für maximal mögliche Leistungsabgabe. Diese Steuerung der ShiftCam ist nur mit der eigenen Elektronik möglich.
Ein weiteres technisches Schmankerl bietet BMW mit den gesplitteten Drosselklappen. So können jeweils zwei Zylinder eines Vierzylinder-Motors getrennt angesteuert werden. Seit 2016 bestimmt das Reglement, dass nur noch dann gesplittete Drosselklappen eingesetzt werden dürfen, wenn diese im homologierten Serienfahrzeug verbaut sind.
«Wie wir die Drosselklappen ansteuern, betrifft die Fahrbarkeit am Kurvenausgang», erklärte BMW-Motorsport-Direktor Marc Bongers. «Damit vereinfachen wir für den Fahrer die Dosierbarkeit, beziehungsweise Leistungsentfaltung des Motors und damit das Gefühl fürs Hinterrad beim Beschleunigen aus extremen Schräglagen. Die Einstellung für die Traktions- und Wheelie-Kontrolle machen wir Kurve für Kurve, auch die Drosselklappen lassen sich so steuern.»
«Das System arbeitet gut», lobt BMW-Werksfahrer Tom Sykes, der bereits bei Kawasaki von 2011 bis 2018 maßgeblich an einer derartigen Entwicklung beteiligt war. «BMW hat fantastische Arbeit mit der Elektronik geleistet. In der Vergangenheit gab es viel dummes Gerede… Mit meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Elektronik und das Chassis sehr stark sind. Die Elektronik liefert sehr genaue Rückmeldungen. Wir haben eine gute Basis, die funktioniert. Früher wurden die Drosselklappen Kurve für Kurve angesteuert. Ob man das wirklich braucht, hängt von den Wünschen des Fahrers ab.»
Obwohl BMW seit dem erstmaligen Einstieg in die Superbike-WM 2009 sehr viel Erfahrung mit der eigenen Elektronik gesammelt und hervorragende Leute im Haus hat, möchte Jonas Folger aus dem Satelliten-Team Bonovo Action in der ersten gemeinsamen Saison 2021 in der Superbike-WM lieber mit seinem letztjährigen Elektroniker Christoph Schwarz weitermachen, der bislang auf Yamaha mit Motec, GYTR sowie bei den Wildcard-Einsätzen mit Magneti Marelli gearbeitet hat.
«Für mich ist der Grund für Chris ganz einfach», betonte Folger gegenüber SPEEDWEEK.com. «Es geht um die Einstellung. Es gibt viele Chefmechaniker, die einen hohen Wert haben, weil sie schon so lange dabei sind. Ich habe aber auch schon ganz oft gemerkt, dass dann der Biss nicht mehr da ist. Das ist beim Chris, meinem Chefmechaniker und Elektroniker, anders, der ist Feuer und Flamme. Wenn sich die andern müde in die Hospitality schleppen und ein Bier aufmachen, sitzt er vor dem Computer und grübelt. Er kitzelt alles raus, versucht sich jegliche Informationen zu holen und ist hungrig, das habe ich auch bei meinen Wildcard-Einsätzen in der WM gemerkt. Genau so jemanden braucht man, wenn man wie wir als frisches Team einsteigt.»
«Meine Wildcard-Einsätze liefen nicht optimal», hielt Folger fest, der in Barcelona und Estoril auf die Plätze 12, 10, 11, 11, 13 und 11 brauste. «Unter den Umständen hat Chris viel beigetragen, dass wir uns aus den Problemen gefahren haben. Ich habe mit Chris geredet, wir glauben nicht, dass die BMW-Elektronik für uns einen großen Unterschied machen wird. Er hat auch schon ein bisschen reingeschaut, er sagt, sie wäre super simpel zum Auswerten und zu lesen. Für ihn ist das eine Spielerei, er hat Spaß dabei, egal was für eine Elektronik das ist.»
Teams & Fahrer Superbike-WM 2021:
Honda: Alvaro Bautista (E), Leon Haslam (GB)
MIE Honda: Takahashi? Granado? Torres? Mercado?
BMW: Tom Sykes (GB), Michael van der Mark (NL)
Bonovo Action BMW: Jonas Folger (D)
RC Squadra Corse BMW: Eugene Laverty (IRL)
Pata Yamaha: Toprak Razgatlioglu (TR), Andrea Locatelli (I)
GRT Yamaha: Garrett Gerloff (USA), Kohta Nozane (J)
Ten Kate Yamaha: Baz? Cortese?
Gil Motor Sport Yamaha: Christophe Ponsson (F)
Kawasaki: Jonathan Rea (GB), Alex Lowes (GB)
Puccetti Kawasaki: Lucas Mahias (F)
Orelac Kawasaki: Isaac Vinales (E)
Outdo Kawasaki TPR: Loris Cresson (B), Baz?
Aruba.it Ducati: Scott Redding (GB), Michael Rinaldi (I)
Go Eleven Ducati: Chaz Davies (GB)
Motocorsa Ducati: Baz? Bassani? Cavalieri?
Brixx Ducati: Sylvain Barrier (F)
Barni Ducati: Tito Rabat (E)
Fett = bestätigt
Kalender der SBK-WM 2021:
23.–25. April Assen/Niederlande
07.–09. Mai Estoril/Portugal
21.–23. Mai Aragon/Spanien
11.–13. Juni Misano/Italien
02.–04. Juli Donington Park/Großbritannien*
03.–05. September Magny-Cours/Frankreich
17.–19. September Barcelona/Spanien
24.–26. September Jerez/Spanien
01.–03. Oktober Portimao/Portugal
15.–17. Oktober San Juan/Argentinien**
12.–14. November Lombok/Indonesien**
noch offen Phillip Island/Australien**
noch offen**
*nur Superbike
** ohne Supersport 300