Troy Bayliss: «Finger bis heute nicht nachgewachsen»
Troy Bayliss war bereits 27 Jahre alt, als er 1996 in die Australische Superbike-Meisterschaft einstieg, in den vier Jahren zuvor war er in Hobbyrennen am Start. Dieses hohe Anfangsalter ist heute unvorstellbar, sein kometenhafter Aufstieg zeugt von besonderem Talent.
1999 wagte er von Australien den Sprung über den großen Teich und fuhr für das Team GSE Ducati in der Britischen Superbike-Meisterschaft, welche er trotz der für ihn unbekannten Strecken auf Anhieb gewann.
2000 hätte der damals 31-Jährige in der US-Superbike-Serie starten sollen, beim zweiten WM-Event auf Phillip Island stürzte aber der damalige Ducati-Werksfahrer Carl Fogarty so schwer, dass seine Karriere vorbei war. Ab dem fünften Event in Monza übernahm Bayliss dessen Ducati 996 und brauste auf Anhieb zweimal auf Rang 4 – einige Runden führte er sogar! Bayliss gewann in Hockenheim und Brands Hatch, stand neunmal Mal auf dem Podium und wurde Gesamtsechster, obwohl er nur 18 von 26 Läufe gefahren war.
2001 bildete Bayliss zusammen mit Ruben Xaus das Ducati-Werksteam, erstmals kam die 998 zum Einsatz. Bayliss gewann sechs von 24 Rennen, wurde sechsmal Zweiter und dreimal Dritter. Damit lag er am Saisonende 36 Punkte vor Honda-Star Colin Edwards und wurde zum ersten Mal Weltmeister.
2002 unterlag Bayliss im Saisonfinale in Imola Edwards, womit der Texaner zum zweiten Mal Champion war.
Trotzdem wechselte Bayliss anschließend in die MotoGP-WM und fuhr dort 2003, 2004 und 2005 für Ducati und Honda. «Loris Capirossi war ein super Teamkollege, von ihm habe ich bei Ducati viel gelernt, ich habe großen Respekt vor ihm», erzählte Bayliss.
2006 kehrte der Australier zu Ducati und in die Superbike-WM zurück, mit 37 Jahren wurde er zum zweiten Mal Weltmeister und gewann in Valencia am Saisonende als Ersatz für den verletzten Sete Gibernau sein einziges MotoGP-Rennen, ohne das Bike und die Reifen vorher getestet zu haben.
2008 wurde Bayliss zum dritten Mal Superbike-Weltmeister – und mit 39 Jahren der bis dahin älteste. Er beendete seine Karriere nach dieser Saison, Frau Kim hatte ihn dahingehend gedrängt. Mit 52 Siegen und drei Titeln ist er nach Jonathan Rea und Carl Fogarty der erfolgreichste SBK-Pilot.
Weil der heute 52-jährige Bayliss während seiner Karriere meist älter als seine härtesten Gegner war, agierte er besonnener und war deutlich reifer. «Anfang 2000 war ich viel mit Ben Bostrom und Ruben Xaus unterwegs», erinnerte er sich. «Ich hatte viel Spaß mit ihnen, es kam mir aber immer so vor, als wäre ich ihr Vater oder großer Bruder. Zeitweise durften sie nicht mal ein Auto mieten, weil sie nur Blödsinn damit machten. Wenn du mit ihnen mitgefahren bist, wurde es dir anders. Heute sind sie auch deutlich ruhiger.»
Troy, gab dir das Fahren auf einer MotoGP-Maschine oder auf dem Superbike mehr?
Ich fuhr die meiste Zeit in meiner Karriere Superbike, so wurde ich bekannt. Deshalb sehe ich mich als Superbike-Piloten. Diese Klasse war gut für mich und ich für sie.
Was sagst du zur Ducati Panigale V4R?
Sie fühlt sich wie eine GP-Maschine von vor ein paar Jahren an.
Welche war deine Lieblings-Ducati?
Die 999 mochte ich sehr. Letztlich mochte ich sie aber alle: Die 996, 999 und die 1098 – mit ihnen habe ich Weltmeisterschaften gewonnen, das macht sie speziell für mich. Sie sind auch aus heutiger Sicht noch sehr schöne Motorräder. Ich bin jetzt alt, deswegen stehe ich auf alte Bikes, auf die Zweizylinder.
Du magst die Zahl 21?
Klar. Weißt du eigentlich, warum ich mit dieser Nummer fahre? Als ich 2000 zu meinem ersten Superbike-WM-Rennen für das Ducati-Werksteam nach Sugo kam, fragte mich Davide Tardozzi, mit welcher Startnummer ich fahren würde. Ich sagte ihm, das wäre mir egal – also gab er mir die 21.
Welche Rennstrecken sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Allen voran Monza, die Atmosphäre dort war sehr besonders. So ein bisschen wie Hockenheim, das sind Rennstrecken der alten Schule.
Monza ist unglaublich schnell und es kamen immer sehr viele Zuschauer. Wenn du die Schikanen angebremst hast, konntest du die Fans schreien hören. Das gab es sonst nur noch in Imola und Brands Hatch.
Mugello mochte ich nie, obwohl ich dort mit Ducati viel getestet habe. Die alte Rennstrecke in Misano mochte ich.
Wer war dein lustigster Teamkollege?
Sie waren alle gut. Mit Lorenzo Lanzi hatte ich viel Spaß, er ist sehr lustig.
Du bist den Fans als einer der kampfstärksten Fahrer in Erinnerung geblieben. Gibt es Momente, an die du besonders gerne zurückdenkst?
Ich habe mich damals mit vielen Jungs auf der Strecke angelegt. Aber Sonntagabend gab es in der Ducati-Hospitality immer Bier und Pizza und Wein, anschließend gab es in den Motorhomes noch mehr Bier. Wir hatten immer eine gute Zeit miteinander.
Ich kann ehrlich keinen speziellen Zweikampf herauspicken, weil ich so viele großartige Rennen mit vielen Gegnern hatte.
Merkst du deinen amputierten Finger noch?
Nein, er ist bis heute nicht nachgewachsen.
2007 in Donington Park lag ich mit 4 oder 5 sec Vorsprung in Führung, ich war voll drauf. Dann übertrieb ich es und stürzte in Coppice Corner. Als ich im Kies lag fühlte es sich an, als hätte mir einer in die Eier getreten.
Dann hörte ich diesen kleinen englischen Jungen, der mich nach meinen Handschuhen fragte. Als ich den Handschuh auszog dachte ich mir, dass ich wohl ins Medical Center muss. Ich sagte dem Arzt dann, dass er den Finger abschneiden soll, damit ich das zweite Rennen fahren kann. Ich war sauer, sprang von der Liege und bekam einen Kreislaufzusammenbruch, weil die Schmerzen so stark waren. Sie mussten den Finger abnehmen, es ging nicht anders.