Kawasaki erteilt Maulkorb: Rea opponiert gegen FIM
Johnny Rea hält die FIM-Entscheidung für falsch
Während des letzten Wintertests in Aragon hatte Weltmeister Jonathan Rea Anfang Mai seinen eigenen Pole-Rekord 1:48,767 min mit 1:48,528 deutlich unterboten. Damals raste der Nordire bei perfekten Bedingungen mit 15.100/min durchs MotorLand.
Erst wenige Tage vor dem Saisonstart der Superbike-WM auf selbiger Strecke veröffentlichte der Motorrad-Weltverband FIM die erlaubten Maximaldrehzahlen für die ersten drei Events in Aragon, Estoril und Misano.
Schock für Kawasaki: Statt 15.100/min sind weiterhin nur 14.600/min erlaubt – wie in der vergangenen Saison.
FIM Technical Director Scott Smart begründete diese Entscheidung gegenüber SPEEDWEEK.com: «Nur weil ein Hersteller einen anderen Kolben in seinem Motor hat, ist das für uns kein neuer Motor – das ist nur eine neue Komponente. Wenn der Basismotor der gleiche bleibt, dann geht es mit der vorgeschriebenen Maximaldrehzahl aus dem Vorjahr weiter.»
Am Freitagmorgen wurde sämtlichen Mitgliedern des Kawasaki-Werksteams vom Top-Management in Japan per E-Mail ein Maulkorb verpasst, niemand darf sich zum Thema Drehzahl äußern. Steve Guttridge, der höchste Rennsport-Manager von Kawasaki in Europa, musste ein mit uns bereits vereinbartes Interview wieder absagen.
Natürlich haben die Kawasaki-Teams, das betrifft alle Piloten des japanischen Herstellers, keine Freude daran, dass sie weiterhin mit 14.600/min fahren müssen. Denn die Maschinen der Konkurrenz drehen deutlich höher: Die Ducati Panigale V4R hat derzeit eine definierte Maximaldrehzahl von 16.100/min, die Honda CBR1000RR-R 15.600/min, die neue BMW M1000RR 15.500/min und die Yamaha R1 14.950/min.
«Wir mussten den Drehzahlbegrenzer neu einstellen, unser Motorrad hat aber so oder so mehr Leistung als letztes Jahr», erzählte Rea im kleinen Journalistenkreis in Aragon entgegen der Kawasaki-Anweisung. «Der größte Unterschied für mich ist, dass ich zwischen einigen Kurven jetzt einen zusätzlichen Schaltvorgang habe. Über eine Runde sind wir deswegen nicht langsamer, das sehen wir in den Daten. Aber der Motor hört sich anders an. Frustrierend ist für mich, dass diese Entscheidung erst am Freitag vor einer Woche getroffen wurde. Wir müssen das akzeptieren und weitermachen.»
Die FIM-Entscheidungsträger weisen den Vorwurf von sich, dass sie an der späten Festlegung der erlaubten Drehzahl schuldig seien. Denn obwohl die neue Kawasaki vom Werksteam mit Rea und Lowes bereits Mitte November 2020 erstmals auf der Rennstrecke in Jerez getestet wurde, bekam sie die FIM erst um den 1. März herum, um das aufwändige Homologationsprozedere mit den dafür nötigen Prüfstandtests vorzunehmen.
«Der Motor ist nicht derselbe, das ist ein anderer Motor», urteilte Rea. «Der Kolben und andere bewegliche Teile sind neu. Was ist ein neuer Motor? Bedeutet das, dass ein Hersteller für Superbike-Rennen Millionen ausgeben muss, um eine komplett neue Motorengeneration zu entwickeln, um davon zu profitieren? Das entspricht nicht dem Superbike-Geist. Das macht es für Hersteller sehr schwierig zu reagieren, weil sie jedes zweite oder dritte Jahr riesige Änderungen bringen müssen. In der Vergangenheit gab es Evolutionen alle vier Jahre. Das macht es für alle Hersteller schwieriger, Entwicklungsschritte zu machen.»
Auch in diesem Punkt widerspricht die FIM, weil die Balance-Regel mit den Konzessionsteilen den Tausch vieler wichtiger Motorinnereien erlaubt, wenn ein Hersteller gegenüber dem Besten ins Hintertreffen gelangt.
Verglichen mit den Wintertests haben die Kawasaki-Motoren 500/min weniger, Rea glaubt aber nicht, dass sie deswegen langsamer sind. «Das hat keinen riesigen Einfluss», hielt der 99-fache Laufsieger fest. «Natürlich hilft eine höhere Drehzahl. Unser Motor hat die Höchstleistung aber vor dem Drehzahllimit. Die 500/min extra gaben uns einen gewissen Spielraum, das war, als würden wir den Motor überdrehen. Dann kannst du beim Schalten etwas fauler sein.»