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Faszinierende Hintergründe: Schwinge ist entscheidend

Von Ivo Schützbach
Bei der Superbike-WM in Donington Park traten die BMW-Werksfahrer Scott Redding und Loris Baz erstmals mit einer Kalex-Schwinge an – prompt gelang der erste Podestplatz des Jahres.

Aus politischen Gründen vermeiden die Verantwortlichen bei BMW bislang die Nennung des Namens Kalex in Zusammenhang mit der neuen Schwinge, die beim Test in Donington Park am 28. Juni und dann bei den Rennen an gleicher Stelle Mitte Juli an den Bikes von Scott Redding und Loris Baz zum Einsatz kam. Die offizielle Sprachregelung lautet «neue Schwinge».

Denn seit 2019 wurden Schwingen der Schweizer Firma Suter eingesetzt, Eugene Laverty und Peter Hickman werden diese beim SBK-Event in Most am kommenden Wochenende zum letzten Mal fahren – weil nicht genügend neue Schwingen von Kalex vorhanden sind.

Da BMW mit der Kalex-Schwinge ein deutlicher Fortschritt gelang, Redding sorgte als Dritter im Superpole-Race für den ersten Podestplatz in diesem Jahr, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Firma aus Bobingen bei Augsburg als neuer Partner vorgestellt wird.

Denn aufmerksamen Beobachtern fiel auf: Erstmals seit 2017 war Alex Baumgärtel in Donington Park bei einem Event der Superbike-WM dabei, damals hat die Firma des gebürtigen Karlsruhers die erste Superbike-Schwinge für das Puccetti-Team entwickelt.

Alex’ Vornamen sind die vier Buchstaben hinter dem K bei Kalex entlehnt, das K kommt von Kompagnon Klaus Hirsekorn. In England war Baumgärtel regelmäßig in der BMW-Box zu sehen und nahm auch an den Nachbesprechungen mit den Fahrern teil.

Offiziell will sich Baumgärtel zum jetzigen Zeitpunkt zum Thema BMW nicht äußern, SPEEDWEEK.com erklärte er im persönlichen Gespräch aber gerne, welche Herausforderungen die Entwicklung einer neuen Schwinge mit sich bringt.

Alex, warum hast du seit 2017 mit Puccetti nichts mehr mit Superbike-Teams gemacht?

Als wir damals fertig waren, wurde das Reglement umgestellt – es wurden Kostendeckel eingeführt und Homologationen für die Schwinge nötig.

Wir waren damals auf dem Level der Werke, in dem Moment war aber der Kunde weg, wenn das Werk das Produkt vertreiben kann. Das Klientel funktioniert so, dass sie Werksmaterial bevorzugen, wenn es das gibt.

Könnt ihr als Hersteller mit dem Kostendeckel von 10.000 Euro für eine Schwinge in der Superbike-WM Geld verdienen?

Das ist ganz schwierig. Das war damals genau das Thema. Wenn dann auch noch ein vergleichbares Produkt vom Motorradhersteller dasteht, dann wird es schwierig und du musst dich auf etwas anderes konzentrieren.

Welche Fertigungsverfahren gibt es für eine Schwinge?

Du kannst Teile der Schwinge als Blech machen und umformen, pressen, gestalten, oder sie aus dem Vollen fräsen. Damit bist du variabler, was die Wandstärken betrifft. Diese Aluminiumteile werden dann zusammengeschweißt.

Man kann auch Carbon-Schwingen machen, wie sie in der MotoGP-Klasse eingesetzt werden. Das ist noch mal ein anderer Aufwand, auch von der Simulation. Damit habe ich keine Erfahrung, wir kommen mit unserer Infrastruktur mit Aluminium und Fräsen gut zurecht.

Für Carbon müssten wir in etwas investieren, wofür wir die Kapazität nicht haben. Wir sind nahe mit der Firma Holzer verbunden und haben kurze Wege, was die Fertigung betrifft. Ich sehe es als wirtschaftlich sinnvoll, mit Aluminium weiterzumachen. Für die Moto2-Klasse funktioniert das auch gut, man kann es reparieren. Nach einem Sturz mit einer Carbon-Schwinge hängt ein großer logistischer Aufwand dahinter, weil sie dann mit Ultraschall geprüft werden muss und so weiter. Mit der Anzahl, die wir in Moto2 machen, wäre das zu viel. Ich halte das nicht für passend für diese Klasse.

Wie viele Schwingen baut ihr für die Moto2-WM im Jahr?

Um die 50 Stück. Die Europameisterschaft lebt vom Materialfluss aus dem Grand Prix, was auch gut ist. Das ist sinnvoll, weil die Teams so Budget finden können und das Material verbraucht wird. Wir spielen nur in unserer kleinen Welt Moto2.

Das heißt, die Werksteams in der MotoGP- und Superbike-WM fahren mit eigenem Material?

Ja, ich vermute, das wird in den Werken entwickelt. Ich weiß es aber nicht. Bei Kawasaki war es 2017 auf jeden Fall so, dass die Schwinge aus dem Werk in Japan kam. Und Japan ist teuer. Es gibt aber auch Werke, die solche Entwicklungen auslagern. Das geht schon bei den Arbeitsstunden los, die nicht immer mit dem Betriebsrat vereinbar sind. Wenn du im Wettbewerb stehst, dann musst du die Ärmel hochkrempeln.

Wenn du heute eine Superbike-Schwinge baust, kannst du dann von den Erfahrungen mit Puccetti 2017 profitieren?

Wir bekamen damals zumindest etwas Laufleistung. Bei den Reifen und der Performance der Elektronik hat sich die vergangenen fünf Jahre aber einiges getan.

Mein Know-how habe ich mit den Dunlop-Reifen aus der Moto2; Pirelli hat den Charakter der Reifen aber nicht grundsätzlich verändert, womit ich Ansätze aus der Vergangenheit habe.

Was ist bei einer Schwinge von euch besser als beim Standardmodell?

Das Lenkverhalten und die Traktion. Eine Schwinge muss ab der Bremsphase arbeiten. Da braucht es Stabilität – man kann aber auch Überstabilität oder Rutschen erzeugen.

In der Regel kannst du am Kurveneingang, beim Lösen der Bremse, mit der Schwinge ein Einlenkverhalten und Gripsituationen erzeugen.

Das ist immer ein Balance-Spiel. Stabilität nützt hier und schadet dort.

Das lässt sich alles über Steifigkeit und Torsion regulieren?

Je nachdem, wie hoch die Torsions- oder die Seitensteifigkeit ist, kannst du Effekte erzeugen, dass das Motorrad beim Einlenken von sich aus eine Kurve macht.

Je weicher die Schwinge, umso mehr Traktion?

Genau. Irgendwann wird es dann zu weich, dann kommt Bewegung ins Heck, die ungedämpft ist. Das heißt, du nimmst Kräfte aus dem Dämpfungssystem raus und diese fließen in etwas Flexibles ein. Dann hast du die Grenze überschritten.

Eine Schwinge im Rennsport ist immer weicher als die in der Serienmaschine?

In Seitensteifigkeit sind die Serienteile immer steifer, denke ich. Das kommt davon, weil das Serienbike für zwei Leute und andere Lastfälle ausgelegt ist. In der Torsion fehlt es ihnen meistens. Das ist die Problematik: Die Torsion soll hoch und die Seitensteifigkeit reduziert werden.

Die Entwicklung einer solchen Schwinge ist reines Probieren?

Genau, wir müssen unter Umständen jede Menge Schwingen bauen, das ist Entwicklung, um das in einem Wort zu sagen. Man kann und muss sich als Ingenieur natürlich an Zahlen der Simulation orientieren, aber am Ende geht es um das Gefühl, das man einem Fahrer mit einem neuen Bauteil vermitteln kann. Gefühl ist aber schwer von Anfang an in Zahlen zu fassen, das muss man auch als Entwickler aufbauen. Und das läuft über den Fahrversuch. Bedingungen ändern sich von Strecke zu Strecke, morgens zu abends, Reifen zu Reifen, Fahrer zu Fahrer. Das ist extrem interessant und komplex.

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