Marco Melandri ließ sich überreden – für wie oft?
Marco Melandri (li.) und Axel Bassani haben in Barcelona erstmals zusammengearbeitet
2019 sollte das letzte Jahr von Marco Melandri (22 Siege, 75 Podestplätze) in der Superbike-WM werden, bereits am 10. Juli verkündete er seinen Rücktritt zum Saisonende. Doch als Barni Ducati 2020 einen Ersatz für den dauerverletzten Leon Camier suchte, wurde der Italiener schwach und überraschte mit einem Comeback. Der Haudegen war überzeugt, dass er mit der Panigale V4R gut zurechtkommen würde. Doch nur bei seinem ersten Einsatz in Jerez reichte es für Melandri für die Top-10, später waren bereits Punkteränge eine große Herausforderung. Nach nur vier Meetings zog er die Reißleine und erklärte erneut seinen Rücktritt.
Seither genießt der inzwischen 41-Jährige sein Leben, Veranstaltungen der Superbike-WM besucht er nur sporadisch, bei Rennen in Italien ist er immer wieder anzutreffen.
Umso überraschender war seine Anwesenheit bei den Barcelona-Tests diese Woche. Melandri stand Kawasaki-Werksfahrer Axel Bassani beratend zur Seite, die beiden verbindet ihr gemeinsamer Manager Alberto Vergani.
«Ich versuche Axel in allen Belangen zu helfen», erklärte Melandri beim Treffen mit SPEEDWEEK.com im Paddock des Catalunya-Circuits. «Ich schaue mir an, wie er auf der Strecke fährt, aber auch, wie er mit dem Team zusammenarbeitet. Er ist jung und der Schritt von einem Privatteam in ein Werksteam ist groß. Axel fragte mich im Winter, ob ich mit ihm arbeiten kann, ich will aber nicht mehr reisen. Nach Phillip Island rief er mich wieder an, der Test hier war eine gute Chance, das mal zu versuchen. Bei Tests geht es entspannter zu, so hatte ich Zeit, ihn kennenzulernen.»
«Einige Jungs aus dem Team kannte ich bereits», bemerkte Marco. «Sein Crew-Chief Marcel Duinker arbeitete mit mir, als ich für Kawasaki MotoGP fuhr, Elektroniker Danilo ebenfalls. Ich schaute mir an, wie die Kommunikation in der Box läuft. Ich mag die technische Seite des Sports sehr, deshalb war das eine nette Aufgabe für mich. Ich habe mir die Daten immer sehr genau angeschaut. Für junge Fahrer ist das schwierig, weil sie mit Informationen überhäuft werden. Sie brauchen Hilfe, um zu sehen, was sie aus den Daten ableiten können. Dazu müssen sich der Fahrer und der Elektroniker gut kennen. Axel muss seine Kommentare auf gewisse Weise abgeben, um den Elektronikern das Leben einfacher zu machen. Das gilt vor allem zwischen den Sessions an einem Rennwochenende, weil du da nicht viel Zeit hast.»
«Der Job eines Rennfahrers ist heute sehr kompliziert», hob Melandri hervor. «Das Fahren ist nur ein Teil davon. Wenn die Beziehungen in einem Team einmal aufgebaut sind, dann wird das einfacher. Das ist der Grund, weshalb Fahrer bei einem Teamwechsel immer einige Leute mitnehmen wollen. Die menschliche Seite ist sehr wichtig. Fahrer sagen das Gleiche auf unterschiedliche Art. Ich habe versucht, Axels Kommentare für Marcel zu übersetzen. Wenn Axel schildert, was er auf dem Motorrad fühlt, dann kann ich mir das vorstellen. Und das dann in anderen Worten als Axel Marcel erklären. Ich kenne Marcel ein bisschen: Wenn er es versteht, sehe ich das in seinen Augen.»
Gesetztenfalls Bassani hätte Melandri gerne die ganze Saison an seiner Seite: Kommt das für den Routinier in Frage? «Ivo, du denkst zu weit», lachte Marco. «In Assen werde ich auf keinen Fall sein, da schneit es vielleicht. Ein paar Rennen sind vielleicht möglich, dass ich dabei bin. Ich habe keinen Plan. Ich liebe diese Rennserie, aber ich will nicht mehr reisen. Nach 22 Jahren bin ich müde.»