Valentino Rossi sucht das Glück

Sind die ständigen BoP-Änderungen noch Motorsport?

Von Oliver Müller
Ohne Chancen auf den Sieg bei den 6h von Watkins Glen: Der Mazda DPi

Ohne Chancen auf den Sieg bei den 6h von Watkins Glen: Der Mazda DPi

SPEEDWEEK.com setzt sich mit den kontinuierlichen Anpassungen bei den Einstufungen der Rennwagen auseinander. Als Beispiel wird die Prototypen-Klasse der IMSA genommen. Verlieren die Zuschauer dadurch das Interesse?

Der heutige Motorspot ist zu einer ständigen Diskussion um Einstufungen der Rennwagen verkommen. Hat ein Modell bei einem Rennen gut ausgesehen, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Regelhüter im Anschluss eine neue Einstufung herausbringen, um beim Folgelauf ein neues Gleichgewicht zu schaffen. So werden alle (oder viele) in die jeweilige Rennserie involvierten Teams von der Theorie glücklich gehalten, da die Chance auf einen eigenen Rennsieg besteht. Potenziell erzeugt diese Vorgehensweise auch ordentlich Rennspannung, weil Fahrzeuge mit ähnlichen Performance-Werten auf der Strecke auch dicht beieinander liegen und somit in enge Fights verwickelt sind.

Alle Akteure müssten sich demnach eigentlich erfreut über die gängige Praxis des Einstufungsgehabes zeigen. Und doch ist die Balance of Performance (BoP) in den jeweiligen Paddocks ständiges Diskussionsthema und sorgt bei den Beteiligten in der Regel tendenziell eher für schlechte als für gute Stimmung. Ein aktuelles Beispiel ist hierfür die amerikanische IMSA-Serie. Zu Beginn des Jahres hatten die DPi-Fahrzeuge ganz klar das Geschehen an der Spitze des Feldes dominiert. Das lag ganz einfach daran, dass diese Renner von den Werksmannschaften über den Winter weiterentwickelt (bzw. auch technisch im Detail verfeinert) wurden. Die konkurrierenden LMP2 sind dagegen fest homologiert und dürfen als Folge nicht weiter angefasst werden. Als Reaktion versuchte die IMSA im Laufe der Saison, die DPi immer weiter einzubremsen, damit sie mit den LMP2 auf ein gleiches Niveau kommen. Dies gelang bei den ersten fünf Läufen des Jahres (24h Daytona, 12h Sebring, Long Beach, Mid-Ohio, Detroit) jedoch nicht wirklich.

Erst beim Rennen am vergangenen Wochenende in Watkins Glen konnten die LMP2 um den Sieg mitfighten. Tatsächlich waren sie in Bezug auf Parameter wie Reichweite und Topspeed den DPi sogar leicht überlegen. Die Folge: Im Paddock machte sich natürlich gleich Unmut über die Einstufung breit. Und für das anstehende Rennen in Mosport kam es, wie es kommen musste. Den DPi von Cadillac, Mazda und Nissan wurde ein größeres Tankvolumen und mehr Motorleistung zugesprochen. Lediglich die Acura DPi gingen bei der Neueinstufung leer aus. Womöglich deswegen, weil die vom Team Penske betreuten Wagen in Watkins Glen mit den LMP2 mithalten konnten.

Nochmals kurz zusammen gefasst stellt sich die Situation also so dar: Zu Beginn des Jahres sind die LMP2-Teams unglücklich, weil sie nicht (wie zuvor versprochen) um Siege fahren können. Und später schreien die DPi-Equipen/Hersteller auf, da sie von privaten Mannschaften geschlagen werden. Oder andres ausgedrückt: Über das ganze Jahr wird ständig an der BoP (bzw. der zulässigen Aerodynamik der DPi) gebastelt. Kein Rennen zeigt die wahren Leistungsverhältnisse der Boliden auf. Und je nachdem wie gerade ein Rennen ausgeht, werden für den Folgelauf Anpassungen vorgenommen.

Für einen Zuschauer/Fan stellt sich dabei jedoch die Frage, inwieweit hier das Verständnis noch geht. Ein Beispiel: Ein Mazda-Supporter aus dem Bereich New York fuhr am Wochenende nach Watkins Glen und stellte fest, dass sein präferierter DPi beim 6h-Klassiker chancenlos ist. Ein anderer Mazda-Sympathisant aus Kanada freut sich am kommenden Wochenende womöglich (wegen der neuen BoP) über einen wettbewerbsfähigen Mazda in Mosport.

Nur mal angenommen, die LMP2 wären schon beim Rennen in Detroit Anfang Juni leicht im Vorteil gewesen, dann hätten die DPi aller Voraussicht nach bereits für Watkins Glen wieder Zugeständnisse bekommen und dominiert. Der angesprochene Mazda-Fan aus New York hätte sich dann über einen konkurrenzfähigen DPi gefreut. Jedoch säße sein Pendant aus Kanada wohl recht unglücklich auf der Tribüne, weil sein Liebling (durch eine potenzielle neue BoP-Änderung wieder zuungunsten der DPi) hinterher fahren würde.

Wie kann einem Zuschauer so etwas noch erklärt werden? Wie sollen sich Menschen noch für den Sport interessieren, wenn die Unterschiede bei der Performance ständig neu von oben definiert werden? Wie kann dann eigentlich noch ein Rückschluss von den Rennwagen auf das Privatauto in der häuslichen Garage gezogen werden? All das sind Fragen, welchen sich der Motorsport in Zukunft stellen muss. Viele Fans haben ihre Antwort bereits gegeben, was an den im Vergleich zu früher leereren Tribünen festzustellen ist.

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