DRM: Mit Feuerzeugfüllung zum Doppelsieg

Ein Jägermeister-Porsche 934 im Karussell
In die Rivalität der Kölner Rennställe der Gebrüder Kremer und Georg Loos mischte sich die Reutlinger Max Moritz-Mannschaft mit großem Erfolg ein, teils mit eigenwilligen Strategien.
Wie langsam würde man schnell fahren müssen, um im Ziel die Konkurrenz hinter sich zu halten? Und würde man die richtige Balance finden, schnell genug zu sein, um – wenn die anderen einen blitzartigen Tankstopp einlegten, um dann volles Kanonenrohr weiter zu fahren – den so gewonnenen Vorsprung bis zum Schluss halten können.
Fragen, die damals, im noch weitgehend computerlosen Zeitalter, niemand mit auch nur annähernd hoher Wahrscheinlichkeit beantworten konnte. Diesmal erinnern wir an eine der denkwürdigsten letzten Runden eines DRM-Rennens – und wie es dazu kam.
Als am 2. Mai 1976 die große Division der Rennsport-Meisterschaft in Richtung Südkehre des Nürburgrings davon donnerte, bot sich folgende Ausgangslage: Mit Bob Wollek im Kremer-Porsche, Toine Hezemans im gleichwertigen Loos/Tebernum-Pendant und dem Max-Moritz-Duo Helmut Kelleners und Reinhardt Stenzel standen sich ziemlich ebenbürtige Piloten der Extraklasse mit genau gleichwertigem Renngerät gegenüber.
Sie alle verfügten erstmals über das neue Gruppe-4-Modell der Stuttgarter Marke mit knapp 500 PS starker Turbomotorisierung und der offiziellen Typenbezeichnung 934.
Die Renndistanz über acht Runden Nordschleife betrug 183 km. Die Tankkapazität der Rennwagen gemäß Artikel 255 g des Anhanges J zum Internationalen Automobilsport-Gesetz 120 Liter.
Das war knapp, zumal, wenn man die Einführungsrunde auf der Betonschleife berücksichtigt.
Eine Blitztanke samt Boxendurchfahrt war mit rund 20 Sekunden plus/minus zu veranschlagen. Das müsste sich eigentlich ohne Tankstopp gerade so ausgehen – oder auch nicht.
Leicht auszumalen, wie hitzig das Szenario zwischen Fahrern, Teamchefs und Technikern diskutiert wurde. Natürlich unter grösster Geheimhaltung. Schließlich wollte man allein die richtige Entscheidung treffen und nachher nicht wie Trottel dastehen.
Letztlich lief es darauf hinaus, dass die Fahrer über die Distanz ein Gefühl dafür entwickeln sollten und mussten, hopp oder top.
Danach sah es zunächst aber mal nicht aus, denn die Spitze zischte davon, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her: Von Haushalten keine Spur. Die Führung wechselte ständig. Der Start ging an Stenzel, die Runden 1 und 2 an Hezemans, die dritte an Wollek, dann führte Kelleners. Letzterer schraubte den Rundenrekord in der sechsten Durchfahrt auf einen neuen, unglaublichen Bestwert, was die Vermutung nahelegte, der Moerser hätte es keineswegs mit dem Sparmodus.
In Runde 6 schien es, als hätte Hezemans verstanden, dass es bei dieser wilden Hatz nicht ohne Nachtanken funktionierte: Der fliegende Holländer kam, auf der letzten Rille bremsend, mit rauchenden Slicks bei seinem Tankwart zum Stehen, fasste im Nullkommanix 25 Liter nach und pfiff davon.
In der folgenden Runde wurde es auch Wollek klar: Das geht nicht gut; er zog die Notbremse. Einmal Nachtanken und ab wie die französische Kavallerie.
Listigerweise hatte auch Kelleners’ und Stenzels Teamchef Rudi Sauter zuvor den Tankmenschen prominent nach vorn geschickt, aber der blieb ohne Job. Wie selbstverständlich, aber innerlich sicher mit klammen Herzen, donnerten Kelleners und Stenzel bei Start und Ziel durch (Sauter: «Ich habe ihnen die Entscheidung selbst überlassen.»)
Und jetzt begann der Krimi erst so richtig.
Würde der Sprit reichen, würden die beiden irgendwo am Brünnchen, im Pflanzgarten oder schließlich auf der Döttinger Höhe die letzten Motorumdrehungen von sich geben? Oder könnten die beiden Jäger das mutige Führungsduo unterwegs oder kurz vor dem Ziel noch abfangen?
Auf jeden Fall geht dieses Eifelrennen als das Rennen der langen Hälse in die Geschichte der Rennsport-Meisterschaft ein.
Welche Farbe taucht als Erster aus der Schikane am Ende der langen Geraden auf? Rot (Hezemans), Grün (Wollek) oder Orange (Kelleners)? Die Minuten, seit sich die Kontrahenten zum letzten Mal in Richtung Hatzenbach verabschiedet hatten, zogen sich wie ausgebissener Kaugummi.
Keiner weiß mehr, was alles verflucht, gebetet, geknetet oder zerdrückt wurde, ehe Motorengeräusche nahten. Dann endlich – Orange, und kaum mehr als 20 Sekunden danach nochmals Orange! Doppelsieg für die Max-Moritz-Truppe, doppelt belohnt für ihren Wagemut, sich mit gerade mal einer Feuerzeugfüllung Restsprit ins Ziel zu retten.