Über Logan Sargeant
2023 tritt die Königsklasse gleich drei Mal in den USA an – in Miami (Florida), in Austin (Texas) und in Las Vegas (Nevada). Formel-1-CEO Stefano Domenicali hatte festgehalten: «Der nächste logische Schritt bei unserer Expansion in Amerika muss ein US-amerikanischer Formel-1-Fahrer sein.»
Das hätte eigentlich Colton Herta werden sollen, an dem McLaren und Red Bull grosses Interesse zeigten. Aber der vielversprechende Kalifornier scheiterte an der Superlizenz-Regel – ein junger Rennfahrer muss in verschiedenen Serien und nach einem komplizierten Schlüssel mindestens 40 Punkte erringen, um diesen F1-Führerschein zu erhalten. Herta hatte zu wenige Punkte und unterschrieb einen neuen Vertrag in der IndyCar-Serie.
Auch für Logan Sargeant wurde die Punkte-Regel zu einer Hürde. Williams liess den Formel-2-Fahrer mehrfach an einem Freitag im ersten Training fahren, was Zusatzpunkte für die Superlizenz gibt, am Ende reichte dem Piloten aus Fort Lauderdale (Florida) Schlussrang 4 in der Formel-2-Meisterschaft 2022, um sich die Lizenz für die Königsklasse 2023 zu sichern.
Damit ist Logan Sargeant offiziell der 58. US-amerikanische Rennfahrer in der Formel-1-WM, aber die Statistik schliesst auch jene Piloten ein, die nur am Indy 500 teilnahmen, das jahrelang zur Formel-1-WM gehörte.
Sargeant ist der erste US-amerikanische Fahrer seit Alexander Rossi 2015, der Grands Prix fahren wird, und der erste US-amerikanische Stammfahrer seit Scott Speed 2007 bei Toro Rosso (heute AlphaTauri).
Die US-amerikanischen Fans müssen ganz schön lange auf Erfolgserlebnisse warten. Weder Speed noch Rossi konnten in der Formel 1 punkten, der letzte Amerikaner mit WM-Zählern war Michael Andretti in Monza 1993!
Der letzte Sieger aus den USA: Michaels Vater Mario Andretti in Zandvoort 1978, im gleichen Jahr wurde er Weltmeister.
Ganz besonders bei den US-amerikanischen WM-Läufen wird die Aufmerksamkeit für den jungen Sargeant 2023 enorm sein. Aber Logan sagte im Fahrerlager des Yas Marina Circuit 2022: «Ich spüre keinen zusätzlichen Druck, weil ich als Amerikaner in die Formel 1 komme. Letztlich habe ich genau so hart gearbeitet, um mein Ziel zu erreichen, wie so mancher Pilot aus anderen Ländern auch.»
So strebte Sargeant der Formel 1 entgegen: 2015 wurde Logan Kart-Weltmeister, als erster US-Amerikaner seit Lake Speed, der später StockCar-Fahrer wurde. Im Winter 2016/2017 sass Sargeant im Formel-4-Renner und wurde in der arabischen Meisterschaft Gesamtzweiter. Von dort ging’s für die Saison 2017 nach England in die britische Formel 4, dort belegte Logan den dritten Schlussrang.
2018 verfeinerte der Floridianer sein Rennhandwerk in der Formel Renault (Vierter im Eurocup, Fünfter in der NEC), 2019 dann ein Lehrjahr in der Formel 3, mit Platz 3 beim F3-Klassiker von Macau als Highlight.
2020 wechselte Logan zu Prema und errang den dritten Gesamtrang, 2021 wurde er Siebter. Drei Jahre Formel 3 waren genug, Sargeant stieg mit Carlin in die Formel 2 auf und wurde Gesamtvierter.
Im Rahmen des USA-GP auf dem Circuit of the Americas (COTA) bei Austin (Texas) bestätigte der damalige Williams-Teamchef Jost Capito: «Wenn das alles wie geplant klappt mit der Superlizenz, dann wird Logan 2023 für Williams Grand Prix fahren. Wir glauben, dass er für die Formel 1 bereit ist. Er ist ein überdurchschnittlich guter Qualifyer, er lernt sehr schnell, und er zeigt solide Rennen. Wir können uns den Einsatz eines GP-Neulings leisten, denn wir haben mit Alex Albon einen erfahrenen Mann im zweiten Auto.»
Logan selber sagt: «Ich will mich einfach so gründlich als möglich vorbereiten und 2023 mein Bestes geben. Dann kann ich die Fans aus Amerika stolz machen. Der grösste Druck kommt nicht aus den USA, den grössten Druck mache ich mir selber.»
«Ich werde mich körperlich mustergültig vorbereiten, ich werde oft im Rennwagenwerk von Williams sein, ich werde alles Erdenkliche machen, um Leistung zu liefern. Und das reicht dann hoffentlich, um viele Jahre Formel 1 fahren zu können.»
Auf das Formel-2-Finale von Abu Dhabi, für die Superlizenz so wichtig, blickt Sargeant so zurück: «Ich musste eine Balance finden aus Risiko und Vorsicht. Mir war klar, was auf dem Spiel steht. Aber ich versuchte, mich nicht irre machen zu lassen. Ich wusste – wenn ich einfach so fahre wie in der ganzen Saison, dann wird es reichen.»
«Klar fiel mir eine Last von den Schultern, als ich wusste, dass ich die notwendigen Punkte in der Tasche habe. Aber dann begann ich schon darüber nachzudenken, was wir beim Nachsaisontest alles machen können. Die Formel 1 fühlt sich bereits ganz normal an.»
Der Floridianer musste 2023 bei Williams hartes Brot essen: Während Alex Albon sehr guter WM-13. wurde und 27 Punkte einfuhr, kam Logan nur auf einen mickrigen Zähler, und der wurde ihm erst noch geschenkt – nach der Disqualifikation von Lewis Hamilton und Charles Leclerc in Texas rückte Williams-Fahrer Sargeant um zwei Ränge hoch. Bester Startplatz von Logan in der GP-Saison 2023: Sechster in Las Vegas.
Auf die Frage nach der grössten Lehre aus seiner ersten Formel-1-Saison sagte der US-Amerikaner: «Es wird einem vor Augen geführt, wie viel Aufwand notwendig ist, um jeden Tag auf solch hohem Niveau zu fahren. In den Nachwuchsklassen kannst du dir zwischendurch mal einen Tag leisten, an dem du so mittelprächtig agierst. Und du mischst dennoch vorne mit. Das kannst du in der Formel 1 glatt vergessen.»
«Am meisten gefreut habe ich mich 2023 über die Quali in Las Vegas, da konnte ich wirklich zeigen, was in mir steckt. Endlich konnte ich mal meine Leistung in allen drei Qualifikations-Segmenten auf den Punkt bringen, dazu hatten wir in Vegas ein sauschnelles Auto.»
Nicht zuletzt wegen der US-amerikanischen Investoren bei Williams, Dorilton Capital, erhielt Logan Sargeant ein zweites Jahr in der Königsklasse.
Der Floridianer: «Ich kenne meine Ziele für die Saison 2024. Ich will mehr beitragen. Ich bin mental und körperlich noch besser vorbereitet als vor einem Jahr. Ich hatte viel Zeit, über mein erstes Jahr nachzudenken. Ich was ich alles gelernt habe, das will ich 2024 umsetzen. Ich will auf höherem Niveau fahren und konstanter.»
«Ich habe jetzt für alle Rennstrecken und für viele Situationen Referenzpunkte, das ist von unschätzbarem Wert und ein fundamentaler Unterschied zu einer ersten Saison. Alex und ich werden ein ganz anderes Auto haben als 2023, in Bahrain müssen wir möglichst viel über den neuen Wagen lernen. Natürlich haben wir seit längerem die Daten des 2024er Autos im Simulator, und das Fahrzeug ist angenehmer zu fahren.»
Für 2024 lautete die Vorgabe von Williams-Teamchef James Vowles: «Wir wollen von Logan eine deutliche Steigerung sehen.»
Aber die kam nicht. Ganz im Gegenteil blieb die Fehlerquote hoch und nach einem weiteren Crash, dieses Mal in Zandvoort, zog Williams die Reissleine – Logan Sargeant wurde durch den Argentinier Franco Colapinto ersetzt. Der setzte seinen Williams zwar ebenfalls regelmässig in die Botanik, aber in Sachen Speed kam er Albon erheblich näher, und er trug zum Punktekonto des Traditionsrennstalls bei
Schon in seinem zweiten Einsatz in Baku fuhr Colapinto mit vier Punkten für Platz 8 mehr Punkte ein als Sargeant und der Kanadier Nicholas Latifi vor ihm bei insgesamt 69 WM-Läufen!
Williams verabschiedete Logan Sargeant so: «Das Team möchte die Gelegenheit nutzen, um Logan für seine harte Arbeit und seinen Beitrag in den letzten beiden Saisons zu danken. Er hat 36 Grands Prix bestritten und wurde beim US GP im vergangenen Jahr der erste amerikanische Fahrer, der seit Michael Andretti vor 30 Jahren einen F1-Punkt holte.»
Williams-Teamchef James Vowles: «Einen Fahrer mitten in der Saison zu ersetzen, ist keine Entscheidung, die wir leichtfertig getroffen haben. Aber wir glauben, dass Williams damit die besten Chancen hat, für den Rest der Saison um Punkte zu kämpfen. Wir haben gerade ein umfangreiches Upgrade am Auto vorgenommen und müssen in einem bemerkenswert engen Kampf im Mittelfeld jede Gelegenheit nutzen, um in die Punkte zu fahren.»
«Wir investieren auch in unsere jungen Fahrer in der Williams Racing Driver Academy, und Franco erhält eine fantastische Gelegenheit, in den letzten neun Rennen der Saison zu zeigen, wozu er fähig ist. Ich wei22, dass Franco sehr schnell ist und grosses Potenzial hat, und wir freuen uns darauf, zu sehen, was er in der Formel 1 erreichen kann.»
«Für Logan, der während seiner gesamten Zeit bei Williams alles gegeben hat, ist das zweifellos hart, und wir möchten ihm für seine Arbeit und seine positive Einstellung danken. Logan ist nach wie vor ein talentierter Fahrer, und wir werden ihn dabei unterstützen, seine Rennkarriere fortzusetzen.»
Logan Sargeant kam 2025 in der Formel 1 wie zu erwarten nicht mehr unter. Er testete ein IndyCar für Meyer Shank Racing und unterzeichnete dann einen Vertrag mit Genesis und IDEC Sport für Einsätze in den European Le Mans Series. Die GP-Karriere des Amerikaners ist vorbei.