Rückkehr zu V10-Motor: Fans und Fahrer enttäuscht

Abu Dhabi 2020: Fernando Alonso heizt im Renault R25-V10 um den Kurs
Renault verliess mit dem Abu Dhabi-GP 2020 offiziell als Marke die Formel 1, die Franzosen treten seit 2021 als Alpine an. Die Franzosen wollten sich damals mit Stil verabschieden, nach 399 Rennen, 35 Siegen sowie vier WM-Titeln – zwei mit Fernando Alonso 2005 und 2006, zwei in der Markenwertung in den gleichen Jahren.
Um dieses Kapitel würdig abzuschliessen, brachte Renault das 2005er Weltmeister-Auto von Fernando Alonso zum Yas Marina Circuit, den Renault R25 mit herrlich kreischendem Dreiliter-V10-Saugmotor. Es war der letzte Zehnzylinder der Franzosen, denn ab 2006 wurde mit 2,4-LiterV8-Aggregaten gefahren.
Als Max Verstappen, Valtteri Bottas und Lewis Hamilton bei der Pressekonferenz der ersten Drei des Abu Dhabi-Abschlusstrainings sassen, war draussen das Heulen von Alonsos Motor zu hören. Max grinste: «Horcht mal, da ist Fernando am Üben.»
Es gab in der ganzen Boxengasse lange Hälse, viele Mechaniker liessen es sich nicht nehmen, die Runden von Alonso zu verfolgen, am Schutzzaun zur Piste hängend.
Fernando Alonso war schneller denn je, denn vor zwanzig Jahren rollten die GP-Renner auf diesen unsäglichen Rillenreifen, nun aber hatte der R25 Slicks spendiert erhalten!
Einige Neugierige liessen übrigens am Yas Marina die Stoppuhr mitlaufen: Die Rundenzeiten von Alonso lagen nur um rund fünf Sekunden über den schnellsten Formel-1-Zeiten. Das liegt vor allem daran, dass die Autos früher rund 150 Kilogramm leichter waren. Der 2005er Renault-Motor leistete 920 PS, die heutigen Turbohybrid-Aggregate liegen bei rund 1000 PS.
Um genau zu sein, fuhr Alonso 1:39er Runden. Zum Vergleich: Nicholas Latifi im Williams erreichte als Letzter des aktuellen Formel-1-Felds eine Zeit von 1:38,443 min.
Alonso sagte: «Wir vermissen doch alle diesen unvergleichlichen Sound des V10-Saugmotors, nicht nur die Fans, sondern auch die Menschen im Fahrerlager, einschliesslich uns Fahrern! Wir vermissen diese Formel 1, in die wir uns als Jugendliche verknallt haben und über die wir vor dem Fernseher staunten.»
«Diese Demorunden sind etwas ganz Besonderes. Ich habe natürlich bemerkt, dass nicht nur die Renault-Mechaniker an der Boxenmauer hingen. Ich finde, das zeigt doch den Geist in diesem Sport – wenn wir ein Auto aus einer anderen Ära auf die Bahn bringen und sofort helle Begeisterung aufflammt. Das verbindet uns, und das finde ich schön.»
«Dieses Auto ist noch immer richtig schnell. Es klingt schon schnell! Am Lenkrad spürst du jede Bodenwelle, jede Vibration. Das Auto ist viel agiler als die heutigen Renner, weil es um so viel leichter ist. Du steigst mit einem riesigen Lächeln aus – ihr könnt es wegen der Maske nicht sehen, aber glaubt mir, es ist da.»
Einige Leute reagierten überrascht, dass es Alonso bei seinen Demo-Runden so knallen liess. Fernando lacht: «Mit diesem Wagen kannst du gar nicht langsam fahren. Jedes Mal, wenn ich einsteige, dann kommen all diese Erinnerungen zurück. Es fühlt sich einfach ganz natürlich an, schnell zu fahren. Ja, das Auto ist fünfzehn Jahre alt, aber für mich ist es die perfekte Fahrmaschine.»
Die nächste Motorgeneration
Die Autos heute? Im Laufe der Jahre ist der Sound ein wenig gefälliger geworden, denn bei Einführung der neuen Turbohybrid-Aggregate 2014 klangen die Triebwerke wie übellaunige Staubsauger.
Der unwürdige Motoren-Sound ist seit Jahren unter Fans und Fachleuten ein Thema, und seit ein paar Monaten kursierte, nach dem kommenden Triebwerkskonzept ab 2026 könnte dann eine Rückkehr zu den geliebten V10-Saugmotoren kommen, mit umweltfreudlichem Sprit.
Aber, und es schmerzt in der Seele, das sagen zu müssen: Wer ab dem Zeitraum von 2030 bis 2032 ein Comeback der wunderbar lauten Saugmotoren erwartet, der ist naiv. Das wird nicht passieren.
Bei einer jüngsten Sitzung der Formel-1-Motorenhersteller in Bahrain wurde ein solcher Schritt nur beiläufig erwähnt. Die Motorenlieferanten Audi, Ferrari, Ford, General Motors, Honda, Mercedes und Red Bull Powertrains haben dem FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem und Formel-1-CEO Stefano Domenicali klargemacht – die verstärkte Elektrifizierung mit entsprechender Serien-Relevanz ist der Hauptgrund für das Engagement.
Audi kommt vor allem deswegen 2026 in die Königsklasse, Honda hat sich vor allem deswegen zum Bleiben bewegen lassen, Toyota überlegt alleine deswegen eine Rückkehr.
Wir halten fest: Ab 2026 wird weiterhin mit V6-Motoren und einem Turbolader gefahren (der jeden schönen Sound abwürgt), dazu mit klimaneutralem Kraftstoff und einer verstärkten Leistung von rund 450 elektrisch generierten PS. Der Saugmotor steuert dann noch 550 PS bei.
Die Motorenkommission hält fest, dass Elektrifizierung auch bei der übernächsten Generation von Antriebseinheiten Teil der Überlegungen sein wird.
Ein reiner Sauger, sei dies V8 oder V10, ist vom Tisch.
Sebastian Vettel und Lewis Hamilton wehmütig
Der vierfache Formel-1-Champion Sebastian Vettel war knapp sechs Jahre alt, als er zum ersten Mal den Hockenheimring erblickte. «Wir waren nur fürs freie Training da, das war 1993, und es schüttete wie aus Eimern. Wir stoffelten die Waldgerade hinunter, um zur ersten Schikane zu gelangen. Alle Autos waren erst auf ihrer Installationsrunde, fahren wollte bei dem Wetter eigentlich keiner, aber alleine schon bei geringem Tempo das Röhren der Motoren zu hören, der Boden zitterte, du hast die Autos mehr als gehört als gesehen, du hast sie gespürt und gerochen – das war unfassbar, so etwas vergisst du nie wieder.»
Lewis Hamilton hat ähnliche Sehnsucht nach den ohrenbetäubend lauten, hochdrehenden V12- und V10-Motoren. Vor wenigen Jahren hat er im Rahmen einer Medienrunde festgehalten: «Am liebsten hätte ich in der Formel 1 einen V12-Motor. Das wäre wirklich cool, aber das wird nicht passieren. Obwohl es wirklich super wäre, wenn man sich wieder die Ohren zuhalten müsste, wenn ein Formel-1-Auto vorbeirauscht.»
«Richtig laut müsste der Motor meiner Meinung nach sein, wie ein Düsenjet, ein bisschen so wie früher. Ich kann mich noch gut an meinen ersten GP-Besuch von 1996 in Belgien erinnern, als ich im Fahrerlager war und Michael Schumacher reinkam. Alles vibrierte! Wenn du damals an der Strecke warst, hat dich der Sound umgehauen. Heute ist das nicht mehr so, und nicht alle vermissen den Lärm, aber mir persönlich fehlt dieser Sound, ich mag es halt richtig laut.»
Sebastian Vettel ist Traditionalist. Er ist einer der besten Kenner im Formel-1-Feld für Rennhistorie, und er hat über seine Skepsis zur neuen Turbohybrid-Ära der Formel 1 nie ein Geheimnis gemacht. Als er in Sotschi seinen Ferrari zur Seite stellen musste, wegen eines Defekts an der kinetischen Energierückgewinnung, knurrte er in den Funk: «Bringt die verdammten V12 zurück!»
Später sagte der Ferrari-Star: «Diese Aggregate sind sehr komplex. Aus technischer Sicht ist das sicher sehr faszinierend, aber ich habe nun eben meine Meinung dazu. Und ich denke auch, dass es keine grossen Vorteile für den Rennsport und auch nicht für die Zuschauer bringt.»
Als die Formel 1 Anfang 2014 in die neue Turbo-Hybrid-Ära ging, sprach Sebastian Vettel vielen Fans aus dem Herzen: «Das hört sich an, als würde der Staubsauger nebenher laufen, aber nicht wie ein Rennauto auf der Strecke.»
Die Akustik war für viele Fans eine komplette Enttäuschung, nicht wenige wandten sich vom Sport ab. Das neue Motorreglement war damals ein Kind des Gedankens, dass Formel-1-Triebwerke mehr Serienrelevanz haben sollen, hinter dem kleinvolumigen Turbomotor mit Mehrfach-Energierückgewinnung steckten FIA-Präsident Jean Todt und die Autohersteller.
Seit 2014 haben wir nun diese 1,6-Liter-V6-Aggregate, sie klingen inzwischen ein bisschen Formel-1-würdiger, aber gemessen am früheren Sauger ist das wie Fahrstuhl-Musikgesäusel gegen ein Hard-Rock-Konzert.
Ich habe es oft erlebt: Jedes Mal, wenn ein früherer Formel-1-Rennwagen auf die Bahn geht, recken sich sofort die Hälse der Fans und auch vieler Insider im Fahrerlager – SO muss ein Rennmotor klingen!
Den besten Sound der modernen Formel 1 bot jahrelang ausgerechnet ein uraltes Auto – der Minardi-Zweisitzer mit dem V10-Saugmotor im Heck. Wenn ich dann die Gesichter der Fans sehe, dann merke ich: Nicht nur Hamilton und Vettel vermissen diese Aggregate.
Leider wird sich daran nichts ändern.