Über Daniel Ricciardo
Daniel Ricciardos Rennkarriere begann im Alter von neun Jahren, als er sein erstes Kartrennen fuhr. 2005 wechselte er in die westaustralische Formel Ford und wurde in einem 15 Jahre alten Van Diemen Achter. Ein Jahr später gewann er ein Stipendium mit Eurasia Motorsport in der asiatischen Formel BMW, wo er in seiner Debütsaison zwei Siege feierte, ein Mal auf der Pole-Position stand und am Ende der Saison Gesamtdritter wurde. Im August des selben Jahres nahm er auch an zwei Rennen der britischen Formel BMW teil, wo er im ersten Rennen zwar ausschied, im zweiten als Achter jedoch drei Meisterschaftspunkte holte. Ende des Jahres trat er mit Fortec Motorsport im Weltfinale der Formel BMW an, wo er als Fünfter ins Ziel kam.
2007 ging der Australier nach Europa, wo er in der italienischen und europäischen Formel-Renault-Meisterschaft antrat, stand dabei aber nur ein einziges Mal auf dem Podium – als Dritter in Valencia. In seinem zweiten Jahr, 2008, holte Ricciardo als Meister der westeuropäischen Formel-Renault-Meisterschaft seinen ersten Titel in Europa und wurde im Eurocup Zweiter hinter dem späteren Williams-Piloten Valtteri Bottas. 2008 gab Daniel Ricciardo Mitte der Saison am Nürburgring sein Debüt in der Formel 3 und qualifizierte sich gleich als Achter.
2009 folgte der nächste Schritt auf der Karriereleiter in die britische Formel-3-Meisterschaft, wo er mit Carlin Motorsport einen furiosen Einstand gab. Drei Siege in den ersten vier Rennen, vier weitere im Laufe der Saison und insgesamt 13 Podiumsplatzierungen führten dazu, dass sich der Australier schon ein Wochenende vor Saisonende die Meisterschaft sicherte. Ricciardo war nach David Brabham der erste Australier, der den prestigeträchtigen Meistertitel holte. Ebenso wie Jaime Alguersuari, der ein Jahr vor ihm britischer Formel-3-Meister geworden war, wurde Ricciardo von Red Bull gefördert.
Im Dezember 2009 saß Ricciardo bei Testfahrten zum ersten Mal in einem Formel-1-Auto und wurde anschließend gemeinsam von Red Bull Racing und Toro Rosso als Ersatz- und Testfahrer unter Vertrag genommen.
Ende 2009 unterschrieb Daniel Ricciardo bei Tech 1 für die Saison 2010 in der Formel Renault 3.5. Obwohl er nach einem Mountainbike-Unfall den zweiten Test der Saison 2010 auslassen musste, stellte der junge Mann aus Perth sein Auto bei den ersten beiden Saisonrennen im spanischen Alcañiz auf die Pole-Position und stand als Dritter und Zweiter beide Male auf dem Podium. Den ersten Sieg feierte er im siebten Saisonrennen in Monaco und stand auch in Ungarn, Hockenheim und Barcelona ganz oben auf dem Podium. Noch eindrucksvoller als die Siege und Platz 2 in der Meisterschaft war aber Ricciardos Ausbeute an Pole-Positions. Alleine in den ersten zwölf Rennen startete er sechs Mal vom ersten Startplatz.
In Silverstone sorgte der Tech-1-Racing Pilot nach einem Unfall mit Pole-Sitter Jon Lancaster mit einem spektakulären mehrfachen Überschlag für Aufsehen, dem er aber unverletzt entkam. Sieger wurde später übrigens Jean-Éric Vergne, sein späterer Formel-1-Teamkollege bei Toro Rosso. Vor dem letzten Rennwochenende lag der Australier nur drei Punkte hinter dem Meisterschaftsführenden Mikhail Aleshin und holte sich im ersten Rennen nach der achten Pole-Position des Jahres einen Start-Ziel-Sieg. Auch im letzten Rennen lag er auf Sieg- und Meisterschaftskurs, wurde in der vorletzten Runde aber von Aleshin überholt und musste sich so auch in der Meisterschaft um zwei Punkte geschlagen geben.
Beim Young-Driver-Test der Formel-1-Teams am Saisonende in Abu Dhabi fuhr Ricciardo im Red Bull Racing an beiden Tagen die Bestzeit und unterbot sogar Sebastian Vettels Pole-Position-Zeit vom vorangegangenen Wochenende. Wenige Tage später wurde der Younster als Test- und Ersatzfahrer bei Toro Rosso verkündet und sollte 2011 an jedem Rennwochenende im ersten freien Training und auch bei den Wintertests vor Saisonbeginn im Auto sitzen.
2011 absolvierte Daniel Ricciardo ebenfalls seine zweite Saison in der Formel Renault 3.5 für ISR, holte sich seinen zweiten Monaco-Sieg und stand im Laufe der Saison insgesamt sechs Mal auf dem Podium. Am Ende des Jahres war er Meisterschaftsfünfter – und Formel-1-Pilot. Am 30. Juni unterschrieb er nämlich bei HRT und ersetzte dort für den Rest der Saison den Inder Narain Karthikeyan, der nur noch bei seinem Heimrennen in Greater Noida in Cockpit sitzen durfte. Am Saisonende war Ricciardo 27. der Fahrerwertung und hatte das teaminterne Duell gegen Vitantonio Liuzzi mit 6:3 gewonnen.
2012 startete Daniel Ricciardo mit Jean-Éric Vergne als Stammfahrer bei Toro Rosso und holte gleich beim Saisonauftakt in Australien mit Platz 9 seine ersten WM-Punkte. Insgesamt beendete er sechs Rennen in Punkten und schloss seine erste volle Formel-1-Saison auf Platz 18 ab.
2013 blieb er bei Toro Rosso, wieder mit Jean-Éric Vergne als Teamkollegen. In China feierte er mit Platz 7 sein bis dahin bestes Ergebnis in der Königsklasse und schaffte in Silverstone mit Platz 5 sein bestes Qualifying-Ergebnis. Mit 20 zu 13 WM-Punkten setzte er sich am Ende des Jahres gegen seinen Teamkollegen Vergne durch und wurde für 2014 als Ersatz für seinen Landsmann Mark Webber bei Red Bull Racing verkündet, der seine Formel-1-Karriere Ende 2013 beendete und zu Porsche in die Langstrecken-WM wechselte.
2014 bewies Daniel Ricciardo, dass die Entscheidung richtig war, ihn von Toro Rosso zu Red Bull Racing zu befördern – der Australier war immer dann zur Stelle, wenn die übermächtigen Mercedes schwächelten. Ricciardo holte seine ersten drei GP-Siege (in Kanada, Ungarn und Belgien) und stellte Sebastian Vettel in den Schatten: dritter WM-Rang.
Weniger gut lief es 2015: Wegen des enttäuschenden Renault-Motors konnte sich Ricciardo selten ins Szene setzen, nur in Singapur (als Zweiter hinter Sebastian Vettel im Ferrari) konnte er an einem weiteren Sieg schnuppern, als WM-Achter musste er sich sogar seinem neuen Stallgefährten Daniil Kvyat aus Russland geschlagen geben. Ein Jahr zum Vergessen.
Aber Ricciardo fing sich: Keiner punktete wie er in jedem Rennen 2016, regelmässige Spitzenergebnisse brachten ihm zum zweiten Mal nach 2014 den dritten WM-Schlussrang ein. Höhepunkt aus seiner Sicht: «Meine Pole-Runde in Monaco, das kam der Perfektion ziemlich nahe. Und natürlich mein Sieg in Malaysia.»
Ricciardo reagierte gut auf die neue Herausforderung, als vor dem Spanien-GP der junge Max Verstappen von Toro Rosso zu Red Bull Racing geholt wurde – und sensationell seinen ersten WM-Lauf gewann. Der Australier und der Niederländer trieben sich fortan gegenseitig zu Höchstleistungen. Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko: «Eine Idealsituation. Wir haben die stärkste Fahrerpaarung im ganzen Feld.»
Den Ausgleich zum stressigen Rennfahrer-Dasein findet Ricciardo im heimischen Perth mit Freunden. «Ich liebe es, mit meinen Freunden zusammen zu sein. Im australischen Sommer haben wir zu Hause in einige lustige Aktionen unternommen, wir lachen ständig», sagt Ricciardo, der seine gute Laune als seine beste Eigenschaft bezeichnet. «Das kann ich am besten, fröhlich sein und es mir gutgehen lassen. Mich bringt fast alles zum Lachen, zum Beispiel Schauspieler wie Jim Carrey, Adam Sandler oder Will Ferrell», verrät er und fasst seine Lebensphilosophie in einem Satz zusammen: «Ich konzentriere mich auf die positiven Aspekte im Leben.»
Neben Musik – hauptsächlich Punkrock – liebt Daniel Ricciardo auch den Sound von schnellen Zweirädern. «Ich bin ein grosser MotoGP-Fan; ich bewundere alle Fahrer, vor allem Valentino Rossi. Sie sind ganz anders, und ich finde, dass sie uns Autorennfahrer in Sachen Mut in den Schatten stellen.»
2017 begann für Red Bull Racing mit einem Waagrechtstart: Das Auto war nicht siegfähig. Ricciardo bewies aber Biss und zeigte eine fabelhafte Serie – ab Spanien fuhr der Australier fünf Podestränge in Serie heraus. Von Barcelona bis Suzuka stand er in einer Spanne aus zwölf Rennen neun Mal auf dem Podest. Highlight war natürlich der Sieg im Chaos-GP von Baku.
Aber bei Red Bull Racing war ein seltsames Phänomen zu beobachten: Im ersten Saisonteil schien Max Verstappen alles Pech anzuziehen, dann begann bei Ricciardo eine Defektserie. In den letzten vier Rennen sah er nur noch einmal die Zielflagge. So konnte ihn beim Finale von Abu Dhabi Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen in der WM noch überholen, Ricciardo wurde letztlich Gesamtfünfter.
2018 erwies sich als Achterbahnfahrt: Ricciardo konnte in China und Monaco gewinnen, kollidierte in Baku aber ausgerechnet mit seinem RBR-Stallgefährten Max Verstappen. Im zweiten Saisonteil war komplett der Wurm drin. Immer wieder blieb der Wagen des Australiers stehen. Nach dem Sieg in Monaco Ende Mai konnte Daniel kein einziges Mal mehr aufs Siegerpodest gelangen. Im Sommer 2018 platzte die Bombe: Daniel Ricciardo hatte sich dazu entschlossen, den Schoss von Red Bull zu verlassen und 2019 einen Neuanfang bei Renault zu wagen.
Aus dem erhofften Aufwärtstrend bei den Franzosen wurde nichts: Daniel Ricciardo konnte mit Ach und Krach den neunten Schlussrang erreichen.
Renault hat 2019 nicht nur die Saisonziele verpasst (Podestplätze einfahren, die Top-Teams unter Druck setzen), die Franzosen gerieten nach dem zweiten Platz von Pierre Gasly in Brasilien sogar in Gefahr, den fünften WM-Schlussrang an Toro Rosso-Honda zu verlieren. Der Australier Daniel Ricciardo gab zu: «Der Druck auf Renault war gross. Hätten wir diesen fünften Platz im Konstrukteurs-Pokal versemmelt, wäre das wie ein Schlag in den Magen gewesen.»
Diese Gefahr war real: Denn letztlich gingen Ricciardo (als Elfter) und Nico Hülkenberg (als Zwölfter) in Arabien leer aus, Daniil Kvyat von Toro Rosso-Honda wurde Neunter, vor allem jedoch schied Pierre Gasly aus, der schnell genug war, in Abu Dhabi Rang 6 einzufahren. Ein sechster Platz des Franzosen und Rang 10 des Russen hätten für das kleinere Red-Bull-Team gereicht, um Renault noch abzufangen.
Der Australier sagt: «Ein Platz weiter hinten in der Markenwertung, das hätte weniger Preisgeld bedeutet und wäre auch für die Motivation Gift gewesen. Gut, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, aber 2020 müssen wir das besser machen.»
«Es ist wichtig, dass wir herausfinden, wieso wir unter bestimmten Bedingungen 2019 zu wenig schnell gewesen sind. Wir haben uns bei den meisten Rennen unter Wert geschlagen. Aber davon dürfen wir uns nicht beirren lassen.»
Nie war der Mehrkampf im Mittelfeld härter. Daniel weiss: «Gut, natürlich fährst du immer so hart und schnell zu kannst, aber 2019 habe ich sehr viel über Disziplin gelernt. Du musst genau wissen, wann und wie du angreifst. Es war sehr einfach, über den Verhältnissen des Autos zu fahren und damit die Reifen zu überhitzen. Du versuchst, eine Zehntelsekunde herauszuschinden, aber unterm Strich wirst du langsamer. Du musst Beherrschung zeigen. Wenn du anfängst zu rutschen, dann bist zu verloren und wirst gnadenlos zurückgereicht. Der Preis ist hoch.»
Daniel Ricciardo dazu: «Ich hatte die Rennen in China und Monaco gewonnen, in Monte Carlo unter schwierigsten Bedingungen. Ich stellte mir vor, dass ich mein Talent nicht besser in die Auslage stellen kann. Das führte wohl dazu, dass ich zu viel erwartet habe, was das Interesse von anderen Teams angeht. Nach den ersten sechs WM-Läufen von 2018 hatten Seb, Lewis und ich je zwei Rennen gewonnen. Keiner der restlichen Piloten kam uns nahe.»
«Ich war frustriert. Denn auch heute noch sind Mercedes und Ferrari jene beiden Teams, die du schlagen musst, wenn du einen Grand Prix gewinnen möchtest. Mercedes war vielleicht ein wenig konservativ in der Fahrerfrage. Aber ich kann nichts dagegen sagen, denn der Erfolg gibt ihnen Recht.»
Bei Ferrari gab der im Sommer 2018 verstorbene Sergio Marchionne vor: Charles Leclerc soll 2019 den Wagen von Kimi Räikkönen übernehmen. Daniel Ricciardo: «Charles ist ein junger, aufstrebender Pilot, und sein Aufbau scheint einem klaren Plan zu folgen, ungeachtet meiner oder seiner Ergebnisse. Ich respektiere diese Entscheidung, denn Red Bull hat es ja die ganze Zeit vorgemacht, Talente in ein Top-Auto zu setzen, und das hat meistens gut funktioniert. Jungen Piloten eine Chance zu geben, damit war Ferrari in den vergangenen Jahren in Verzug.»
Im Juli, als erste Gerüchte um Leclerc und Ricciardo kreisten, da fragten sich viele Fans: Was ist aus der Möglichkeit geworden, Daniel Ricciardo in einen Ferrari zu setzen? Wieso schien der Australier auf einmal kein Thema mehr zu sein? War nicht von einem Vorvertrag die Rede gewesen? Dem Red Bull Racing-Piloten wurde unterstellt, zu viel Geld verlangt zu haben. Und Ferrari wollte offenbar die Nummer-1-Position von Vettel nicht gefährden.
Daniel Ricciardo hatte von Anfang an klargemacht, dass er dazu nicht willens ist: «Ich bestehe auf identischem Material, die zweite Geige spiele ich nicht. Ich bin in einer Position, dass ich ein Wörtchen um die Spitze mitreden kann. Wenn ein Team sagen würde: „Also wir würden dich gerne unter Vertrag nehmen, aber du musst dich hinter deinem Stallgefährten anstellen“, dann unterzeichne ich nicht.»
Ricciardo ernüchtert: «Ich hätte von Ferrari mehr Interesse erwartet. Aber irgendetwas ist passiert, ich weiss auch nicht. Wer behauptet, dass ich zu viel Geld verlangt hätte, der lügt. Offenbar hat jemand meine Ankunft verhindert. Wer? Das wüsste ich auch gerne.»
Vor seiner ersten Saison mit Renault meinte der Australier: «Vielleicht ist bei den Franzosen alles ein wenig einfacher. Denn von uns erwartet im kommenden Jahr keiner den WM-Titel. Klar hoffst du immer, dass der Wagen konkurrenzfähig ist. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir auf dem Niveau von Red Bull Racing fahren können. Wenn ich meine Erwartungen in Worte kleiden müsste, so würde ich sagen: Wir haben Arbeit vor uns, aber hoffentlich nicht zu viel! Wichtig ist, dass wir ständig Fortschritte machen, beim Motor und auch mit dem Chassis.»
Aber es wollte noch nicht so richtig klappen mit Renault und Ricciardo: nur WM-Neunter 2019, aus dem erhofften Podestplatz wurde nichts.
Ricciardo am Ende der Saison: «Ich habe das Gefühl, dass ich mich gut ins Team integriert habe, aber rückblickend kann ich auch sagen: Da geht noch mehr.»
2020 kam mehr – in der Corona-verkürzten Saison zeigte Daniel einige überaus kampfstarke Grands Prix, fuhr bei den letzten elf Grands Prix der Saison jedes Mal in die Top-Ten, stand auf dem Nürburgring sowie in Imola als Dritter auf dem Siegerpodest und wurde bärenstarker WM-Fünfter.
Die verdichtete Corona-Saison war aber nicht nur ein Erfolg, sondern auch eine Herausforderung. «Nun, da alles vorbei ist, spüre ich, dass ich gestresst war. Es gab auch gute Momente, wenn wir etwa zwei Rennen auf der gleichen Strecke ausgetragen haben. Dann musste man sich zwischendurch keine Sorgen um den Weiterflug machen. Das war mit Blick auf unseren Schlaf und unsere Erholung entspannter als gewohnt.»
«Aber wenn wir in eine andere Stadt gereist sind und ins Restaurant gehen wollten, dann machte ich mir mehr Sorgen. Und auch, wenn jemand auf mich zukam, da dachte ich mir: 'Komm mir nicht zu nahe.' Es war eigenartig. Ich bin froh, dass 17 Rennen in sechs Monaten stattfinden konnten, das war ziemlich phänomenal. Ich bin auf jeden Fall glücklich mit dem Ergebnis. Es war ein sehr langes Jahr, aber auch ein sehr schnelles.»
Schnell war Daniel auch, was seinen nächsten Formel-1-Vertrag anging. Schon im Mai 2020 war klar: Daniel Ricciardo verlässt Renault und dockt bei McLaren an, als Nachfolger von Carlos Sainz, der zu Ferrari ging.
Daniel: «Sie haben meiner Ansicht nach von allen Teams den grössten Schritt nach vorne machen können, und das mit zwei relativ jungen Piloten. Lando Norris bestritt sein erstes Formel-1-Jahr und Carlos Sainz war zwar schon eine Weile dabei, dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass dort ein Veteran am Werk ist.»
«Es fühlte sich auf jeden Fall so an, als ob alles in die richtige Richtung gehen würde und ich habe ein Riesenpotenzial erkannt. Ich glaube, das haben sie noch nicht annähernd ausgeschöpft, und deshalb war es ein sehr vielversprechendes und spannendes Projekt. Nun liegt es an mir, das Potenzial zu nutzen.»
Aber das klappte nur bedingt – Daniel Ricciardo schenkte McLaren zwar in Monza 2021 den ersten Sieg der Engländer seit 2012, aber er wurde nur WM-Achter, enttäuschend.
Reden wir vom Highlight. Grosser Preis von Italien in Monza: Daniel Ricciardo ging am Start gleich in Führung, vor Max Verstappen. Hoppla, wann hatten wir den beliebten Australier denn letztmals da vorne erlebt? Es war in Abu Dhabi 2018. Und dann hielt der Teufelskerl diese Führung und fuhr den ersten McLaren-Sieg seit Brasilien 2012 ein!
Daniel Ricciardo konnte nach seinem grossartigen Triumph die Tränen nicht zurückhalten: «Das ist mein emotionalster Sieg in der Formel 1, so habe ich mich zuvor noch nie gefühlt.»
«Ich musste eigentlich nie richtig die Ellbogen ausfahren. Ich wusste, ich bin angreifbar, wenn die Reifen abbauen, aber seine Walzen bauten ja gleichermassen ab. Als ich dann wieder als Leader auf die Bahn kam, war mir klar – das lass ich mir nicht mehr entgehen!»
«Am Freitag hat hier etwas Klick gemacht. In der Quali vom Freitag war ich richtig geladen, weil ich keine bessere Zeit als die fünftbeste erreicht hatte. Und heute stehe ich hier, unfassbar!»
«Wir Fahrer leben für den Sieg. Natürlich hängt das Glück im Leben nicht nur vom Rennfahren ab, sonst wären die meisten Piloten eher unglückliche Menschen. Aber ein Grand-Prix-Sieg, das gibt dir ein Gefühl, das unvergleichlich ist. Ich habe das Gefühl, ich schwebe. Das liegt vielleicht auch am Schaumwein! Wahrscheinlich werde ich in einigen Tagen dieses Interview ansehen und denken – das habe ich wirklich gesagt?»
Leider hielt die Euphorie nicht an. In der Saison 2022 kam Daniel Ricciardo mit dem neuen Flügelauto überhaupt nicht zurecht, worauf McLaren im Sommer den Vertrag mit dem Australier vorzeitig auflöste. Ricciardo wurde am Ende nur WM-Elfter, seine schlechteste Saison seit neun Jahren.
Die Fans fragten sich: War’s das mit der Grand-Prix-Karriere des Formel-1-Strahlemanns? Daniel wirkt am Circuit de Spa-Francorchamps bedrückt, klar blitzte zwischendurch sein berühmtes Lächeln durch, aber Ricciardo redete nicht um den heissen Brei herum: «Das ist nicht, was ich wollte, als ich zu McLaren kam. Wir haben wirklich versucht, mich und das Auto in Einklang zu bringen, und das ist an zu wenigen Wochenenden passiert. Und weil ich mich eben zu selten so einbringen konnte, wie ich mir das gewünscht hätte, kam das Team zu dieser Entscheidung. Wir haben uns monatelang darüber unterhalten, wieso ich nicht die Ergebnisse einfahren kann wie erhofft.»
«Ich muss zugeben: Das ist kein schönes Gefühl. Aber immerhin kann ich in den Spiegel sehen und mir sagen – ich habe alles probiert, was in meiner Macht steht. Es gab nie einen Moment, in dem ich die Zügel hätte schleifen lassen. Manchmal muss man einfach akzeptieren, dass etwas nicht klappt, so sehr man es auch versucht. Gewisse Dinge sollen einfach nicht sein.»
«Ich liebe diesen Sport noch immer. Ich habe mein Feuer nicht verloren, mein Selbstvertrauen ist intakt. Ich will Formel 1 fahren und das auf hohem Niveau. Ich sehe mich nicht als Feldfüller. Ich will etwas beitragen. Aber was die Zukunft bringt, das weiss ich noch nicht. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, dann werde ich sie ergreifen.»
«Das ist kein angenehmer Moment in meiner Karriere, aber die perfekte Laufbahn gibt es für keinen von uns. Doch ich kann mich aus schwierigen Momenten rausziehen. Ich weiss noch, als ich in der Formel Renault fuhr, und es war hier in Belgien 2008, als ich am Samstag einen richtigen Zusammenschiss bekam, weil es einfach nicht gut lief. Mir war klar, dass ich mich jetzt zusammenreissen und Leistung zeigen muss. Das war eine Hürde, aber ich hatte immer diesen Glauben an meine Fähigkeiten, und der ist noch immer da.»
Im weiteren Verlauf des Sommers wurde klar: Für Ricciardo ist im Starfeld 2023 kein Platz. «Die letzten zwei Jahre waren ziemlich hart, vor allem, wenn man viel investiert hat und das nicht zurückkommt, kann einen das fertigmachen. Ich habe das Gefühl, dass mir eine kleine Auszeit gut tun wird, und dann versuche ich, für 2024 wieder etwas aufzubauen. Sagen wir mal so, ich bin noch nicht fertig, aber es wird ein bisschen anders aussehen.»
Im Rahmen des WM-Finales von Abu Dhabi 2022 war klar: Daniel Ricciardo kehrt in den Schoss der Red Bull-Familie zurück.
«Ich freue mir wahnsinnig, wieder Teil von Red Bull Racing zu sein und dritter Fahrer zu werden. Ich hatte immer schöne Erinnerungen an dieses Team, und es war schön, wie warmherzig ich wieder aufgenommen worden bin. Es hat mich gereizt für das beste Formel-1-Team zu arbeiten, während ich gleichzeitig nach vielen Jahren GP-Sport einmal tief durchatmen und mich neu ausrichten kann. Ich kann es nicht erwarten, meine Arbeit aufzunehmen – im Rennsimulator, bei Testfahrten und bei Demo-Anlässen.»
Red Bull Racing bezeichnet Ricciardo ausdrücklich als dritten Fahrer, nicht als Reservisten.
Daniel weiter: «Ich bin in den letzten Jahren ein bisschen rumgesprungen, und ich dachte mir, dass mir ein bisschen Vertrautheit vielleicht gut tut, einfach zurückzugehen und mit Leuten zu arbeiten, mit denen ich schon vorher gearbeitet habe, und natürlich mit einem Auto, mit dem ich sehr gut klargekommen bin. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mich in diesem Umfeld am besten einleben werde und herausfinden kann, was der nächste Schritt ist und was ich nach 2023 wirklich will.»
«Ich habe nicht das Gefühl, dass ich schon durch bin mit der Formel 1. In mir brennt sicherlich noch das Feuer und deshalb habe ich mich entschieden, nicht ganz wegzugehen, denn ich will wissen, was mit diesem Feuer geschieht.»
«Natürlich fiel sich das Finale in Abu Dhabi in diesem Jahr etwas emotional aus. Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich wie Sebastian Vettel gefühlt habe. Ich glaube nicht, dass dies mein letzter GP war.»
2023 kehrte Ricciardo auf die GP-Pisten zurück – als Fahrer bei AlphaTauri, weil der Niederländer Nyck de Vries nicht überzeugen konnte. In Ungarn gab der Australier sein Comeback.
Der WM-Dritte von 2014 und 2016 (mit Red Bull Racing) hatte in der Energy-Station von Red Bull etwas Mühe, zum Interview-Tisch zu gelangen: volle Hütte. Daniel grinste: «Was passiert hier, wenn ich Weltmeister werde?»
Wie hat sich die Rückkehr aus seiner Sicht abgespielt? Der Australier auf diese Frage von SPEEDWEEK.com: «Es passierte alles ganz schnell. Ich bin wieder Teil der Red Bull-Familie, und hier können sich die Dinge ratz-fatz entwickeln. Grundsätzlich habe ich mich immer fit gehalten, ich wusste ja, dass ich möglicherweise für Verstappen oder Pérez einspringen muss.»
«Wir hatten uns schon am Silverstone-Wochenende über diese Möglichkeit unterhalten, aber zunächst wollten wir sehen, wie der Reifentest mit Pirelli im Anschluss ans britische GP-Wochenende verläuft. Ich fühlte mich im Wagen sofort wohl, der Test verlief gut.
Nach zwei Läufen erkannte ich bereits viele lächelnde Gesichter in der Box, da war ich mir schon recht sicher, dass sich hier etwas Positives entwickelt. Ich stieg aus und erhielt gesagt: ‘Okay, du scheinst bereit zu sein, machen wir das!’»
Ich hake nach: «Du bist davor acht Monate lang nicht im Auto gesessen, wie hast du dich am Abend nach dem Test gefühlt?» Daniel antwortet: «Es stimmt, ich bin wirklich nichts gefahren, weil ich bewusst Abstand gewinnen wollte. Natürlich war ich am Morgen nach dem Test ein wenig steif. Aber gleichzeitig war dieser Reifentest schon lange geplant, ich war immer im Training geblieben, und ich habe das Training vor dem Test intensiviert.»
«Der Hungaroring ist eine physisch anspruchsvolle Strecke, ihr werdet mich also tüchtig schwitzen sehen! Aber ich weiss jetzt schon: Ich bin körperlich so in Schuss, dass ich mich vor nichts fürchten muss. Und sollte ich am Sonntag eine Chance auf Punkte wittern, dann wird mich mangelnde Fahrpraxis oder ein wenig Müdigkeit nicht am Punkten hindern!»
Mit welchen Erwartungen ging Ricciardo ins Comeback-Wochenende? «Ich habe keine. Ich knüpfe meine Rückkehr nicht an ein bestimmtes Ergebnis. Ich will einfach wieder Rennen fahren und daran Freude haben. Ich weiss, dass der AlphaTauri gewisse Beschränkungen hat, aber ich werde das Beste daraus machen.»
Ricciardo galt jahrelang in der Formel 1 als einer der besten Angreifer, mit ganz viel Gefühl auf der Bremse. Und sein Fahrstil kam auf einer schnellen Runde vor allem dann am besten zur Geltung, wenn er ein willig einlenkendes Auto hatte. Das ist der 2023er AlphaTauri nicht. Daniel weiter: «Ich verkopfe das nicht. Derzeit geht es darum, mich ins neue Umfeld einzuarbeiten. Im Rennsimulator hat sich der AlphaTauri ganz okay angefühlt. Mal sehen, wie sich das auf den Hungaroring umsetzen lässt.»
«Bei der AlphaTauri-Simulation ging es auch darum, dass ich und mein neuer Renningenieur Pierre Hamelin sicherstellen, auf der gleichen Wellenlänge zu sein.»
Vor wenigen Monaten hat Daniel gesagt: Bei einer allfälligen Rückkehr interessiere ihn nur ein konkurrenzfähiges Auto. Wieso fährt er nun dennoch für AlphaTauri, die derzeit auf Rang 10 im Konstrukteurs-Pokal liegen?
Daniel: «Die Perspektive hat sich verändert. Ich habe genug Zeit abseits der Rennstrecken verbracht, um meine Liebe für den Sport neu zu entdecken. Und ich spürte im Rennsimulator den starken Drang, wieder Formel-1-Autos fahren zu wollen.»
«Ich erhielt die Chance, das gegenwärtig beste Formel-1-Auto zu fahren, das hat mein Feuer weiter angefacht. Ich war schnell auf gutem Speed, das hat mir gezeigt – ich hab’s noch drauf. Das Ganze ist auch ein Wohlfühlding: Ich habe den Eindruck, dass ich wieder im richtigen Umfeld bin, um mich komplett entfalten zu können. Red Bull ist mein Zuhause.»
Daniel Ricciardo machte kein Geheimnis daraus: Er will seine Karriere mit guten Leistungen bei AlphaTauri so aufbauen, dass er sich für eine Rückkehr zu Red Bull Racing aufdrängt. «Ja, das ist mein Traum. Aber ich bin Realist. Ich weiss, dass ich mich neu beweisen muss. AlphaTauri ist für mich die ideale Gelegenheit, um die Leute von meinen Qualitäten zu überzeugen.»
Der damalige AlphaTauri-Teamchef Franz Tost sagte über Ricciardo: «Daniel war vor einer Woche erstmals im Rennwagenwerk in Faenza, es war eine sehr berührende Rückkehr, denn er ist ja vor zehn Jahren schon für uns gefahren.»
«Wir sind sehr glücklich, dass Daniel wieder für uns fährt. Wie sehr er sich in den vergangenen Jahren verändert hat, darüber werden wir in vollem Umfang in einigen Rennen mehr wissen. Als Mann ist er sichtlich gereift. Was aber geblieben ist, das ist sein offenes, positives Wesen, so war er schon immer. Daniel ist einfach ein klasse Typ.»
«Ich gehe davon aus, dass er sich bei uns sehr schnell einleben wird. Ich gehe davon aus, dass es zwischen ihm und Yuki Tsunoda keine Probleme geben wird. Yuki hatte ein sehr gutes Verhältnis mit Pierre Gasly und kam auch gut mit Nyck de Vries aus. Klar will Yuki schneller sein als Daniel, so wie das umgekehrt ja auch gilt, aber menschlich sehe ich keine Schwierigkeiten.»
Aber schon beim dritten Rennwochenende, in Zandvoort, war wieder Schluss. Der achtfache GP-Sieger zog sich bei einem Trainingsunfall Brüche an der linken Mittelhand zu.
Ricciardo wurde durch Liam Lawson ersetzt und kehrte erst in Texas wieder zurück, ein Rennen darauf holte er in Mexiko mit Platz 7 seine einzigen Punkte der Saison 2023.
«Es war schön, ein Wochenende wie Mexiko zu haben, das war gut für die Seele. Auch für das Team war es wichtig, denn der Sprung vom letzten zum achten Platz in der Konstrukteurswertung war riesig. Das sorgt für eine sehr gute Atmosphäre.»
Ricciardo erhielt für 2024 einen neuen Vertrag, das Team aus Faenza inzwischen unterwegs als Racing Bulls. Aber der Australier tat sich schwer. Die Leistungen waren gemessen an jenen von Yuki Tsunoda zu wenig überzeugend, um sich – wie es von Daniel geplant war – in Position zu bringen, um Sergio Pérez bei Red Bull Racing zu ersetzen.
Achter in Kanada, Neunter in Österreich, Zehnter in Belgien, das war alles zu wenig, um sich als RBR-Fahrer aufzudrängen.
Ganz im Gegenteil wurde bei Red Bull entschlossen, einen anderen Weg zu gehen. Die RB-Führung wollte sehen, wie sich Liam Lawson gegen Tsunoda macht, um zu erkennen, ob der Neuseeländer ein möglicher Kandidat wäre für die Nachfolge von Pérez.
Daniel Ricciardo musste nach dem Singapur-GP (schnellste Rennrunde!) sein Cockpit für Lawson räumen. Und Liam erhielt letztlich tatsächlich den Zuschlag, um 2025 an der Seite von Max Verstappen bei Red Bull Racing zu fahren.
Ricciardo gestand nach dem Singapur-GP mit Tränen in den Augen: «Das war schon sehr emotional, denn ich bin mir bewusst, dass es das gewesen sein könnte. Ich war auch erschöpft, da brachen so viele Gefühle auf mich ein. Das Cockpit ist ein Platz, an den ich mich sehr gewöhnt habe. Ich wollte einfach den Moment geniessen.»
Als sein Abschied offiziell bestätigt wurde, meldete sich der 257-fache GP-Teilnehmer mit einem bewegenden Abschiedsgruss in den sozialen Medien zu Wort: «Ich habe diesen Sport mein ganzes Leben lang geliebt. Er ist wild und wunderbar, und das Ganze war eine aufregende Reise. An alle Teams und Personen, die ihren Beitrag zu meiner Karriere geleistet haben, ein herzliches Dankeschön. Und ich danke auch den Fans, die den Sport manchmal mehr als ich geliebt haben. Es gab Höhen und Tiefen, aber es hat Spass gemacht und ich würde nichts ändern wollen.»
In aller Wahrscheinlichkeit ist die GP-Karriere von Daniel Ricciardo vorbei. Oder doch nicht?
Seit beschlossene Sache ist, dass Cadillac ab 2026 das elfte Team in der Formel 1 wird, spekuliert die Formel-1-Welt: Welche zwei Piloten werden die Stammfahrer des Teams?
Als neues Team wäre es hilfreich, mindestens einen erfahrenen Piloten einzubinden, der sein Wissen in die Entwicklung des Autos einbringen kann. Umso praktischer wäre natürlich jemand, der jetzt schon, also auch ein Jahr vor dem offiziellen Einstieg, Zeit hätte.
Daher fiel häufig der Name Daniel Ricciardo. Der Australier fuhr 257 Grands Prix und holte acht Siege. Seit seinem Aus bei den Racing Bulls nach dem Singapur-GP wäre er ja verfügbar.
Doch es sieht nicht danach aus, als würde der charismatische Australier eines der Gesichter von Cadillac/GM, also der Rennsportunternehmung von Michael Andretti, werden.
Auf Social Media kursierte ein Video von Ricciardo mit einem Fan. Der junge Mann fragt Ricciardo: «Kein Cadillac?» Ricciardo antwortet mit seinem typischen Grinsen und einem langgezogenen «Neeeeeeeeein.» und «I’m done», also in etwa: «Ich bin durch.» Oder «Ich bin fertig.» Dazu macht er eine abwinkende Geste.