Über Daniil Kvyat
Daniil Kvyat begann seine Karriere im Kartsport. 2008 wurde er Dritter in der FIA-KF3-Europameisterschaft und Vizemeister der FIA-KF3-Asien-Pazifikmeisterschaft. Ein Jahr später verteidigte er seinen Titel in der Europameisterschaft und wurde Vizemeister der WSK-KF3-International-Series.
2010 wechselte er in den Formelsport und trat für EuroInternational in der europäischen Formel BMW an. Er stand als Zweiter ein Mal auf dem Podium und schloss die Saison als Zehnter ab. Daneben absolvierte er sechs Gaststarts bei der pazifischen Formel BMW, wo er zwei Mal als Sieger ins Ziel kam. Weiterhin startete er mit Koiranen Bros. Motorsport als Gast bei zwei Rennen des Formel Renault 2.0 Eurocup. Für Koiranen Bros. Motorsport fuhr er nach der Saison auch in der Winterserie der britischen Formel Renault, wo er Gesamtvierter wurde.
Außerdem wurde der junge Russe in dem Jahr von Red Bull entdeckt und ins Förderprogramm aufgenommen.
2011 ging Daniil Kvyat nach Neuseeland und trat dort in vier von fünf Rennen der Toyota Racing Series an, beschloss nach Saisonende aber, nach Europa zurück zu kehren. Für sein altes Team Koiranen Bros. Motorsport startete er sowohl im Formel Renault 2.0 Eurocup als auch in der nordeuropäischen Formel Renault, in der er mit sieben Siegen Vizemeister hinter Carlos Sainz Jr. wurde. Im Winter 2011/2012 fuhr Kvyat erneut in der Winterserie der britischen Formel Renault und schloss die Saison als Dritter ab.
2012 blieb Kvyat bei Koiranen Motorsport und wurde im Formel Renault 2.0 Eurocup mit sieben ersten Plätzen der Fahrer mit den meisten Siegen. Trotzdem unterlag er in der Meisterschaft mit 234 zu 244 Punkten Stoffel Vandoorne und wurde Zweiter. Mit ebenfalls sieben Siegen holte er in der alpinen Formel Renault den Titel.
2013 wechselte Kvyat in die GP3-Serie. Mit seinem neuen Team MW Arden gewann er in Spa-Francorchamps und Monza jeweils das Hauptrennen und sicherte sich mit einem weiteren Sieg in Abu Dhabi vorzeitig den Titel. Neben seinen Einsätzen in der GP3 startete Kvyat mit Carlin Motorsport in der europäischen Formel-3-Meisterschaft. Bei 21 Starts kam er ein Mal als Sieger und drei Mal als Zweiter ins Ziel, wurde jedoch nie gewertet, da er nur als Gaststarter gemeldet war.
Außerdem durfte der Schlacks aus Ufa als Testfahrer von Toro Rosso bei den Formel-1-Wochenenden in Austin und Interlagos am freien Freitagtraining teilnehmen.
2014 wurde Daniil Kvyat zum Stammfahrer beim Red-Bull-Nachwuchsteam Toro Rosso befördert und ersetzte dort Daniel Ricciardo, der ins Weltmeisterteam Red Bull Racing aufgestiegen war (Daniel wiederum als Nachfolger von Mark Webber). Bereits bei seinem ersten Renneinsatz in Australien holte er im Alter von gerade mal 19 Jahren – und somit als jüngster Pilot der Geschichte – seinen ersten WM-Punkt. Kvyat wurde 2014 zu einer der Entdeckungen des Jahres. Er entzauberte
den erfahrenen Jean-Éric Vergne (der daraufhin bei Red Bull aussortiert wurde) und
beendete die Saison als WM-15. Red Bull Racing holte ihn daraufhin für Sebastian
Vettel an die Seite von
Daniel Ricciardo.
2015 begann nicht einfach: Nach den ersten drei Rennen stand nur ein neunter Platz zu Buche, Kvyat machte in Trainings und Rennen Fehler, und schon fragten sich einige, ob die Beförderung in ein Top-Team nicht vielleicht zu früh gekommen sei. Doch langsam fing sich der Russe: Vierter in Monaco, sensationeller Zweiter in Ungarn, später Vierter und Belgien und in den USA. Am Ende der Saison belegte Kvyat den siebten WM-Schlussrang und liess damit sogar Daniel Ricciardo hinter sich.
Die Saison 2016 begann jedoch schwierig: Nur Rang 3 in China war ein wirkliches Highlight, als Kvyat ausgerechnet beim Heimrennen von Sotschi Ferrari-Star Sebastian Vettel gleich zweimal anstubste, war bei Red Bull längst klar – ab Spanien fährt Max Verstappen neben Daniel Ricciardo, Kvyat muss zurück zu Toro Rosso. Verstappen bedankte sich in Barcelona mit einem Sensationssieg.
Kvyat hingegen erholte sich kaum von diesem Tiefschlag: In den folgenden zehn WM-Läufen gab es nur zwei Punkte fahrten, der Russe schien ein Auslaufmodell zu werden. Eine überaus kämpferische Fahrt mit Rang 9 in Singapur rettete seine Karriere, im Herbst bestätigte Red Bull, dass Kvyat bei Toro Rosso bleibt.
Der Russe gestand freimütig: «Zur Jahresmitte 2016 brachen meine Leistungen etwas ein, das hatte verschiedene Gründe. Zu diesem Zeitpunkt sah es noch nicht so aus, als würde ich bleiben können. Ich wusste, ich durfte nicht so weitermachen, und schaffte es, nach der Sommerpause alles hinzubekommen. Das waren einige sehr wichtige Rennen für mich.»
Der erfolgreichste russische GP-Pilot weiss, dass sein Auftritt in Singapur ein wichtiges Argument für seine Weiterverpflichtung lieferte: «Die einzige echte Chance, mein Können zu zeigen, bot sich in Singapur. Und ehrlich gesagt lastete extrem viel Druck auf meinen Schultern, denn ich wusste, das ist die einzige Strecke, auf der ein gutes Resultat möglich ist.» Er hielt diesem stand und holte sich auf dem Strassenkurs den siebten Startplatz und beendete den Flutlicht-GP auf dem neunten Rang.
«In vielen anderen Teams spielen die unterschiedlichsten Faktoren eine Rolle, wenn es um den Verbleib eines Fahrers geht», erzählt Kvyat. «Aber bei Toro Rosso wusste ich, dass sie mich behalten werden, wenn ich einen guten Job mache und gute Ergebnisse einfahre. Und genau das habe ich nach der Sommerpause gemacht, auch wenn da wegen der technischen Probleme mit dem Motor und anderem nicht einfach war.»
«Nach dem Rennen in Singapur erlebte ich einige gute Qualifyings, in denen ich wieder zu meiner alten Form gefunden habe. Es reichte, um die Bestätigung für 2017 zu bekommen, deshalb bin ich natürlich happy. Und ich freue mich schon auf die weitere Zusammenarbeit. Es fühlt sich schon an, wie eine zweite Chance, denn dieses Jahr war unglaublich lang und steinig. Es ist gut, nun zur Ruhe zu kommen und einen zweiten Anlauf nehmen zu können, denn im nächsten Jahr beginnt alles wieder bei Null. Es ist ein neues Auto, eine neue Gelegenheit und eine neue Saison. Natürlich werde ich mein Bestes geben, um diese Chance zu nutzen.»
Aber das passierte nicht: Ende 2017 stand Kvyat mit leeren Händen da.
Kvyat kam danach sportlich nie mehr wirklich auf die Beine, er schwächelte auch bei Toro Rosso. 2017 folgte erneut eine Degradierung, in Malaysia und Japan musste er zugunsten von Pierre Gasly aussetzen, der dann wiederum in Texas fehlte. Toro Rosso veranstaltete eine Art Casting, da man sich nach dem Abgang von Carlos Sainz zu Renault neu aufstellen musste.
In den USA fuhr Kvyat gemeinsam mit Brendon Hartley und holte als Zehnter einen Punkt. Die beiden Plätze für 2018 bekamen am Ende aber Gasly und Hartley.
Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost: «Ich bin immer noch davon überzeugt, dass Daniil einen sehr hohen Grundspeed hat. Er war manchmal sogar schneller als Daniel Ricciardo. Aber irgendwie konnte er das in den vergangenen beiden Jahren nicht zeigen.»
«Er war in viele Zwischenfälle verwickelt. Ich muss zu seiner Verteidigung aber auch sagen, dass er viele technische Probleme hatte, die nicht dazu beigetragen haben, dass er Vertrauen aufbauen konnte. Dass er Opfer in zu vielen Zwischenfällen war, hat seine Performance gekillt. Ich rate zu einer Pause, um sich neu zu organisieren. Wahrscheinlich werden wir Daniil dann bei einem anderen Team auf seinem früheren Level sehen.»
Eine Baustelle, die der Russe angehen muss, ist die erste Runde. Tost: «Er war zu aggressiv. Er wollte auf den ersten hundert Metern zu viel. Erfolg – egal, was es kostet. Das setzt dich unter Druck, unnötigen Druck, der niemals etwas bringt. Ich hoffe, er bekommt eine neue Chance, er hätte sie verdient.»
Die neue Chance hiess Ferrari: Anfang Januar 2018 gab der berühmteste Rennstall der Welt bekannt – Kvyat wird Entwicklungsfahrer: Wenn Vettel und Kimi Räikkönen am GP-Austragungsort arbeiteten, dann schuftete der Kvyat parallel dazu im Werk von Maranello. Er sass dabei in jenem Simulator, den die Mitarbeiter «Spinne» nennen. Die wie aus einem Science-Fiction-Film wirkende Spinne wiegt gut 2000 Kilo und beherbergt fünf Meter über Boden den Fahrer in einer Kapsel, Hydraulikarme ahmen die Bewegungen des Autos nach. Der Pilot sitzt vor einer 180-Grad-Leinwand. Kvyat sollte Abstimmungsvarianten der beiden Stammfahrer prüfen oder Vorschläge einbringen, was beim Set-up verbessert werden kann.
Ferrari-Star Sebastian Vettel lobte die Arbeit von Kvyat sehr. Das war nicht mehr der gleiche Daniil, der junge Russe lernte viel dazu. Als Toro Rosso für 2019 einen anderen Fahrer brauchte, erinnerte sich Dr. Helmut Marko an Kvyat. Ende September wurde offiziell: Kvyat sitzt 2019 in einem Toro Rosso-Honda und ist wieder Teil der Red-Bull-Familie. Was hat sich geändert? «Es ist ganz einfach – Daniil hat sich geändert», gibt Le-Mans-Sieger Helmut Marko zur Antwort. «Sein Speed war immer da, aber bei Ferrari ist er in einem ganz anderen Umfeld viel reifer geworden. Er hat viel dazulernen können, ich sehe, dass er anders an seine Aufgaben herangeht. Er hat auch erkannt, wie kostbar es ist, ein Renncockpit zu haben. Vielleicht ist er zu Ferrari gegangen in der Hoffnung, dort einen Wagen zu erhalten, das war aber nicht möglich. Wir sind immer in Verbindung geblieben, und er war auch auf dem Laufenden darüber, was mit Daniel Ricciardo passiert. Um genau zu sein, hat mich Daniil angerufen, noch bevor Ricciardo mich anrief! Als klar wurde, dass Daniel zu Renault geht und wir Pierre Gasly zu Red Bull Racing bringen, haben sich die Gespräche vertieft.»
«Ich hatte nie Zweifel am Speed von Daniil Kvyat, aber er hatte gewisse mentale Probleme. Die hat er meiner Meinung nach überwunden, und ich gehe davon aus, dass wir wieder den alten Kvat erleben werden, der grossartige Rennen zeigen kann. Heute hat er meiner Meinung nach die richtige Einstellung. Es gibt nicht so viele Fahrer, die wirklich in Frage kamen, die Bedingungen stimmten, und ich bin glücklich, dass er wieder bei uns ist.»
Kvyat bedankte sich für das Vertrauen mit einigen grandiosen Auftritten – mit dem Highlight des dritten Platzes im Chaos-GP von Hockenheim. Und dies in der Nacht, nachdem er zum ersten Mal Papa geworden war! Es war erst der zweite Podestplatz des Rennstalls aus Faenza nach dem verblüffenden Sieg von Sebastian Vettel im Italien-GP 2008.
Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost über seine beiden Piloten: «Ich bin entzückt, dass wir Pierre und Daniil für die kommende Saison behalten. Beide haben wirklich gute Leistungen gezeigt und ihre Konkurrenzfähigkeit bewiesen. Ihre Aussagen übers Auto sind fundiert, und sie holen alles aus dem Wagen. Wir sind in der glücklichen Lage, ein junges, dennoch erfahrenes Fahrer-Duo zu haben. Das macht Mumm für die Saison 2020.»
Der Russe Kvyat meint: «Ich freue mich, dass ich auch 2020 hier fahren kann, denn ich fühle mich wohl in diesem Rennstall und verstehe mich mit allen blind. Ich bin dankbar, dass ich eine weitere Chance in der Königsklasse erhalte. Unser Podestplatz in Hockenheim hat gezeigt, was möglich ist, wenn alles stimmt. Das macht Appetit auf mehr.»
Der Russe fuhr 2019 zehn Mal in die Punkte und wurde WM-13.