Formel 1: Ohrfeige für Gegner von Verstappen

James Stewart exklusiv: «Sie kennen mich nicht»

Von Adam Wheeler
James Stewart ist zweifacher Supercross-Weltmeister

James Stewart ist zweifacher Supercross-Weltmeister

SPEEDWEEK.com konnte sich 15 Minuten mit einem der grössten, bedeutendsten und unverstandensten Motorradrennfahrer der USA unterhalten. Ladies and Gentlemen... James Stewart.

Es ist nicht immer so einfach, bei diesem Mann ein Interview zu bekommen, der eine eigene Marke ebenso wie ein Athlet ist. In der hektischen Phase von 36 Stunden rund und ein Supercross-WM-Lauf bedeutet knapp bemessene Zeit, Verpflichtungen und viel Druck für einen Fahrer, der schon alles gewonnen hat, aber noch immer populäre Höchstwerte erreicht. Wir finden eine Ecke im Truck von Yoshimura Suzuki und führen einen kurzen, aber interessanten Diskurs mit dem 27-Jährigen.

Stewart steht mit seiner dritten Motorradmarke in seiner zwölften Profisaison, sein Sieg in Atlanta brachte ihm den 45. Supercross-Sieg (91 inkl. US-Motocross-Rennen) ein. Ausserdem stellte er sicher, dass in den letzten neun Jahren in jedes Saison mindestens ein Mal auf das oberste Treppchen des Podests steigen konnte.

Dem Teilzeit-Fernsehstar (Reality-TV-Show) und Marken-Gründer («7» mit Troy Lee Designs) wurde vorgeworfen, dass er seinen Fokus verloren habe, zu oft stürze und sich zu sehr seinen Vergnügungen widme. Die negative Sicht auf Stewart zeigt sich auch bei der Fahrervorstellung, wenn Tausende den Suzuki-Fahrer ausbuhen – allerdings bejubeln ihn auch Tausende. Spricht man mit jenen, die eng mit ihm zusammenarbeiten, heisst es, er ist einfach ein Renntier. Dieses Bild wird von der Tatsache gestützt, dass der Mann aus Florida 2013 trotz einer Bänderverletzung im rechten Knie konkurrenzfähig ist. Ist «JS7» noch immer relevant? Absolut, so scheint es...

Du bist letztes Jahr mit dem Wechsel zu Suzuki ein Gelber geworden. Es schaut so aus, als ob du mit der neuen Marke eine neue Herausforderung und eine neue Lebenseinstellung bekommen hättest.

Yeah. Es ist kein Geheimnis, dass ich mich mit der Yamaha sehr abgemüht hatte in den paar Jahren. Und das hätten eigentlich die besten meiner Karriere sein sollen. Ich hatte vergeblich versucht, das Motorrad zu entschlüsseln. Als ich den Wechsel zu Suzuki vollzogen habe, war ich an einem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste: Mit Rennsport aufhören oder hinzugehen, und in Sport etwas zu verändern, denn ich hatte die Schnauze voll

Ich habe mich dann für den Markenwechsel entschieden. Ich bin wieder mit der US-Motocross-Meisterschaft eingestiegen. Während dieses Prozesses habe ich aber begonnen zu überlegen, was nach meiner Karriere kommen könnte und was ich im Sport noch erreichen will. Ich interessiere mich sehr für Mode, so kam die Idee zustande, meine eigene Firma für Kleider auf die Beine zu stellen. Wir haben während einigen Monaten Gespräche geführt und sind dann mit dem «Seven»-Konzept erschienen. Ich habe eine Menge an positivem Feedback gekriegt. Dabei steckt das Ganze noch in den Kinderschuhen, wir werden damit weitermachen und noch alles verbessern.

Du hattest mit Sicherheit bereits früher mit Marken wie Fox und Answer eine enge Bindung, aber ich vermute, bei Seven bringst du dich viel mehr ein...Ich bin viel mehr involviert. Von der Namensgebung über die Richtung, die wir einschlagen wollen bis zum Findungsprozess, was wir mit der Marke erreichen wollen. Bei Fox und Answer ging es mehr darum, Farben auszuwählen. Sie sind zu mir gekommen und sagten ‹Hier ist das Design, welche Farben willst du dafür?› Das war cool. Zuzusehen, wie Answer gewachsen ist, seit ich 2009 bei ihnen unterschrieben hatte, war eine gute Geschichte. Es hatte sich gut entwickelt, es kamen Leute zu mir und sagten ‹Mann, du machst meinen Aktienkurs bei Fox kaputt!›, weil Fox vorher auf dem Markt viel mehr Anteile hatte.

Jetzt will ich es statt für jemand anders für mich selber machen. Ich will nicht geizig sein, wir bauen es langsam auf. Ich muss mir keine Sorgen machen um das Geld. Es war also eine einfache Entscheidung, in diese Richtung zu gehen.

Was denkst du: wie sehen dich die Leute jetzt? Du scheinst eine Weile lange eine Figur gewesen zu sein, die extrem polarisierte. Die Leute lieben oder hassen dich. Denkst du, dass du dieselbe Phase durchmachst wie Chad Reed, als er vom Buhmann zu einer populären Figur wurde


Das ist etwas anderes. Ich habe kürzlich gescherzt, dass die Fans jetzt wohl Chad mögen, weil sie wissen, dass wir beide nicht auf einer Wellenlänge liegen. Ich denke, das geht auch auf meine schwierige Zeit zurück. Es schaut so aus, als ob es nicht viele «Leute in der Mitte» gibt. Ich finde das merkwürdig – wirklich – weil sie nicht wissen, wer ich bin. Das ist das Harte daran. Ich glaube, es ging immer um mehr als nur darum, wie ich Motorradrennen fahre. Es geht darum, wie ich mich gebe, wie ich aussehe, solche Sachen.

Ich vermute, ich gehe die Dinge anders an, und weil ich so aufgewachsen bin – ohne Geld und mit grossen Anstrengungen, alles auf die Reihe zu kriegen – war ich immer ein Typ, der sich von den Leuten isoliert hat. Wenn ich dir nicht traue, will ich auch nicht wirklich mit dir sprechen. Möglicherweise halten das einige Leute für Arroganz. Aber ich denke, die Meinungen über mich ändern sich ein bisschen. Sie können sehen, wie ich mich abmühe aber trotzdem immer noch da bin und kämpfe.


Wie weit weg bist du derzeit vom Fahrer, der 2008 die perfekte Saison hingelegt hat? Du bist erfahrener geworden. Aber spürst du Abnutzungserscheinungen?Dieser Kerl ist immer noch da, ich muss ihn einfach aufwecken! Ich spüre, dass das Niveau an Talenten besser geworden ist. Auch im Vergleich zu den Tagen, als ich gegen Ricky (Carmichael) gefahren bin. Denn es ist etwas anderes, wenn du jetzt sechs oder sieben Leute schlagen musst statt nur jemanden. Diese Jahre auf Yamaha haben mir definitiv etwas zugesetzt. Es gab viele Stürze und andere Dinge. Das habe ich nun mit Suzuki überwunden und ich fühle mich gut auf dem Motorrad.


Seven gehört schon zu deinem nächsten Karriereschritt und es ist noch nicht lange her, als wir uns über Autorennen unterhalten haben. Sind vier Räder immer noch ein Thema? Wie denkst du darüber?

In meinem Kopf gibt es derzeit nur Supercross, ich bin total auf Racing fokussiert. Ich habe die Entscheidung gewählt, eine Menge Geld auf dem Tisch liegen zu lassen und hierher zu kommen, um Rennen zu fahren. Das ist meine Priorität Nummer 1. Nummer 2 ist die eigene Firma aufzubauen. Aber da habe ich gute Leute um mich herum, ich muss mich nicht zu sehr um irgendwelchen Geschäftskram Sorgen machen. Ich bekomme immer noch Anrufe wegen der Auto-Sache.

Ich denke, es gibt eine Zeit und einen Ort für vier Räder, und – ob ich selber fahren kann oder nicht – dass es einen Markt für mich in diesem Bereich gibt. Es gibt eine Menge guter Autorennfahrer und viele mit mehr Erfahrung als ich. Trotzdem bekomme ich noch immer Anrufe. Ich weiss, dass es da um Aufmerksamkeit geht und darum, was du für deine Sponsoren und deine Fans machen kannst. Die Leute mögen mich hassen oder lieben, aber sind reden immer noch über mich.


Ich habe festgestellt, dass du auf Twitter und Facebook regelmässig alle möglichen Sportarten kommentierst, egal ob Formel 1, Golf oder MotoGP...

 Yeah, ich verfolge alles. Dummerweise ist die Formel 1 für mich eine harte Geschichte, weil ich nicht so früh aufstehe! Ich bin ein Fan von jedem, der etwas gut kann. Ich bin nicht Fan von jemandem, ich mag sie alle, Lorenzo, Rossi und Stoner. Ich mag diese Kerle, weil sie etwas machen, was mich ‹Wow› sagen lässt. Einige halten ja Motocross für härter als Rundstreckenrennen. Aber ich sehe Fünftklässler Rennen fahren und ich denke ‹so etwas kann ich nicht!›. Mit Social Media nutze ich einfach die Möglichkeit, meine Anerkennung zu zeigen, was da draussen abgeht.

Zum Schluss will ich über Europa sprechen. Ryan Villopoto sagte, er würde sich in einigen Jahren gerne in der Motocross-WM versuchen, Dean Wilson ebenso. Wäre das für dich nach deinen Erfahrungen beim Nationen-Cross und den Rückmeldungen von den Fans auch etwas, worauf die neugierig bist?

 Wenn es nur auf die Fans ankäme, würde ich es sofort machen. Ich liebe Europa und Events wie das Supercross in Paris-Bercy. Für mich persönlich wäre es eine grosse Chance und es würde mir viel bedeuten, nach Europa zu kommen. Ich will nichts sagen wie ‹ja, ich zwei Jahren will ich es anpacken› oder ‹hier ist das Niveau, das mich interessiert›... Es müsste die passende Möglichkeit sein und um ehrlich zu sein, ich würde auch gerne einfach als Fan der Szene dort rüberkommen. Bei den Nations konnte ich erkennen, dass die europäischen Strecken nicht wirklich meinem Ideal entsprechen. Ich mag das kalte Wetter nicht!

Und wie steht es um das Nationen-Motocross mit dem Team USA? Ich weiss, dass man politisch korrekt Sätze sagen muss wie ‹yes, ich liebe diesen Event›. Aber denkt ein Teil von dir nicht, ‹ich war schon dabei und es ist abgehakt›?

Das Nations ist etwas anderes. Das einzige was ich daran nicht mag, sind die «Hangers», die nur dabei sind, um ein Ticket zu kriegen. Aber ein Teil davon zu sein und gegen die besten der Welt anzutreten... Ich liebe diese Voraussetzung. Ich hatte bisher Glück und Pech bei den Nations, aber ich will stets rüberkommen und die Besten bezwingen. Ich liebe die Fans in Europa.

Viele der Fahrer, die sagen ‹ich werde in einigen Jahren drüben antreten› (Anm.: bei den GPs), lügen. Es muss so sein. Denn ich denke, wenn es eine Möglichkeit gibt, würden sie es jetzt sofort tun. Wir denken immer, die besten Fahrer der Welt sind hier bei uns. Ich wünschte mir, einige der Fans beim Nations würden auch rüberkommen! Sie sind ein bisschen wie die Raiders-Fans (Anm.: American Football), sogar wenn es nicht gut läuft, geben sie nicht auf und unterstützen ihr Team, das mag ich am GP-Fans. Sie sind voll dabei.

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