Schnitzer-BMW 635 CSi: Abschied mit Trauerflor
Der erfolgreiche BMW 635 CSi
Eigentlich war jenes schicke BMW-6er-Coupé der Oberklasse, 1976 auf dem Genfer Automobilsalon präsentiert, vom Werk aus nie für Einsätze im Motorsport gedacht.
Vielmehr sollte es als eleganter Gran Tourismo begeistern, als schneller Reisewagen für Menschen, denen eine Limousine vielleicht zu bieder erschien. Doch die Marketing-Strategen der weiß-blauen Marke hatten nicht mit Tunern und Renn-Teams gerechnet, die bald das Potential dieses Autos auch für Wettbewerbszwecke erkannten.
Und so kam es zur Homologation des damals stärksten Modells, des 635 CSi mit 3,5-Liter großem Sechszylindermotor, erst in der so genannten Gruppe 2, später in der Gruppe A der FIA.
Weil BMW selbst aber nicht die Kapazität für den Aufbau eines Rennautos auf Basis des 6er-Coupés hatte und sich zu dieser Zeit noch voll auf die Formel-1-Einsätze konzentrierte, verteilte sie die Baumodule auf Fremdfirmen: Alpina kümmerte sich, da erfahren mit der Umprogrammierung der Elektronik, um die Rennmotoren, bei Karmann in Osnabrück entstanden die für den Motorsport notwendigen, versteiften Karosserien. BMW selbst steuerte in einem Kit weitere Teile bei, etwa den Benzintank.
Als 1981 schließlich die ersten BMW 6er-Coupés auf die internationalen Rennstrecken entlassen wurden, zeigten sie auf Anhieb ihr Können.
Zwar mussten sie sich teilweise deutlich stärkerer Konkurrenten erwehren, was die reine Motorleistung anging, 350 PS aus Bayern mussten oft gegen fast 100 PS stärkere Aggregate aus britischer oder italienischer Provenienz ankämpfen. Ihre Stärke aber hieß Zuverlässigkeit, es gab kaum Ausfälle, vor allem bei Langstreckenrennen.
So gewann dieses Auto drei Mal die Tourenwagen-Europameisterschaft, mit Helmut Kelleners 1981, mit Dieter Quester 1983 und Roberto Ravaglia 1986, der sich das Cockpit damals sogar mit Formel-1-Piloten wie Gerhard Berger teilte.
1983, 1985 und 1986 fuhr dieses Auto auch bei den 24 Stunden von Spa als erstes über die Ziellinie und dominierte 1984 und 1985 den 24-Stunden-Marathon auf dem Nürburgring. Selbst im ersten Jahr der neu geschaffenen DTM, 1984, war gegen das BMW 6er-Coupé mit Volker Strycek noch kein Kraut gewachsen.
Weil aber das Bessere stets des Guten Feind ist, zeigte sich Mitte der 1980er-Jahre, dass der M3, von BMW gleich zu Beginn als Rennauto entwickelt, wohl noch schneller fahren könnte.
Damit stand schließlich der unvermeidliche Showdown im Frühjahr 1986 an, auf der italienischen Strecke von Misano an der Adria. Zu diesem internen Konzeptvergleich hatten Schnitzer-Teamchef Charly Lamm und seine Mannen ein Auto mit im Gepäck, das handverlesen an der wohl obersten Toleranzgrenze der Coupé-Ära ausgesucht worden war, ein wahres Sahnestückchen also.
Die Testfahrten begannen, Formel-1-Pilot und Tourenwagen-Gelegenheitsfahrer Ivan Capelli hieß der schnelle Mann im Cockpit. Seine Zeiten auf der 4,2 Kilometer langen Strecke waren in der Tat beeindruckend, doch die Crew um Ingenieur Werner Frowein von der BMW Motorsport GmbH ahnte es bereits – mit dem neuen M3 ging es noch schneller.
Tatsächlich: Capelli hämmerte mit dem Nachfolger eine sensationelle Zeit auf die Bahn, lange Gesichter an der Schnitzer-Box waren die Folge. Damit war die Entscheidung für das BMW-Rennauto der Zukunft gefallen – für den M3.
Charly Lamm aber wäre nicht Charly Lamm, hätte er sich nicht stilvoll geschlagen gegeben.
Er schnappte sich also eine schwarze Flagge, kauerte sich neben Capelli ins 6er-Gehäuse und bat ihn, eine letzte, diesmal langsame «Trauerrunde» zu fahren.
Mit heraushängendem Trauerflor kamen die beiden wieder zur Box, packten das Coupé schweigend in den Renntransporter und verloren nie mehr ein Wort darüber.
Das sollte der erste große Moment im Leben des Renn-M3 sein. Aber, wie wir heute wissen, noch lange nicht sein letzter – er ist bis dato der erfolgreichste Renntourenwagen der Welt.